Kaufe bei mir ein und ich sage dir, wer du bist. In manch einem Supermarkt werden Kunden ausspioniert. Foto: Oliver Berg/dpa
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Videokameras in Läden dienen längst nicht mehr dazu, Ladendiebstähle aufzuklären. Sogenannte Frequenzmessgeräte registrieren jeden einzelnen Kunden beim Betreten des Geschäfts und beobachten, wohin er geht und was er sich ansieht. Neuere Systeme können dank biometrischer Gesichtserfassung auch den Kunden identifizieren und seine Stimmungslage bewerten: „Kunde freut sich über Biokäse“, könnte beispielsweise eine Systemanalyse lauten.
In Real-Märkten wurde kürzlich auf Druck von Verbraucherschützern die biometrische Gesichtsanalyse gestoppt. Damit reagierte die Einkaufskette auf eine Strafanzeige der Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage. Kerstin Demuth von Digitalcourage glaubt, dass „wenn wir jetzt nichts dagegen tun, wir bald digital durch den ganzen Laden verfolgt werden. Dann kommen Kundenprofile und Preisdiskriminierung.“
In einzelnen Filialen der Deutschen Post wird weiterhin die Gesichtserkennung getestet. So soll der Kunde mit personalisierter Werbung auf den Monitoren im Geschäft konfrontiert werden. Die Deutsche Post hat auf die Strafanzeige von Digitalcourage bisher nicht reagiert. Daniel Strunk, Sprecher der nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten, verweist auf zahlreiche Bedingungen und betont: „Ein Hinweisschild allein macht die Videobeobachtung als solche nicht rechtmäßig.“
STUDIE
Die meisten Deutschen sind gegen ein Offline-Tracking, wie eine repräsentative Studie des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbz) feststellte: Nur neun Prozent der Befragten halten das Tracking für akzeptabel. Ein Drittel verlangt Schutzmaßnahmen. Mehr als die Hälfte plädiert für ein allgemeines Verbot.
Einkaufszentren, Restaurantketten und der Einzelhandel verfeinern seit Jahren ihre Verfahren, um das Besuchsverhalten ihrer Kunden zu analysieren. Die biometrische Gesichtserfassung ist nur die neueste Variante des sogenannten Offline-Trackings. Bisher wurden hierfür die Smartphones der Kunden verwendet: So wurde der Standort eines Nutzers über möglichst viele kleine Zeitintervalle erfasst. Ausgewertet werden können hierfür die Signale, die das Handy aussendet, um mit der nächsten Mobilfunkzelle zu kommunizieren. Möglich ist auch die Auswertung des eingeschalteten WLAN- oder Bluetooth-Signals.
Daten und Signale werden verknüpft
Offline-Tracking läuft seit etwa zwei Jahren auch über Tonsignale, die vom Handymikrofon erfasst werden. Dabei wird ein für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbares Ultraschallsignal ausgesendet, das vom Smartphone des Kunden erfasst wird. Damit kann zum Beispiel ein Werbetreibender herausfinden, ob ein Desktop und Smartphone von derselben Person verwendet werden und so Online- und Offline-Trackingdaten verbinden. Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig stellten kürzlich fest, dass es inzwischen über 230 Smartphone-Apps gibt, die Ultraschallsignale empfangen und auswerten können. Sie konnten auch in vier von 35 untersuchten Geschäften Ultraschallsender finden.
Verknüpft werden die auf verschiedenen Wegen erhobenen Signaldaten mit Geräte-Identifikationsnummern wie etwa der MAC-Adresse, die beispielsweise über Smartphone-Apps erhoben werden kann. MAC-Adressen können auch in WLAN-Signalen enthalten sein. Und das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht schließt nicht aus, dass die MAC-Adressen auch mit EC-Kartendaten verknüpft und dann an Dritte weitergegeben werden.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob der Ladenbetreiber ein „berechtigtes Interesse“ vertreten kann oder ob das schutzwürdige Interesse des Kunden überwiegt. So dürften die meisten Kunden unbeobachtet einkaufen wollen, ohne dabei analysiert und mit personalisierter Werbung konfrontiert zu werden. Im Online-Bereich hat der Kunde ein ausdrückliches Widerspruchsrecht. In der Offline-Welt aber nicht. Eine mögliche Lösung besteht jedoch darin, die Kunden über die Datenerfassung am Eingang zu informieren sowie ihre erfassten Daten zu anonymisieren.
Die Aufsichtsbehörden müssen im Einzelfall ermitteln, ob Kunden, Passanten, Beschäftigte oder der Betriebsrat überwacht werden. Auch ist zu prüfen, ob die Betroffenen informiert wurden und etwa per App eingewilligt haben. Schließlich stellt sich die Frage, wie lange die erhobenen Daten gespeichert, wie sie verarbeitet und ob sie anonymisiert wurden. Möglicherweise werden die Betroffenen auch über verschiedene Filialen hinweg erfasst. Ein Blick in das Auswertungssystem ist aber nur mit Vor-Ort-Kontrollen möglich. Dafür jedoch haben die wenigsten Aufsichtsbehörden Zeit und Personal.
Der Entwurf der kommenden E-Privacy-Verordnung sieht bisher kaum Einschränkungen vor, ein Widerspruch ist nicht möglich. Läden müssen die Kunden über die Erfassung nur informieren. Müller: „Verbraucher, die nicht überwacht werden wollen, hätten nur die Möglichkeit, das Smartphone aus- oder den Flugmodus anzuschalten. Da macht ein Mobiltelefon kaum noch Sinn.“