Großer Europäer und Einheitskanzler: Helmut Kohl stirbt mit 87 Jahren
Trauer um einen großen Staatsmann: Helmut Kohl, der Kanzler der deutschen Wiedervereinigung, ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Die Welt verliert eine prägende Persönlichkeit der Nachkriegszeit. Der Todesnachricht folgen Würdigungen aus aller Welt.
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Altkanzler Helmut Kohl ist am Freitag gestorben. Archivfoto: dapd
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BERLIN / LUDWIGSHAFEN - Er hat die Bundesrepublik geprägt wie sonst nur sehr wenige: Helmut Kohl, Kanzler der Deutschen Einheit und Wegbereiter der Europäischen Union, ist tot. Der langjährige CDU-Vorsitzende starb am Freitagmorgen im Alter von Jahren am 87 Jahren, wie sein Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Laut "Bild"-Zeitung starb Kohl in seinem Haus in Ludwigshafen. Wenige Minuten nach Bekanntwerden der Todesnachricht am Nachmittag bekundeten Politiker aus aller Welt Betroffenheit und Anteilnahme mit Kohls Familie. Der Staatsakt zu Ehren des Gestorbenen wird voraussichtlich in seiner Heimat Rheinland-Pfalz stattfinden.
"Helmut Kohl war ein großer Deutscher und ein großer Europäer."
"Ich bin ganz persönlich dankbar, dass es ihn gegeben hat."
(Kanzlerin Angela Merkel, CDU)
"Helmut Kohl war ein Ausnahmepolitiker und ein Glücksfall für die deutsche Geschichte."
(Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier)
"Wir verdanken Helmut Kohl unendlich viel: Für unsere Freiheit, für unsere Einheit, für unser Europa!"
(Kanzleramtsminister Peter Altmaier, CDU)
"Es ist ein wirklich großer Deutscher und vor allem ein großer Europäer gestorben."
(Außenminister Sigmar Gabriel, SPD)
"Der ewige Kanzler und große Europäer geht. Seine Verdienste um die Deutsche Einheit bleiben. Wir trauern um Helmut Kohl."
(Justizminister Heiko Maas, SPD)
"Ein großer Europäer ist von uns gegangen."
(Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir)
"Helmut Kohl war die Verkörperung eines geeinten Deutschland in einem geeinten Europa. Als die Berliner Mauer fiel, war er der Lage gewachsen. Ein wahrer Europäer."
(Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg)
"Mit Helmut Kohl bin ich groß und politisch flügge geworden. Bei allem Streit: er war ein überzeugter Europäer. Möge er in Frieden ruhen!"
(Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt)
"In Gedenken an Helmut Kohl habe ich die Europaflaggen vor den europäischen Institutionen auf Halbmast setzen lassen."
(EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker)
"Wir trauern um den Kanzler der Einheit, Ehrenbürger Europas, unseren ehemaligen Ministerpräsidenten, CDU-Landesvorsitzenden. Ein großer Politiker"
(CDU-Vize Julia Klöckner)
"Das geht mir sehr nah. Es geht mir wirklich nahe, und ich war mit Hannelore befreundet. Das war damals schon ein Schlag. Das berührt mich wirklich sehr."
(Springer-Hauptaktionärin Friede Springer laut RedaktionsNetzwerk Deutschland zum Tod von Helmut Kohl)
Reaktionen aus dem Ausland
"Helmut Kohl hat das europäische Haus mit Leben erfüllt ? nicht nur, weil er Brücken nach Westen wie nach Osten gebaut hat, sondern auch, weil er niemals aufgehört hat, noch bessere Baupläne für die Zukunft Europas zu entwerfen."
(EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker)
"Er ist der Mann, den ich als einen der größten politischen Führungsfiguren im Nachkriegseuropa ansehe."
(Der frühere US-Präsident George H. W. Bush)
"Er war aufgerufen, einige der monumentalsten Fragen seiner Zeit zu beantworten. Indem er sie richtig beantwortete, machte er die Wiedervereinigung eines starken, prosperierenden Deutschlands möglich und die Schaffung der Europäischen Union."
(Der frühere US-Präsident Bill Clinton)
"Ich habe seine Weisheit bewundert und seine Fähigkeit, fundierte, zukunftsweisende Entscheidungen auch in schwierigsten Situationen zu treffen."
(Der russische Präsident Wladimir Putin)
"Meister des vereinigten Deutschlands und der deutsch-französischen Freundschaft: Mit Helmut Kohl verlieren wir einen sehr großen Europäer."
(Frankreichs Präsident Emmanuel Macron)
"Seine Sympathie für Israel und den Zionismus ist bei vielen Treffen mit mir deutlich geworden, und in seiner entschlossenen Haltung für Israel, die er immer wieder in Europa und internationalen Foren gezeigt hat."
(Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu)
Kohl regierte von 1982 bis 1998 als Bundeskanzler - 16 Jahre, so lange wie bisher niemand vor und nach ihm. Er war treibende Kraft für die EU und eine gemeinsame Währung. Immer wieder hob er die Bedeutung der europäischen Idee für Frieden und Wohlstand hervor. Als sein größter Erfolg gilt aber die deutsche Wiedervereinigung.
Merkel: "Das war höchste Staatskunst im Dienste der Menschen und des Friedens"
Man werde noch lange bewundern, wie entschlossen Kohl und seine Mitarbeiter die Gunst der Stunde zur Vereinigung genutzt hätten, sagte die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Abend in Rom über ihren Amtsvorgänger. "Das war höchste Staatskunst im Dienste der Menschen und des Friedens. Helmut Kohl ist damit zu einem Glücksfall für uns Deutsche geworden."
Kohl habe auch ihren Lebensweg als DDR-Bürgerin entscheidend verändert, sagte Merkel. "Ich bin ganz persönlich dankbar, dass es ihn gegeben hat." Er sei zudem ein Modernisierer der CDU gewesen. Merkel hatte die Nachricht von Kohls Tod während ihrer Reise nach Rom erhalten. Dorthin war die Kanzlerin für eine Privataudienz bei Papst Franziskus am Samstag geflogen. Merkel rief umgehend die Witwe Maike Kohl-Richter an.
Seit Sturz und Schädel-Hirn-Trauma 2008 schwer krank
Seit einem Sturz und Schädel-Hirn-Trauma 2008 war Kohl schwer krank, saß im Rollstuhl und konnte nur schwer sprechen. 2015 hatte sich sein Zustand deutlich verschlechtert. Nach Operationen lag er monatelang im Krankenhaus. Kohl kehrte aber wieder in sein Haus in Ludwigshafen-Oggersheim zurück.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte am Abend die Verdienste des gestorbenen Altkanzlers für die Wiedervereinigung und den Zusammenhalt Europas. "Es ist ihm gelungen, die deutsche Einheit im friedlichen Einvernehmen und in guter Partnerschaft mit unseren europäischen Nachbarn zu erreichen. Ihm verdanken wir, dass Deutschland als europäische und geeinte Nation bestätigt und damit die "Deutsche Frage" beantwortet wurde", schrieb Steinmeier laut Präsidialamt an die Witwe.
Steinmeier fügte mit Blick auf die deutsche Einheit hinzu: "Sein politischer Instinkt, seine große Erfahrung und seine herausragende Begabung, Vertrauen bei unseren Nachbarn und Partnern zu gewinnen, haben ihn dazu befähigt, eine einmalige historische Chance zu erkennen und sie mit Entschlossenheit zu ergreifen."
Kohl erkannte nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989, dass das Fenster für die deutsche Einheit nur kurz geöffnet sein würde. Unter Hochdruck handelte er mit den Staats- und Regierungschefs der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens, Frankreichs sowie den Verantwortlichen der Europäischen Union die Modalitäten dafür aus.
Mann der politischen Rekorde
Der CDU-Politiker war ein Mann der politischen Rekorde: Von 1973 bis 1998 war er Parteichef - eine 25-jährige Amtszeit dürfte in der Partei nur schwer noch einmal zu erreichen sein. Merkel führt die Christdemokraten seit 17 Jahren. Kohl war Anfang der 90er Jahre Merkels Ziehvater in Bundesregierung und Partei gewesen. Aber sie war es, die Ende der 90er Jahre als damalige CDU-Generalsekretärin die Partei wegen der Spendenaffäre, in die Kohl maßgeblich verwickelt war, zur Loslösung vom CDU-Übervater aufforderte. Das Verhältnis der beiden blieb bis zuletzt erschüttert.
Mehr als 40 Jahre war der geborene Ludwigshafener Parlamentarier, zuerst im Mainzer Landtag und von 1976 an im Bundestag. Sieben Jahre - von 1969 bis 1976 - war Kohl Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz.
1960 heiratete er die Dolmetscherin Hannelore Renner. Das Ehepaar bekam zwei Söhne - Walter und Peter. 2001 nahm sich Hannelore Kohl, die an einer schmerzhaften Lichtallergie litt, das Leben. Sieben Jahre später schloss Kohl seine zweite Ehe mit der 34 Jahre jüngeren Regierungsdirektorin Maike Richter.
Walter Kohl trauert um seinen Vater
Walter Kohl hat sich vom Tod seines Vaters tief betroffen gezeigt. Er habe während einer Autofahrt im Radio davon erfahren, sagte der 53-Jährige am Freitag vor dem Haus seines Vaters in Ludwigshafen-Oggersheim. Nach seinen Worten hatte Helmut Kohl den Kontakt zu ihm und dem jüngeren Bruder Peter vor längerer Zeit abgebrochen. Auch zu den Enkelkindern habe es keinen Kontakt mehr gegeben. Er selbst habe das letzte Mal im Sommer 2011 mit seinem Vater telefoniert und habe ihn danach nicht mehr besuchen dürfen.
