„Vorurteile und falsche Vorstellungen“: Landwirte in Rheinland-Pfalz fühlen sich verunglimpft
Landwirte in Rheinland-Pfalz hadern mit ihrem Image. Es sei unter anderem geprägt von Vorurteilen und falschen Vorstellungen, so der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd.
Von Mario Thurnes
Sensor um den Hals der Kuh und alle relevanten Daten im Computer. Landwirtschaftliche Betriebe wie das Hofgut Neumühle arbeiten mit moderner Digitaltechnik.
(Foto: Harald Kaster)
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MAINZ - Erscheint das Thema Landwirtschaft in den Medien, dann meist negativ: Ernteausfälle, Skandale wegen schlecht gehaltener Tiere oder dem Einsatz von Giftstoffen. Als die Landwirte Geld erhalten sollten, um die Schäden durch die Dürre zu vermindern, verknüpfte Anton Hofreiter dies mit der Bedingung: Geld nur gegen „Agrarwende“. Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag stellte damit – ob gewollt oder nicht – einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Bauern und Erderwärmung her.
„Mit großer Sorge“ betrachtet der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt, solche Debatten: „Immer weniger Menschen kommen in ihrem Alltag direkt mit der Landwirtschaft in Berührung.“ So ginge das Wissen darüber, wie Apfel, Kartoffel oder Steak auf den Tisch kommen, verloren. Das Image der Landwirtschaft hänge also davon ab, welches Bild von ihr vermittelt werde. Es komme zu „Vorurteilen und falschen Vorstellungen“. Sogar von einer „Frechheit“ spricht Marco Weber – Viehzüchter und FDP-Abgeordneter im Landtag. Die Vorwürfe gegen die Bauern reichten von Verschmutzung des Grundwassers bis zur Verantwortung für den Klimawandel: „Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass diese haltlosen Unterstellungen auch von Bundespolitikern erhoben werden.“
Trägt Landwirtschaft zum Klimaschutz bei?
Wie wirkt sich die Debatte auf den Ruf der Landwirte aus? Die Branche lässt über den Verein IMA alle fünf Jahre ihr Image ermitteln: In der aktuellen Studie sagen 87 Prozent der Befragten zwar, dass die Landwirtschaft ein wesentlicher Teil der Lebensfähigkeit eines Landes sei. Aber nur 35 Prozent sind der Meinung, die Landwirtschaft trage zum Klimaschutz bei.
„Information Medien Agrar“
Im Verein „Information Medien Agrar“ (IMA) haben sich die Organisationen der Landwirtschaft zusammen geschlossen. Seine Aufgabe ist es, über die Bedeutung der Landwirtschaft zu informieren. Eine besondere Zielgruppe sind Schulen.
Als Ort des technischen Fortschritts wird die Landwirtschaft nur gering geschätzt. Nach der IMA-Studie interessieren sich um die 90 Prozent der Befragten für den Umgang mit Tieren oder die Qualität von Lebensmitteln, wenn es um die Landwirtschaft geht. Nur wenig mehr als die Hälfte interessiert sich für ihre Technik. Dabei sind moderne Bauernhöfe durchdigitalisiert: Auf dem Hofgut Neumühle in Münchweiler tragen alle Kühe Sensoren, damit ihre Daten erfasst werden. Über die Auswertung können etwa Krankheiten sofort erkannt werden.
Romantische Vorstellungen von einem hochmodernen Beruf
Das Bild, das von der Landwirtschaft gezeichnet wird, sei „allzu romantisch und verzerrt“, sagt auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). So werde nicht deutlich, welch „hochmoderner Beruf“ es sei. Die Digitalisierung werde zudem helfen, zu verbessern, was heute kritisiert wird.
Ute Schmitt betreibt in Mainz einen Obst- und Spargelhof. Aus eigener Erfahrung wisse sie: Die Menschen hätten erst einmal ein schlechtes Bild von der Landwirtschaft und würden alles ablehnen, was nicht „bio“ sei. Doch auch die „Bio“-Kunden würden den Anspruch stellen, dass das Obst schön aussehe und eine unversehrte Haut habe. Das sei aber bei Steinobst wie Zwetschgen im „Bio“-Anbau nicht möglich. Bei Äpfeln ginge es.
„Besuchen Sie mal einen Hof“
Letztlich geht es laut Schmitt um Information: Kunden, mit denen sie im direkten Kontakt stehe, könne sie erklären, warum welcher Eingriff notwendig ist. Ehrlichkeit, das Konzept „Gläserner Bauernhof“ würde sie überzeugen. Wobei Information aber immer auch Agitation ist. Schmitt macht es an einem Beispiel fest: „Sage ich Pestizide oder sage ich Pflanzenschutzmittel? Schon das beeinflusst mein Gegenüber.“
Gegen die „vielfachen Belehrungen und Empfehlungen oft selbsternannter Agrarexperten“ gegenüber der heimischen Landwirtschaft spricht sich Klöckner entschieden aus: „Um Natur- und Tierschutzstandards unserer Lebensmittel würde es wesentlich schlechter stehen, würden wir auf Import statt auf unsere bäuerliche und von Familienunternehmen geprägte Landwirtschaft setzen.“ Der rheinland-pfälzische Europaabgeordnete Michael Detjen (SPD) hat einen praktischen Tipp für die Verbraucher: „Gehen Sie mal zu einem Landwirt auf den Hof. Sprechen Sie ihn an und diskutieren mit ihm. Vielleicht mal an einem Tag des offenen Hofes.“