Auf dem Weg zur Roboter-Autobahn? Digitalisierung im rheinland-pfälzischen Straßenverkehr
Soweit, dass sich Autos über Wlan miteinander verbinden, um Unfälle zu vermeiden oder den Verkehr zu beschleunigen, ist es noch nicht. Trotzdem ist die Digitalisierung im Straßenverkehr, vor allem bei Strecken- und Netzbeeinflussung, längt angekommen. Dies zeigt sich auch in verschiedenen Projekte der Straßenbauverwaltung in Rheinland-Pfalz.
Von Markus Lachmann
Reporter Politikredaktion Mainz
Ein Testfahrer steuert zu Demonstrationszwecken ein per Mobilfunk mit einem weiteren Fahrzeug vernetztes Auto. Archivfoto: dpa
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MAINZ - In der Region Rotterdam erhalten manche Autofahrer einen Brief, weil sie geblitzt worden sind. Doch sie müssen nichts zahlen, sondern bekommen bares Geld: Fünf Euro am Tag, wenn sie in den Stoßzeiten morgens nicht eine bestimmte Autobahnstrecke fahren, 1,50 Euro abends. Das Smartphone kontrolliert, ob der Fahrer auch seine Zusage einhält. Zu Spitzenzeiten sausen etwa 750 Autos weniger über den Engpass.
In Deutschland wäre das undenkbar. Eine anlassunabhängige Kennzeichenerfassung ist nicht erlaubt. Auch überlagert oft die Debatte über Datenschutz den Nutzen der Digitalisierung. Doch Daten sind das heutige Gold, ohne die wird es nicht gehen. Beispiel Konnektivität – darunter versteht man, wenn sich Autos über Wlan miteinander verbinden. Damit wüsste ein Autofahrer schon frühzeitig, wenn er auf ein Stauende zurast. Oder ein Unfallfahrzeug könnte von sich aus die nachkommenden Autos warnen. Mehrere Fahrzeuge könnten sich wie Tierschwärme verhalten, indem sie gleichzeitig beschleunigen, bremsen oder die Spur wechseln. „Das wurde bereits in Simulationen durchgespielt“, berichtet Stauforscher Michael Schreckenberg. Autos, die diese Technik nicht besitzen, würden sich dem Schwarm anpassen. „Davon würden alle profitieren.“
Digitale Technik schickt Autos am Stau vorbei
Es geht aber auch eine Nummer kleiner. Die Straßenbauverwaltung in Rheinland-Pfalz will ihre Autobahn-Sperranhänger mit Wlan ausrüsten. Die Anhänger kommen etwa zum Einsatz, wenn wegen einer Baustelle auf eine andere Spur gewechselt werden muss. Oft passieren hier Unfälle – künftig könnte das Auto die Situation selbst erkennen. Allerdings hat die Automobilindustrie bei dieser Technologie noch nicht mitgezogen.
Digitale Helfer
Facebook klaut meine Daten, Computer unsere Jobs und statt vernünftige Gespräche zu führen, werden übers Netz nur Beleidigungen und Hassbotschaften ausgeteilt – wenn es um die Digitalisierung des Lebens geht, stehen oft solche negativen Themen im Vordergrund.
In der Serie „Digitale Helfer“ möchten wir zeigen, an welchen Stellen der technologische Fortschritt die Welt verbessert hat.
Bei Strecken- und Netzbeeinflussung hilft digitale Technik bereits jetzt. Schilderbrücken auf Autobahnen zeigen Tempolimits an, warnen vor Staus oder verbieten Lastwagen das Überholen. Radarsensoren und Fahrspurschleifen messen die Zahl der Fahrzeuge, Typen und Abstand. Wer auf Autobahnen unterwegs ist, wird oft schon viel weiträumiger umgeleitet; beispielsweise in Köln, wenn im rheinland-pfälzischen Diez die A3 dicht ist. Natürlich gibt es auch das Navi. Damit kommt man heutzutage recht weit. Allerdings scheitert auch diese Technologie oft bei kurzfristigen Sperrungen und Wanderbaustellen. Rheinland-Pfalz will hier voranschreiten. In naher Zukunft sollen auch solche Daten in den Navis verfügbar sein. Das erfordert eine Umstellung der Prozesse in der Straßenbauverwaltung. „Wir wollen analoge Prozesse in die digitale Welt bringen“, so Reiner Dölger vom rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium.
"Digitalisierung im Straßenverkehr wird überschätzt"
Im Film „Das fünfte Element“ mit Bruce Willis aus dem Jahr 1997 fahren die Menschen nicht mehr selbst, alles geschieht automatisch. Für den Held der Geschichte ist dies problematisch, weil die Polizei die Steuerung seines Autos übernommen hat. Da hilft nur noch der Absprung aus dem Roboterfahrzeug. Autonomes Fahren ist das Stichwort der Stunde, aber in der Einschätzung, wann die Technik wirklich eingesetzt wird, gehen die Meinungen auseinander. Autobahnen voller selbst fahrender Autos und Lastwagen, das sieht Transport- und Verkehrsexperte Schreckenberg weder in naher noch in ferner Zukunft. 100-prozentiges autonomes Fahren sei ohnehin „Quatsch“. Genauso, wie es seiner Meinung nach noch die nächsten 50 Jahre Verbrennungsmotoren geben werde, werde die Rolle der Digitalisierung im Straßenverkehr überschätzt.
Das große Problem bleibe die Sensorik, vor allem, wie man daraus Handlungen ableitet. Ohne den Menschen geht es weiterhin nicht. Schreckenberg: „Elektronische Signale sind zwar schneller – aber der Mensch kann viel schneller eine Situation überblicken.“ Das „fünfte Element“ wird also Sience Fiction bleiben.
Apps helfen auf der Straße und im ÖPNV
Erfolge gibt es im Kleinen. Sei es im Lkw-Parkplatzmanagement auf der A3 bei Montabaur – noch so ein rheinland-pfälzisches Projekt. Sei es im Öffentlichen Personennahverkehr, bei dem man über Apps auf dem Handy ziemlich genau weiß, wann der Bus oder der Zug ankommt. In London sagen einem diese klugen Programme bereits, wie man genau laufen muss, um zur richtigen U-Bahn zu kommen. Bei den Übergängen zwischen den Verkehrsmitteln gibt es hingegen noch viel Entwicklungspotenzial. An welcher Haltestelle muss ich als Frankfurter in Mainz raus, wenn ich aufs Leihrad umsteigen will? Und sagt mir künftig eine App zum Kaffee, welche Verkehrsmittel mich am schnellsten zum Ziel bringen? Muss ich künftig überhaupt noch ein Ticket ziehen?
Auch hier geht es wieder um Daten. Denn diese müssen auch öffentlich zur Verfügung stehen, etwa die Abfahrtsprognosen des städtischen Busverkehrs. Es ist noch vieles möglich, wenn man nur will. Es muss ja nicht gleich die Roboter-Autobahn sein.