"Sie sehen einen Menschen, der sehr traurig ist", sagte Walter Kohl vor Journalisten. Er sei zuvor am Totenbett seines Vaters gewesen. Helmut Kohl sei ein Mann gewesen, der sehr viel für den Frieden in Europa getan habe.
Dreyer: "Er war ein rheinland-pfälzischer Europäer"
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl als überzeugten Europäer gewürdigt. "Helmut Kohl verkörpert die europäische Idee wie wenige andere. Er war ein rheinland-pfälzischer Europäer", erklärte Dreyer am Freitag. Er habe "zu den herausragenden politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts" gehört und "mit großer Zielstrebigkeit und ausgeprägtem Machtbewusstsein" politisch gewirkt. "Sein großes diplomatisches Geschick war für das Zusammenwachsen Europas entscheidend. Die Wiedervereinigung Deutschlands und die Entwicklung der Europäischen Union werden für immer mit seinem Namen verbunden bleiben."
Die Ministerpräsidentin würdigte auch das Wirken Kohls in Rheinland-Pfalz. "Als junger Landtagsabgeordneter, als jüngster Fraktionsvorsitzender und vor allem als jüngster Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz hat er entscheidende Beiträge zur Entwicklung und Modernisierung des Landes geleistet", betonte Dreyer. Sie nannte die Gründung der Universität Trier-Kaiserslautern, den Ausbau der Infrastruktur und die Verwaltungs- und Strukturreform als Beispiele. "Vieles, was in seiner Regierungszeit auf den Weg gebracht wurde, hat bis heute Bestand." Kohl sei auch während seiner bundespolitischen Karriere immer seiner Heimat verbunden geblieben und habe daraus Kraft geschöpft.
CDU-Vizechefin Julia Klöckner nennt den verstorbenen Altkanzler einen "Ausnahmepolitiker der Geschichte". Die Welt gedenke eines großen Europäers, Deutschland trauere um den "Kanzler der Einheit", teilt die rheinland-pfälzische CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende mit. "Als junger Wilder hat er damals die CDU erfolgreich reformiert und modernisiert wie kaum jemand nach ihm." Die rund 43 000 CDU-Mitglieder hielten inne und verneigten sich "vor einem großen Staatsmann und Freund". "Viele von uns verlieren mit ihm einen Weggefährten, der an diesem Tag fast unersetzlich scheint." Mit Kohl "verliert unser Land eine seiner prägendsten Persönlichkeiten".
Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) hat die politische Lebensleistung und die Heimatverbundenheit des gestorbenen Altkanzlers Helmut Kohl gewürdigt. Er sei seiner Geburtsstadt immer treu geblieben, erklärte Lohse am Freitag. "Ludwigshafen, Deutschland und Europa haben Helmut Kohl sehr viel zu verdanken. Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor einem der großen Gestalter unseres Gemeinwesens."
Reaktionen aus Hessen
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat sich betroffen über den Tod von Altkanzler Helmut Kohl geäußert. "Wir verlieren mit Helmut Kohl einen großen Staatsmann, wahrhaftigen Europäer und den Kanzler der Einheit", erklärte der CDU-Politiker über den Kurznachrichtendienst Twitter.
Als Kanzler der Deutschen Einheit und Ehrenbürger Europas werde "der Name Helmut Kohl stets untrennbar mit der Wiedervereinigung Deutschlands sowie der Einigung Europas verbunden bleiben - Hessen, Deutschland, Europa und die Welt haben ihm viel zu verdanken", erklärte Bouffier weiter.
Die CDU-Landtagsfraktion und CDU Hessen nannten Kohl in einer Mitteilung "eine der maßgeblichen historischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts". Mit "Standhaftigkeit, Prinzipientreue und einem klaren Wertefundament" hätten Kohl und die CDU Deutschland stets unerschütterlich an der Deutschen Einheit festgehalten, die andere bereits aufgegeben hatten.
SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel würdigte den Altkanzler als großen Europäer, der die historische Chance zur Einheit ergriffen habe. "Das bleibt bei aller politischen Auseinandersetzung!", erklärte Schäfer Gümbel via Twitter. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer nannte den Verstorbenen einen Menschen "mit Stärken und Schwächen, der Großes vollbracht hat". Der Vorsitzende der hessischen Grünen, Kai Klose, würdige Kohl als einen "Vater der Einheit, ein Europäer aus tiefer Überzeugung". Er sei "aber auch ein Wegbereiter für Rot-Grün '98" gewesen.