Donnerstag,
28.12.2017 - 04:45
5 min
Absteiger und Aufsteiger in der rheinland-pfälzischen Politik
Von Markus Lachmann und Mario Thurnes

Der rheinland-pfälzische Landtag. Archivfoto: Sascha Kopp ( Foto: )
Für einige Spitzenpolitiker in Rheinland-Pfalz war es ein erfolgreiches Jahr 2017, für andere eines, das man am liebsten hinter sich bringen will. Wir geben eine Einschätzung, bei wem der Pfeil eher hoch oder runter zeigte – und wer eher geradeaus fuhr.
Aufsteiger
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin, ist in Berlin gefragter denn je. Mit 97,5 Prozent der Stimmen wird sie zur Stellvertreterin von Martin Schulz gewählt. Sie gilt in der SPD als beliebt. Auch ist sie eine von wenigen Sozialdemokraten, die noch ein Siegerimage haben. Selbst eine Kanzlerkandidatur der Pfälzerin wird in Parteikreisen nicht mehr ausgeschlossen. Auch in Rheinland-Pfalz sitzt Dreyer, verglichen mit dem teils turbulenten Jahr 2016, fester im Sattel.
Julia Klöckner, Die Fraktionsvorsitznede der CDU war Ende 2016 angeschlagen: Die erneute Niederlage in Rheinland-Pfalz nagte an ihr und bei vertraulichen Gesprächen war die Zeit nach ihr ein beliebtes Thema. Ende 2017 sitzt Klöckner in Rheinland-Pfalz fest im Sattel und sollte es im Bund jemals wieder eine Regierung geben, gilt die 45-Jährige als heiße Anwärterin auf ein Ministeramt. In den TV-Beiträgen über die verschiedenen Verhandlungen ist sie stark präsent.
Volker Wissing, Der Wirtschaftsminister ist ein Politiker, der aufgrund seines unscheinbaren Auftretens gerne unterschätzt wird. Doch der FDP-Apparat in Rheinland-Pfalz spielt nach seinen Regeln und dass es im Bund nicht zu Jamaika gekommen ist, dürfte dem erklärten Merkel-Gegner auch gefallen haben. Wie er im Ministerium den Fall eines Beamten abgearbeitet hat, der klagte, weil er aufs Abstellgleis geparkt wurde, ist typisch für Wissings Stil: unspektakulär aber wirksam.
Doris Ahnen, Finanzministerin, ist eine der wichtigsten Figuren der rheinland-pfälzischen Sozialdemokratie. Manch einer hatte ihrem Wechsel aus dem Bildungsministerium ins Finanzressort hinterhergetrauert. Doch auch als Hüterin der Zahlen macht die 53-Jährige einen guten Job. So löst sie den stets umstrittenen Pensionsfonds für Landesbeamte auf – wenn auch mit sanfter Nachhilfe des Verfassungsgerichtshofs. Souverän wird Ahnen wieder in den SPD-Bundesvorstand gewählt.
Alexander Schweitzer, Der SPD-Fraktionschef ist im Dezember in den Bundesvorstand seiner Partei gewählt worden. Damit zählt der 44-Jährige jetzt auch jenseits von Rhein und Mosel zur Führungsreserve. In Rheinland-Pfalz gilt er als Thronfolger Nummer eins von Ministerpräsidentin Malu Dreyer – vorausgesetzt er gerät in keine Skandale. Und das hat Schweitzer 2017 vermieden. Mit dem Thema Kampf gegen Rechts beginnt er, sich inhaltlich zu positionieren.
Cornelia Willius-Senzer, FDP-Fraktionschefin, ist eine der Aufsteigerinnen des Jahres. Weil Thomas Roth hinwirft, rückt sie an die Fraktionsspitze nach. Die 74-Jährige hat in der freien Wirtschaft gearbeitet, ist Tanzlehrerin und punktet mit ihrer Lebenserfahrung. Allerdings muss sie noch zeigen, dass sie die ganze Bandbreite der landespolitischen Themen beherrscht. Auch hat mancher Parteifreund ihre Ankündigung, so lange wie Adenauer zu amtieren, fast als Drohung empfunden.
Herbert Mertin, Justizminister. ist schon lange im politischen Geschäft. Manch einer meinte im Frühjahr 2016 noch, zu lange. Doch der stoische FDP-Mann. gebürtiger Chilene, strahlt Ruhe und Erfahrung aus. Zudem scheint die nicht immer einfache Richterszene in Rheinland-Pfalz wieder befriedet zu sein. Mit dem 35 Jahre alten Staatssekretär Philipp Fernis baut der 59-Jährige zudem einen jungen Politiker auf, der künftig in der FDP eine noch wichtigere Rolle spielen könnte.
