Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog bei der Besichtigung einer Brückensanierung.
(Foto: Bundestag
)
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KAISERSLAUTERN - Es gibt Momente in der Berichterstattung über Politik, da könnte man, trotz all dem abgrundtief Bösen auf dem Globus, wahrhaftig wieder an das Gute im Menschen glauben. Im Kaiserslauterer Büro des SPD-Bundestagsabgeordneten Gustav Herzog sitzen junge Leute, ein Jahr vor dem Abitur. Sie wollen die Welt besser machen. Ein Mädchen ist Wortführerin. Sie engagieren sich für Unicef, für die Aktion „Rote Hand“: eine weltweite Protestbewegung gegen die Rekrutierung von Kindersoldaten.
Herzog kennt Berichte von Gräueltaten: Kindern werden Säcke über den Kopf gestülpt, damit sie nichts sehen, dann müssen sie Schüsse abgeben und sehen dann später, dass sie ihre eigenen Eltern erschossen haben. „Ich hätte nie gedacht“, sagt Herzog, „dass die Welt noch mal so aus den Fugen geraten könnte.“ Er verspricht, sich in Berlin für die „Rote Hand“-Aktion, die es seit 2002 weltweit gibt, einzusetzen.
„Thema Altersarmut wiegt schwerer als Thema Asyl“
„Herzog hält, was er verspricht.“ „Er ist absolut verlässlich und solidarisch.“ „Er kennt alles und jeden, aber er ist kein Strippenzieher.“ Sätze aus dem Poesiealbum für einen Parteifreund? Nicht unbedingt. Denn wirklich erstaunlich an diesem Mann ist, dass auch der politische Gegner durchweg gut über ihn spricht. Herzogs Hauptaufgabengebiete in Berlin sind Verkehr, Infrastruktur und Digitales. Ein namhafter Unionspolitiker wird mit der Ankündigung zitiert, wenn er bestimmte Dinge nicht mit dem CSU-Verkehrsminister Scheuer hinbekomme, „dann mach‘ ich das gemeinsam mit Herzog.“
ZUR PERSON
Gustav Herzog, geboren 1958 in Harxheim, Donnersbergkreis. Verheiratet, zwei Kinder. 1975 Eintritt in die SPD. Bis 1987 Chemielaborant. Seit 1998 im Bundestag, sechs Mal in Folge direkt gewählt. Wahlkreis 209, Kaiserslautern, Kusel, Donnersbergkreis, 200 Gemeinden mit insgesamt rund 300 000 Einwohnern. Sprecher der SPD-Landesgruppe Rheinland-Pfalz. Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur.
1998 hat Gustav Herzog seinen Bundestagswahlkreis, seinerzeit Frankenthal, zum ersten Mal gewonnen, direkt. Der Wahlkreiszuschnitt hat sich geändert, er heißt nun Kaiserslautern, umfasst auch den Donnersbergkreis und den Landkreis Kusel. Nicht geändert hat sich, dass Herzog, ohne die Landesliste zu beanspruchen, in den Bundestag kam. 2002 war das so, 2005, 2009, 2013 und 2017. 2017 war er der Einzige in der Rheinland-Pfalz-SPD, der einen Wahlreis gewann.
Herzog, der letzte Kaiser? Ein heimlicher König der rheinland-pfälzischen SPD, die zwar in Mainz regiert, aber im schwachen Bundestrend jede starke Stimme in Berlin zum Überleben braucht? Herzog ist ein Mann mit Einfluss. In der rheinland-pfälzischen Landesgruppe geht nichts an ihm vorbei. Fragt man ihn nach seinen Karriereambitionen, erzählt er: „Wenn Schülergruppen wissen wollen, ob ich Kanzler sein will, antworte ich: ‚Ich bin doch viel mehr als Frau Merkel.‘“ Herzog sei „Parlamentarier mit Leib und Seele.“ Auch das sagen nicht nur Leute aus seiner eigenen Partei.
Gustav Herzog gilt aus gutem Grund als sehr geerdet. Der Terminkalender für seine Sommertour ist proppenvoll. Donnerstagmorgen an einem großen Parkplatz nahe Kaiserslautern. „Disch trifft ma awwer aach iwwerall“, kommt es dem Abgeordneten entgegen. Ein Parteifreund, netter Empfang. Aber im Prinzip ist hier Schluss mit lustig. Polizei und Zoll holen sich Lkw von der Autobahn, zur Großkontrolle – nicht selten mit erschütterndem Ergebnis. „Vor drei Tagen“, erzählt ein Polizist, „hatten wir einen Fall, Fahrzeug geklaut, Kennzeichen geklaut, Fahrer unter Drogen.“
Zu besichtigen sind hier regelmäßig gebrochene Bremsscheiben, und gerade fährt ein Langholzfuhrwerk über die Waage und hat statt zugelassener 40 leider 51 Tonnen. Vor allem aber geht es hier um die unglaublichsten kriminellen elektronischen Tricks, um stillgelegte Notfall-Bremsassistenten und manipulierte Tachos. „Die Fahrer“, grummelt Herzog, „sind das schwächste Glied in der Kette, eigentlich müssten Fuhrunternehmer und Disponenten die Verantwortung tragen.“
In seinem Geburtsort Harxheim begann Herzog mit 17, sich für Politik zu interessieren. „Wir von der Dorfjugend wollten einen Jugendraum, im Gemeinderat haben sie mich angeguckt, als wär‘ ich ein Alien.“ Nach der Mittleren Reife wurde er Chemielaborant, dann Mitarbeiter des Frankenthaler Abgeordneten Horst Sielaff und schließlich – „gegen harte Konkurrenz“, wie Herzog betont – dessen Nachfolger.
Weil er ein Ohr haben will und muss für die Menschen, ist ein breites fachliches Spektrum unerlässlich. „Die Themen Altersarmut und Gesundheit wiegen schwerer als das Thema Asyl“, lautet einer seiner Standpunkte. Er kämpft darum, dass Rheinland-Pfalz mehr Glasfaserkabel bekommt, weiß aber auch, „dass das Thema ‚digitale Versorgung‘ vielen Angst macht, weil es die Arbeitswelt verändert.“
Die Kontrollen auf dem Kaiserslauterer Parkplatz zeigen eine massiv veränderte Lkw-Arbeitswelt. Herzog lässt sich alles haarklein zeigen. Er will einen Paragrafen in die Straßenverkehrsordnungen bringen, der es verbietet, elektronische Hilfen in Lkws auszuschalten. Er begeistert sich für Technik und Bauen und ist überzeugt, dass mehr fachliche Kompetenz dem Parlament guttäte. „Wenn mir ein Ministerialer einen Plan schickt, dann weiß er manchmal nicht, was daran Unfug ist, aber ich sehe es.“
Er formuliert so was sehr überzeugend, nicht überheblich, aber durchaus mit der Aura eines Mannes, von dem die anderen wissen, dass er weiß, wovon er redet, und dass nichts so erfolgreich ist wie der Erfolg. Ganz selten lobt er sich sogar ein bisschen selbst, allerdings mit Augenzwinkern, erläutert, er könne Radlader und Gabelstapler fahren und besitze fast mehr Handwerker-Utensilien „als meine Frau Schuh-Paare“.