Freitag,
13.01.2017 - 09:00
5 min
Klein und bunt: Willemstad ist die Hauptstadt von Curaçao
Von Tobias M. Blank

Die bunten Fassaden der Häuser an der Uferpromenade von Willemstad sind ein Markenzeichen der Insel. Foto: Tobias M. Blank ( Foto: Tobias M. Blank)
Das ist ein Kontrast. Klein und geduckt stehen die Häuser an der Hafenpromenade. Sie sind bunt und die Dachlinie verläuft im Zickzack: Zwischen den Häuserzeilen ist ein riesiger weißer Wal gestrandet. Nein, es ist kein Wal, sondern ein großes Kreuzfahrtschiff. Strahlend weiß und von kastiger Gestalt. Sind die Schiffe zu groß oder ist Willemstad für die Kreuzfahrtriesen zu klein, mag man sich da fragen. Dem Zuschauer bleibt nicht viel Gelegenheit, seinen Gedanken nachzuhängen. Mit dem Charme einer alten Schulglocke erschallt das Signal. Ein paar Minuten später haben freundliche Verkehrspolizisten die Königin-Emma-Brücke abgesperrt. Dann setzen sich die Pontons, die das Bauwerk tragen, in Bewegung, bis „Emma“ sich parallel zur Uferpromenade eingeklappt hat. Dann können die kleinen Boote den Hafenbereich verlassen und die Karibische See ansteuern. Der gestrandete Wal „sonnt“ sich derweil noch ein wenig zwischen den beiden Promenaden.
Willemstad ist die Hauptstadt von Curaçao. Das ist kaum verwunderlich: Über andere Städte verfügt die Karibikinsel nicht. Auf der Insel wohnen etwa 160 000 Menschen, die meisten davon in der Hauptstadt oder drum herum. Man lebt hier nicht schlecht. Neben Tourismus und Hafenbetrieb sind es die Banken, die die ehemalige niederländische Kolonie am Laufen halten. Die Menschen hier reden Papiamentu, die Sprache der ehemaligen Sklaven, sowie Niederländisch, die Sprache der früheren Kolonialherren.
Also Willemstad. Die Häuser sind klein und bunt. Das geht auf die Anweisung eines früheren Gouverneurs zurück – eine kluge Entscheidung. Weiße Wände würden die Sonne reflektieren und so für Augenschmerzen sorgen. Die Fassaden in rot, blau, gelb, grün und braun sind inzwischen ein Markenzeichen der Insel. Man wirbt damit auf Postkarten und Schnapsgläsern. Die Stadt wirkt überschaubar. Die Straßen sind ordentlich. Die Autofahrer betragen sich mitteleuropäisch (inklusive der jungen Männer, die nachts die Motoren dröhnen lassen). Wenn einer der großen weißen Wale seine Passagiere an Land gespuckt hat, wird es kurzzeitig eng auf den Uferpromenaden. Aber nach fünf Minuten haben sich die „Massen“ verlaufen. Der Stadtkern hat zwei große Bereiche, die durch Wasser (dort liegen die Schiffe) geteilt sind und durch Brücken wie die Königin Emma verbunden werden. Architektur und Geschichte machen aus Willemstad ein Unesco-Weltkulturerbe. Mehr als 750 Gebäude sind als Denkmal eingestuft. Früher hatte man auch eine Wall-Street entlang der Stadtmauer, ähnlich wie in der etwas berühmteren ehemaligen niederländischen Kolonie New York. Lange haben die Niederlande Curaçao nicht wie eine staatliche Kolonie geführt, sondern von ihrer Überseegesellschaft kontrollieren lassen. Die üblichen Kriege zwischen den europäischen Mächten sorgten eine Zeit lang für Durcheinander. Erst nach dem Wiener Kongress zog eine stabile staatliche Ordnung ein. Seit 2010 ist Curaçao, wie auch die benachbarten Inseln der Niederländischen Antillen, weitgehend unabhängig. Es gibt auch eine eigene Währung, den Antillen-Gulden.
Im Alten Markt können die Besucher heute die traditionelle Inselküche genießen. Da merkt man einen starken afrikanischen Einschlag: So werden zu vielen Gerichten Kochbananen gereicht. Nach einer solchen Stärkung ist man gerüstet für eine Besichtigung der restlichen Stadt. Das lässt sich gemütlich an einem Tag abhaken, denn riesig ist Willemstad wirklich nicht. Es gibt historische Gebäude wie den Gouverneurspalast zu sehen. Die üblichen Touristenläden fehlen natürlich nicht. Aufstrebende kleine Geschäfte mit kreativen Krimskrams oder regionalen Köstlichkeiten reihen sich in den Innenstadtvierteln aneinander. Es herrscht karibische Gelassenheit. Hektik kommt nicht auf. Gefährliche dunkle Ecken, vor denen die Touristenführer warnen müssten, gibt es wohl auch keine. Eine Besonderheit ist der schwimmende Markt. Händler aus Venezuela bieten hier Obst und Gemüse zu günstigen Preisen an. Das Leben auf der Insel ist nicht billig. Hier wächst kaum etwas, nahezu alles muss aus Europa oder Südamerika importiert werden. Woher die venezolanischen Händler in der krisengeplagten Heimat ihre Güter für den Export herbekommen, fragt man wahrscheinlich lieber nicht.
