Jung, vernetzt, links – Juso-Landeschef Umut Kurt im Porträt
Seit mehr als einem Jahr ist Umut Kurt Chef der Jusos in Rheinland-Pfalz. Wir haben mit dem 22 Jahre alten Lehramtsstudenten gesprochen.
Von Markus Lachmann
Reporter Politikredaktion Mainz
Umut Kurt ist seit etwas mehr als einem Jahr Vorsitzender der Jusos Rheinland-Pfalz.
(Foto: Harald Kaster)
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MAINZ/BOPPARD - „Lieber @MartinSchulz, ich habe für dich geschwitzt und geblutet!“, schrieb der Juso-Chef aus Rheinland-Pfalz, Umut Kurt, auf Twitter. „Ich will dafür keine Anerkennung. Alles was ich will ist Wertschätzung.“ Das war Anfang Februar. SPD-Chef Schulz hatte erklärt, den Vorsitz abzugeben. Kein leichter Monat für die Genossen. Für Umut Kurt, der die Große Koalition leidenschaftlich abgelehnt hatte, war es aber auch eine Chance: Die Medien stürzten sich auf den 22 Jahre alten Lehramtsstudenten aus Boppard. Seit etwas mehr als einem Jahr ist der Juso-Landeschef im Amt, und im Umgang mit Medien zeigt er sich erstaunlich gewandt.
Großeltern kamen in den 70ern nach Deutschland
Manchmal blitzt es in den Augen des jungen Sozialdemokraten auf, Gegenattacke beherrscht er. Und dann kommt dieses laute, selbstbewusste wie herzliche Lachen, das sofort das Eis beim Gesprächspartner bricht. Gestatten: Umut Kurt. Jung, vernetzt, links.
Auch wenn man es ja spätestens seit der „Meetwo“-Rassismusdebatte nicht mehr machen sollte – man kommt mit dem Studenten über seinen ungewöhnlichen Namen schnell ins Gespräch. „Umut“ heißt „Hoffnung“ auf Türkisch, „Kurt“ ist ebenfalls Türkisch und heißt „Wolf“. Da „Kurt“ aber auch ein sehr deutscher Name ist und für die Genossen in Rheinland-Pfalz ein ganz besonderer, wird der 22-Jährige auch gerne mal mit „lieber Kurt“ angesprochen. Als die Medien im Frühjahr in Rheinland-Pfalz meldeten, „Kurt gegen GroKo“, da soll dem einen oder anderen Genossen das Herz in die Hose gerutscht sein...
Dienstpflicht
Die Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht ist für Umut Kurt eine „Scheindebatte“. So sei es rechtlich überhaupt nicht möglich, junge Menschen für einen sozialen Dienst zu verpflichten. Wichtiger sei es, die Ausgangsbedingungen, sprich Bezahlung, etwa von „FSJlern“ zu zu verbessern.
Umut Kurts Großeltern kamen als Gastarbeiter in den 70er Jahren nach Deutschland. Er ist in Deutschland geboren. Gerne würde er mal wieder die Türkei besuchen. „Ich kann aber nicht ausschließen, dass mir etwa zustößt.“ Am 28. September wird der junge Mann mit dem krausen Haar Geburtstag haben. Und ausgerechnet das ist der Tag, an dem Deutschland dem Despoten Erdogan den roten Teppich ausrollen will. Andererseits: Muss man nicht auch mit Despoten im Gespräch bleiben? Dann allerdings, so Kurt, solle die Kanzlerin bitte auch die türkische Opposition nach Berlin einladen. Und der Außenminister könnte die Waffenlieferungen in die Türkei einstellen. Klartext vom Juso-Chef.
