Präsident der Architektenkammer sieht gute Zeiten für seinen Berufsstand
Der Präsident der rheinland-pfälzischen Architektenkammer, Gerold Reker, wurde jüngst für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigt, er widmet sich unter anderem dem Problem des Fachkräftemangels. Foto: Torsten Boor
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MAINZ - Die Politik solle ehrlicher mit den Kosten von Großprojekten umgehen, fordert Gerold Reker. Das beste Beispiel dafür sei die Hamburger Elb-Philharmonie. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagt der Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz aber auch, dass Sparzwang für seinen Berufsstand anregend sein kann.
Herr Reker, Rheinland-Pfalz setzt die Schuldenbremse um, was in absehbarer Zeit eine Neuaufnahme von Schulden ausschließt. Viele Kommunen hierzulande sind zudem überschuldet. Wie wirkt sich das auf die Auftragslage für Architekten aus?
Im Moment können wir nicht klagen. Es gibt viele Programme des Bundes, von denen wir profitieren – etwa in der Sanierung von Schulen oder in der Digitalisierung. Zudem stehen Reparaturen an. Und wenn alles gleichzeitig kommt, müssten wir uns beinahe fragen, ob wir genügend Fachkräfte haben, alles umzusetzen.
ZUR PERSON
Gerold Reker (66) ist seit 2012 Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Jüngst wurde er für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Der Vertreterversammlung gehört er seit 1997 an. Er ist in Kaiserslautern als freischaffender Architekt tätig. Die Kammer vertritt rund 5800 Architekten im Land.
Es gibt einen Fachkräfte-Mangel unter den Architekten?
Lange Zeit war das für uns ein Fremdwort. Inzwischen hat sich die Situation gewandelt. Wenn viele Aufträge auf einmal kommen, haben wir durchaus Probleme. Natürlich arbeiten die Büros mit der Einstellung, solche Engpasssituationen bewältigen zu können. Da nach solchen Wellen aber auch wieder Flauten drohen, ist es für die Inhaber schwierig, den Personalstand in der richtigen Größe zu halten.
Was tut die Kammer, um Nachwuchs zu rekrutieren?
Den genauen Weg wissen wir noch nicht, für uns ist die Situation recht neu. An den Hochschulen merken wir, dass zu wenig Bewerber sich für das Ingenieurswesen oder die Architektur interessieren. Naturwissenschaftliche Fächer haben vergleichbare Probleme. Ein Punkt, der wichtig ist, um Nachwuchs zu gewinnen, ist die Kontinuität. Junge Menschen müssen wissen, dass, wenn sie heute Architektur studieren, es auch noch morgen Aufträge für sie gibt.
Bei Neubauten zwingt die Schuldenbremse die öffentliche Hand dazu, nicht die großen und edlen Projekte, sondern kostengünstige Lösungen anzugehen. Ein Beispiel ist der Neubau der Schiersteiner Brücke, der jetzt denkbar schlicht ausfällt. Frustriert so etwas einen Architekten nicht?
Es kommt nicht immer nur darauf an, die großzügigen Projekte umzusetzen. Architekten müssen in den allermeisten Fällen mit kleineren, mindestens mit begrenzten Etats gute Ergebnisse erzielen. Der Schmalhans kann ideenanregend sein, wenn es darum geht, Fortschritt mit innovativen Ideen umzusetzen. Dessen ungeachtet gibt es natürlich auch den Wunsch, Projekte mit gut ausgestatteten Etats umsetzen zu können. Aber das ist eher die Ausnahme als unser Berufsalltag.
Wobei sich manche dann nicht an die Etats halten, Stichwort Elbphilharmonie in Hamburg.
Das Beispiel Elbphilharmonie tut natürlich weh. Es ist ein Projekt, das die Stadt wollte und das der Stadt nochmal einen Schub bei den Besucherzahlen geben wird. Besser wäre es daher gewesen, von Anfang an zu sagen, wir wollen das Projekt, es wird so und so viel kosten und es ist uns die Kosten wert. Doch dann wäre es möglicherweise nicht durchzusetzen gewesen.
Warum nicht?
Weil die Projekte, wenn die Entscheidungen fallen, nur Ideen sind. Man kann sie noch nicht sehen und überprüfen, aber das Geld steht im Raum. Vielleicht deshalb lassen sich solche Großprojekte derzeit politisch schlecht vertreten. Deswegen entsteht der vermeintliche Druck, zu optimistisch zu rechnen, um vielleicht mit einer Unterfinanzierung anzufangen und die eigentlichen Kosten erst scheibchenweise sehen zu wollen. Der schlechte Ruf bleibt dann bei den Architekten hängen.
Würden Sie sich dann nicht doch für solche Leuchtturm-Projekte einsetzen?
Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, welcher Weg der bessere ist. Richtig ist, dass sie mit guter Architektur Effekte erzielen können, die gerade für die Region Rheinhessen wichtig sind: Touristen anlocken und die Region lebenswerter machen, was wiederum hilft, begehrte Fachkräfte zu binden. Nehmen Sie als Beispiel die Bauten im Weinbau. Da haben uns die Gebiete an der Donau vorgemacht, wie Architektur helfen kann, den Weinbau touristisch zu fördern. Leuchttürme sind wichtig, sie geben Orientierung, aber lauter Leuchttürme machen keine Stadt.
Sie sind jüngst im Amt bestätigt worden. Was sind Ihre wichtigsten Baustellen in den nächsten fünf Jahren?
Wir müssen uns des Themas Honorarregelung annehmen, weil diese von der Europäischen Union in Frage gestellt wird. Dann müssen wir uns Initiativen entgegenstellen, die darauf zielen, die Trennung zwischen Planendem und Ausführendem aufzuheben. Diese Initiative gibt es derzeit von der Bundesebene und sie würde ein hervorragend funktionierendes System aufheben. Weitere Aufgaben sind die Digitalisierung und die schon angesprochenen Bemühungen in der Ausbildung.
Wie sehen die aus?
Wir haben die Umstellung auf das Bachelor-Master-System noch nicht wirklich verdaut. Da ist die eine oder andere Frage noch zu klären. Die Kammer hat seit einigen Jahren einen Hochschulbeirat etabliert, der Professoren, Studierende und die Berufspraxis regelmäßig ins Gespräch bringt. Und wir hatten 2016 ein Symposium, in dem wir gemeinsam mit den Hochschulen Forderungen an die Politik herangetragen haben. Das sind zwei Wege, wir suchen weitere.