Die Konstanten
Ulrike Höfken, Der Umweltministerin ist es wichtig, in der Fachpresse stark vertreten zu sein. Das ist sie – und die Mehrzahl der Erwähnungen dort ist wohlwollend. Schön und gut. Nur ist sie laut Rollenverteilung die führende Grüne in der Landesregierung und in dieser Rolle strahlt sie den Glanz einer Raufasertapete aus. Und so werkelt sie vor sich hin, fachlich unumstritten, aber als mögliche Spitzenkandidatin der Grünen 2021 kaum eine überzeugende Option.
Bernhard Braun, Grünen-Fraktionschef, ist bei parlamentarischen Debatten eine Bereicherung. Seine Beiträge sind klug, pointiert, oft witzig. Der promovierte Philosoph und Politikwissenschaftler kann Florett wie Säbel, wobei ihm manchmal die Emotionen durchgehen. Bei einer Parlamentsdebatte in diesem Jahr bezeichnete er die CDU als „Dreckspartei“ – und entschuldigte sich anschließend sofort dafür. Auch war das wiederum klug.
Roger Lewentz, Innenminister, stand vor einem Schicksalsjahr 2017. Denn von dem erfolgreichen Verkauf des Flughafens Hahn hing nach der Blamage des Jahres 2016 auch das politische Schicksal des Ministers ab. Lewentz, der in der rheinland-pfälzischen SPD vernetzt sein dürfte wie kein Zweiter, schaffte es, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Der Hahn wurde an die chinesische HNA-Gruppe verkauft. Der Minister dürfte aufgeatmet haben.
Anne Spiegel, Die Integrationsministerin hat 2017 ordentlich Gegenwind erfahren und durch zu zögerliches Auftreten manche Krise verschärft. Dennoch ist Spiegel keine Verliererin. Zum einen hat sie die Krisen letztlich doch gemanagt. Zum anderen haben die Grünen in schweren Zeiten gezeigt, dass sie zu ihr stehen – auch weil die 37-Jährige in ihrer Rolle als Hoffnungsträgerin unverzichtbar ist. Apropos gute Hoffnung: Spiegel wird 2018 zum vierten Mal Mutter.
Stefanie Hubig, Bildungsministerin, gilt als führungserfahren, kam aus dem Bundesjustizministerium nach Mainz. dort war sie Staatssekretärin gewesen. Man wird bis heute nicht ganz das Gefühl los, dass die 49 Jahre alte Juristin mit dem politischen Geschäft etwas fremdelt. Allerdings hat sie durchgesetzt, dass eine Reihe von kleinen Grundschulen geschlossen werden müssen – was nicht ohne weiteres jeder Genosse in Rheinland-Pfalz goutiert.
Absteiger
Uwe Junge, Der AfD-Fraktionschef sah seinen Landesverband gerne als Muster, wie er sich die Alternative für Deutschland bundesweit vorstellen würde. Doch mit dem Binger Parteitag ist Junge eines Besseren belehrt worden: Die Aufwiegeler von Rechts gibt es auch in der rheinland-pfälzischen AfD und bei seiner Wiederwahl verlor er 15 Prozentpunkte im Vergleich zu vor zwei Jahren. Joachim Paul steht zwar loyal zu Junge, baut sich aber schon als möglicher Nachfolger auf.
Thomas Roth, ehemaliger FDP-Fraktionschef, hat kein gutes Jahr hinter sich. Anfang Oktober tritt der Westerwälder wegen eines Berichtes dieser Zeitung zurück. Seitdem ist er einfacher Landtagsabgeordneter. Roth galt als Fraktionschef überfordert, hatte inhaltlich nur wenig zu bieten. Dass er ein biografisches Buch mit schlüpfrigen Anekdoten veröffentlicht hatte, brachte das Fass zum Überlaufen. In der Landespolitik dürfte der 57-Jährige keine Perspektive mehr haben.
Konrad Wolf, Wissenschaftsminister. Eine Rolle, der in Landesregierungen wenig Glanz zukommt. Wenn ein ehemaliger Hochschul-Präsident wie Wolf diese Rolle besetzt, dann hat das vor allem den Zweck, die Fachwelt zu überzeugen. Doch nachdem er Eingriffe in die Forschungsfreiheit als „nicht unstatthaft“ bezeichnet hat, ist der Effekt weg. Dass das Land seit über einem Jahr ohne Ergebnis prüft, ob Ditib eine Nähe zur türkischen Regierung hat, macht‘s nicht besser.
Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Die Sozialministerin hat aus Sicht der Landesregierung 2017 eins gut gemacht: Sie hat Integrationsministerin Spiegel aus den Schlagzeilen geholt: Der ewige Streit um den Medizinischen Prüfdienst oder das Chaos rund um die Behinderten-Werkstätte hat Bätzing-Lichtenthäler zum Angriffsziel Nummer eins der Opposition gemacht. Der Hoffnungsschimmer für 2018: Mit David Langner wechselt ein Staatssekretär nach Koblenz, der Teil des Problems war.