INFORMATIONEN
Flug: KLM fliegt täglich via Amsterdam nach Curaçao, Air Berlin jede Woche ab Düsseldorf.
Unterkunft: Das Angebot reicht von privaten Villen bis zu Hotels und Resorts. Einen Überblick findet man auf der Seite des Fremdenverkehrsamt Curaçao, www.curacao.com.
Reisezeit: Die Durchschnittstemperatur beträgt 27 Grad. Aufgrund der Äquatornähe sind die klimatischen Bedingungen das ganze Jahr gut.
Unterkunft: Das Angebot reicht von privaten Villen bis zu Hotels und Resorts. Einen Überblick findet man auf der Seite des Fremdenverkehrsamt Curaçao, www.curacao.com.
Reisezeit: Die Durchschnittstemperatur beträgt 27 Grad. Aufgrund der Äquatornähe sind die klimatischen Bedingungen das ganze Jahr gut.
Curaçao hat auch ein Nachtleben. Am Jan-Thiel-Strand sind Clubs und Discos entstanden. Die Strandbars der teuren Hotels sind Treffpunkt für Touristen und wohlhabende Einheimische gleichermaßen. Hier lässt sich gut bei einem kühlen Getränk der Sonnenuntergang abwarten und dann die Nacht genießen.
Wesentlich ruhiger geht es auf Klein-Curaçao zu. Die Ausflugsinsel vor der Ostküste ist das Ziel derer, denen es auf der Hauptinsel immer noch zu hektisch zugeht. Gut 90 Minuten dauert die Überfahrt. Langweilig wird diese kaum. Sobald es keine Küstenlinie mehr zu beobachten gibt, taucht das Begleitkommando auf. Es besteht aus Delfinen und Fliegenden Fischen. Diese necken den Touristen damit, dass sie immer nur dann an die Oberfläche springen, wenn man die Kamera gerade zur Seite gelegt hat.
Den Ausflug nach Klein-Curaçao bucht man als Komplettpaket. Es beinhaltet die Überfahrt und Verpflegung. Auf der Insel kann man zum Beispiel eine kleine Wanderung machen. Für eine große fehlt es an Platz, es sei denn, man wiederholt die kleine Wanderung mehrmals. Die beiden Sehenswürdigkeiten sind ebenfalls schnell abgehakt: Es gibt einen verlassenen Leuchtturm samt Nebengebäuden. Am anderen Ufer kann man gestrandete Schiffe aus mehreren Epochen erahnen. Der Kontakt mit den Einwohnern der Insel gestaltet sich schwierig. Menschen wohnen hier nicht und die Schildkröten sind eher unkommunikativ.
Der kleine Karibikstaat hat eine bewegte, nicht immer glanzvolle Geschichte. Die Lage abseits der Sturmverläufe machte die Insel zum geschützten Umschlagplatz. Gehandelt wurden in der Vergangenheit meistens Menschen, Sklaven aus dem heutigen Angola. Neben Niederländern kamen im Laufe der Zeit auch Spanier, Portugiesen und andere Europäer auf die Insel. Zu Zeiten der spanischen Inquisition suchten auch viele Juden hier Schutz. Sie wurden damit geködert, dass sie hier Landwirtschaft würden betreiben können. Mangels Wassers wurde das kein besonders großer Erfolg. Auf Klein-Curaçao ließen sich einst Deutsche nieder. Ziel war es, hier Bodenschätze abzubauen und auf diese Weise zu Reichtum zu gelangen. Mangels Bodenschätzen wurde aus diesem Plan nichts. Also steht hier nur noch der Leuchtturm. Dieser war, man kann es heute noch riechen, irgendwann auch mal ein Ziegenstall. So, damit wäre Klein-Curaçao abschließend erkundet. Jetzt kann man mit den Schildkröten schnorcheln gehen. Wenn das erledigt ist, legt man sich in den Liegestuhl und beobachtet, mit einem kühlen Getränk in der Hand, die wechselnden Blautöne des Meeres. Je näher am Strand, desto heller. Zum Glück können die großen Pötte an dieser Stelle nicht anlegen. Für Klein-Curaçao wären sie nun definitiv zu groß.