Erdogan-Leute waren es, die Deutschland in der Özil-Debatte „Faschismus“ unterstellten. Naheliegend, Umut Kurt zur Debatte um den Ex-Nationalspieler zu befragen. Zwar sei der Auftritt Özils zusammen mit Erdogan ein Fehler gewesen, sagt Kurt. Aber: „Özil hat vielen jungen Leuten aus der Seele gesprochen.“ Es gebe viele Migranten in Deutschland, die „wie Menschen zweiter Klasse“ behandelt würden. „Unsere Gesellschaft betrachtet Ausländer als billige Arbeitskräfte und nicht als vollwertige Mitglieder.“ Er meint beispielsweise die Pflegebranche, Reinigungsfirmen oder den Bau.
Umut Kurt, der „Juso“, kommt im Mainzer Café jetzt richtig in Fahrt. So hätte er sich von der SPD in der Rassismus-, aber auch Flüchtlingsdebatte mal ein starkes Signal erhofft. Das habe auch für die jüngsten Unionswirren gegolten. Man merkt, der Student aus Boppard ist fassungslos, dass die SPD es einfach hat laufen lassen. Dass Horst Seehofer Themen aufs Tapet brachte, die mitnichten vom Koalitionsvertrag gedeckt waren. Dass der CSU-Chef Witze gemacht hat über seinen 69. Geburtstag in Zusammenhang mit der Abschiebung von 69 Afghanen. „Wo war der Aufschrei der Partei?“, fragt Kurt. „Nichts kam.“
Der Rheinland-Pfälzer fühlt sich nur bestätigt in seiner ablehnenden Haltung gegenüber der „GroKo“. Er findet, die SPD hätte es überlebt, wenn sie bei Neuwahlen ein paar Prozentpunkte weniger bekommen hätte. Langfristig, ist der Jungsozialist überzeugt, hätte ein „Nein“ zur Großen Koalition die Glaubwürdigkeit der SPD gestärkt.
„Wir sind alles andere als ein müder Haufen“
Doch so ist es nicht gekommen. Nun schwächelt die SPD in den Umfragen, die Grünen rücken ihr immer näher auf die Pelle. Die AfD kommt bedrohlich nahe. Doch auf Umfragen gibt Umut Kurt nicht viel. „Ich bin nicht pessimistisch, was den Erfolg angeht.“ Gerade die Mitgliederbeteiligung zur GroKo im Frühjahr habe gezeigt, welche Energie in der SPD stecke. „Wir sind alles andere als ein müder Haufen“, so der Juso-Landeschef, der übrigens Mitglied der „kleinen Ampel“ in Rheinland-Pfalz ist. So hat er sich bereits einige Male mit den Chefs von Grüner Jugend und den „Julis“ der FDP getroffen, als Pendant zur Ampelkoalition auf Landesebene. Man schaut, wo es Schnittmengen gibt.
Zurück zur SPD unter Andrea Nahles. Kurt hält deren Aussage, man müsse sich von den Grünen distanzieren, für „fragwürdig“. Dass die Grünen derzeit Aufwind hätten, habe einen Grund: „Die haben ganz klare Aussagen.“ Das vermisst er bei seiner Partei. „Die SPD versucht sich im Sowohl als Auch.“ Er würde sich mehr Anstöße zu gesellschaftlichen Debatten wünschen, mehr klare Kante. „Wo war die Debatte, als die VW-Manager im Diesel-Skandal noch Millionen Boni bekamen?“
Im Mai will der 22-Jährige für Stadtrat und Kreistag kandieren. Zu Parteichef Lewentz und Ministerpräsidentin Dreyer hat er gute Kontakte. Ob die Politik eines Tages zum Beruf werden könnte, wird man sehen. Zumindest sieht Kurt den Lehrerjob als Berufung. Er studiert Lehramt für Realschule plus – Deutsch und Ethik. Umut Kurt, der noch einen Bruder hat, liebt die Arbeit mit jungen Menschen, gerade mit denen, bei denen möglicherweise nicht alles im Elternhaus stimmt. „Es sollte auch Anliegen sein, die Welt zu retten an den Schulen“, meint er.