Film „Die Kandidaten“: Sechs Rheinland-Pfälzer auf dem Weg zu politischem Erfolg

Das Plakat zum Film „Die Kandidaten“. Foto: nachtschwärmerfilm / Danilo Vog
MAINZ - Das Bistro „Aladin Orient“ liegt im Herzen Rheinhessens, und der Inhaber macht in klarstem Hochdeutsch eine deutliche Ansage: „Hört euren Bürgern genau zu!“ Wir schreiben den Spätsommer 2017, ein paar Wochen später ist Bundestagswahl. Diejenigen, die zuhören sollen, haben sich in der heißen Wahlkampfphase von einem Filmteam intensiv begleiten lassen: die Grüne Misbah Khan (27, Neustadt-Speyer), David Dietz (35, FDP, Mainz), Thomas Hitschler (34, SPD, Südpfalz), Max Keck (19, Linke, Speyer-Neustadt), Jan Metzler (36, CDU, Worms-Alzey-Oppenheim), Sebastian Münzenmaier (28, AfD, Mainz).
„Die Kandidaten“ heißt der Film von Michael Schwarz und Alexander Griesser, der am 29. September in Mainz Premiere hat. Er kommt den relativ jungen Menschen, die da um einen Platz im Bundestag kämpfen, nicht zu nahe, aber doch nahe genug – was nicht einfach ist, denn es geht um sehr viel für die Kandidaten und, wichtiger, für‘s Land. Die Bild-Ästhetik ist verführerisch, beschönigt aber nichts. Besser, eine Behörde sei ein paar Monate lang überfordert, aber Flüchtlinge würden nicht ertrinken, sagt Misbah Khan. „Wir lassen uns Deutschland nicht wegnehmen“, grollt Münzenmaier. „Polizeibeamte machen einen Riesen-Job“, betont Metzler. „Das hier ist ein Würstchengrill, aber ich versuche nicht, die Roten schwarz zu machen“, frotzelt Hitschler in der Tiefe des pfälzischen Raumes – als habe er GroKo-Vorahnungen.
Geschenke und Versprechungen für potentielle Wähler
Es ist die volle Themenpalette, von ertrinkenden Flüchtlingen bis zu Grillpartys. Es ist lustig, wenn sich Metzler auf dem Wormser Backfischfest nur mit Mühe der Begeisterung eines sehr jungen weiblichen Fans entziehen kann. Es ist in aufschlussreicher Weise konfrontativ, wenn Münzenmaier in einer SWR-Fernsehrunde wegen seiner strafrechtlichen Verurteilung angegangen wird. Es ist nachgerade anrührend, wenn der 19-jährige Linke Max Keck kundtut, er sei schon immer für Gerechtigkeit gewesen, und wenn Misbah Khan, schön wie der junge Morgen aber bisweilen ein wenig verloren wirkend, Fahrradflickzeug an potenzielle Wähler verschenkt. Es ist dann allerdings erschreckend naiv, wenn die Grüne Vertrauten zuwispert, der Münzenmaier sei doch immerhin noch höflich. Dietz verteidigt im Rededuell gegen einen eloquenten Öko-Aktivisten eisern das Recht des Einzelnen, allein im Auto unterwegs zu sein.
Der Film
„Die Kandidaten“ ist eine Produktion von „nachtschwärmerfilm“ (Mainz), das für Arbeiten mehrfach ausgezeichnet wurde. Regie und Buch: Michael Schwarz, Bild und Produktion: Alexander Griesser. Premiere und Talk mit Protagonisten: 29. September, 19.30 Uhr, Capitol Kino Mainz.
Junge Menschen im Zeitalter des Digitalen – und dann kommt so ein Satz: „Die Wahl wird an der Haustür gewonnen!“ Ein Berater sagt das – und legt nach: „Eine Person, die an der Haustür klingelt, wirkt verloren, 3 bis 4 Personen wirken wie ein Überfall.“
„Soooo viel Quatschköpp!“
„Wählen gehen!“, sagen alle Kandidaten an allen Haustüren. Wählen gehen – schlechthin die wichtigste Botschaft dieses Films. Dabei ist es manchmal verdammt hart, so an der Haustür. „Isch wähl nit mehr“, verkündet der alte Herr, der geöffnet hat, und schimpft: „Wie die mit unserm Geld umgehe!“ Er fragt dann noch, wie viele Abgeordnete es im Bundestag denn gebe, und setzt schließlich seinen Schlussakkord: „Soooo viel Quatschköpp!“
Metzler kommt mit Merkel auf die große Mainzer Bühne. Keck wirkt bei Sahra Wagenknecht eher wie ein Vorprogramm – vielleicht selbst mal berühmt, aber vorerst erst mal tapfer. Für Hitschler absolviert Malu Dreyer einen Extra-Handydreh, während Martin Schulz nur als Pappkamerad in der Ecke steht, Kurt Beck dagegen leibhaftig und würdevoll in der Ehrengäste-Reihe Platz genommen hat. David Dietz erklärt ganz selbstbewusst: „Wir haben nicht nur Christian Lindner.“ Metzler hat in seinem Büro das Wahlplakat einer ganz jungen rheinland-pfälzischen CDU-Hoffnung im Rücken. Dessen Name: Helmut Kohl.
Wahlkampf ist nicht zuletzt eine Menge Showbusiness, lehrt aber auch vieles vom wirklich wahren Leben. Der Film spiegelt das in eindrucksvoller Weise. „Wahlkampf ist geil“, verkündet Dietz. „Ich lauf’ mir die Hacken ab“, erzählt Metzler, ohne zu klagen. „Wir wissen alle vorher, was auf uns zukommt“, weiß Hitschler. Erfolgreich wirbt der Film um Verständnis für die Politik, mit Hingabe, manchmal bitter ernst, manchmal schmunzelnd – und mit Untertiteln. Denn schließlich sind wir bei den Rheinland-Pfälzern, und da reden lange nicht alle so klar Hochdeutsch wie der Chef vom Bistro „Aladin Orient“.