FORDERUNG
Der Deutsche Familienverband fordert ein Wahlrecht ab Geburt. Dies würde 13 Millionen Deutsche unter 18 betreffen.
Der Verband begründet seine Forderung mit Artikel 20 im Grundgesetz, der besagt, dass „alle Staatsgewalt vom Volke“ ausgeht.
MAINZ - Kinder müssen die Dummheiten der Erwachsenen ertragen, bis sie groß genug sind, sie selbst zu machen, sagte einmal der französische Schriftsteller Jean Anouilh. Ob er sich für ein Wahlrecht von Geburt an eingesetzt hätte, bleibt ungewiss. Ein solches fordert jetzt der rheinland-pfälzische Familienverband. Denn eine überalterte Wahlbevölkerung durch den demografischen Wandel führe dazu, dass die jüngeren Generationen zu wenig berücksichtigt würden.
Mangelndes Vertrauen in die junge Generation
„Die alten Wähler schauen zuerst, was sie selbst benötigen“, sagt Siegfried Stresing vom Deutschen Familienverband in Rheinland-Pfalz. Dies würde sich ändern, wenn die Kinder mitbestimmen könnten. Ihm sei natürlich klar, dass kein Baby zur Wahlurne gehen werde, das würden stellvertretend die Eltern übernehmen. „Zumindest solange, bis das Kind sein Wahlrecht für sich beansprucht.“ Stesing sagt: „Eltern kaufen ja auch Aktien für ihre Kinder oder die Kinder erben eine Firma, die die Eltern erst einmal verwalten.“ Als zusätzliche Stimme für Familien und somit einen Nachteil für Kinderlose sehe er den Vorschlag nicht.
Ob Kinder reif genug seien, sich für eine Partei zu entscheiden oder Gefahr liefen, Populisten in die Hände zu fallen, könne kein Kriterium sein, ob jemand wählen dürfe oder nicht. Das prüfe bei Volljährigen auch niemand. „Demokratie heißt, dass ich nicht sicherstelle, was gewählt wird“, sagt Stesing.
Dabei zweifelt ein Drittel der Bevölkerung (33 Prozent) an der Demokratiefähigkeit der nachfolgenden Generation. Das geht aus dem diesjährigen Kinderreport, der vom Deutschen Kinderhilfswerk in Auftrag gegeben wurde, hervor. Das sei besorgniserregend, da es die Aufgabe ebenjener Generation sei, den Kindern ein Verständnis für Demokratie beizubringen, heißt es im Bericht. Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes sagt, Demokratie sei „nur dann verwirklicht, wenn jeder einzelne sie unabhängig vom Alter als Möglichkeit zur Selbstentfaltung begreift“. Jugendliche, die nicht erführen, dass ihre Meinung in der Politik zählt und wahrgenommen wird, hätten auch als Erwachsene wenig Vertrauen darin, dass es nachfolgenden Generationen anders ergehen werde. Sie seien somit demokratischen Prozessen gegenüber kritischer eingestellt.
Die Regierungsparteien in Rheinland-Pfalz setzen sich dafür ein, das Alter für das Kommunalwahlrecht zu senken. So fordert die Landtagsabgeordneten Pia Schellhammer (Grüne) das Wahlrecht mit 16. „Viele Jugendliche sind politisch interessiert und sollten darin bestärkt werden, sich zu beteiligen und ihre Zukunft mitzubestimmen.“
Auch SPD-Sprecherin Esther Höfler sagt, ihre Partei finde es richtig, ein Wahlrecht ab 16 Jahren zu diskutieren. Hierfür sei allerdings eine Verfassungsänderung notwendig, was an der CDU scheitere. Ein Wahlrecht gar ab Geburt sei somit bei der SPD „noch gar kein Thema“.
Simone Huth-Haage, familienpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, begründet die Entscheidung damit, dass das Wahlrecht aus gutem Grund an die Volljährigkeit gekoppelt sei. „Rechte und Pflichten sollten Hand in Hand gehen“, sagt Huth-Haage. „Das mache Sinn, dabei sollten wir auch bleiben“. Kinder wählen zu lassen oder dass ihre Eltern für sie abstimmen, sei verfassungsrechtlich alles andere als unproblematisch.