Der Vorzeigeverband, der öffentliche Streitereien unter „Parteifreunden“ vermeidet. Das war das Bild, das ihr Chef Uwe Junge gerne von der AfD Rheinland-Pfalz gezeichnet...
BINGEN. Der Vorzeigeverband, der öffentliche Streitereien unter „Parteifreunden“ vermeidet. Das war das Bild, das ihr Chef Uwe Junge gerne von der AfD Rheinland-Pfalz gezeichnet hat. Dieses Bild ist mit dem Parteitag im Binger Rheintal-Kongress-Zentrum verblasst – und auch Junge selbst hat einen Dämpfer verpasst bekommen.
Als Junge den Rechenschaftsbericht eröffnete, war er noch im alten Modus: „Wir gelten in Ost und West organisatorisch als starke Truppe – in der Sache knüppelhart, im Ton moderat“, beschreibt er die Arbeit des Verbandes. Doch er schränkt ein: Es habe „niederträchtige Anfeindungen“ aus den eigenen Reihen gegeben.
„Ihr verweigert mir seit einem Jahr jedes Gespräch“
Wen Junge damit meint, wird im Anschluss deutlich: Die scheidende AfD-Vizechefin Christiane Christen geht ans Mikrofon und hält ihren Rechenschaftsbericht. Es sind keine inhaltlichen Debatten, die sie austrägt. Es ist der persönliche Umgang, den sie zum Thema macht: „Ihr verweigert mir seit einem Jahr jedes Gespräch.“ Der Tagesordnungspunkt ufert aus, gegenseitige Anfeindungen werden vorgetragen. Ein Delegierter stellt am Mikrofon die Frage: „Was für ein Bild geben wir ab?“
Dass Junge als Landeschef nicht unumstritten ist, zeigt die Wahl zum Vorstand: Der 60-Jährige erhält 212 von 284 gültigen Stimmen, das sind 74,6 Prozent. Vor zwei Jahren hatte er noch 89,6 Prozent bekommen. Vor Kurzem hatte er selbst angedeutet, vielleicht in den Bundesvorstand wechseln zu wollen.
Junge hat einen Gegenkandidaten: Matthias Tönsmann aus Annweiler. Nach eigenen Angaben ein Lehrer, der den Job an den Nagel gehängt habe, weil er nicht mehr helfen wolle, wie „Schüler durch linksvergrünte Lehrpläne verdorben“ würden. „Bisher hat der Herrgott immer noch gut für mich gesorgt.“ Dieser Kandidat erhält 46 Stimmen, also 16,2 Prozent.
Auch die Wahlen für die weiteren Vorstandsposten zeigen, dass es eine Gruppe der Unzufriedenen und einen Mehrheitsflügel gibt: Der Landtagsabgeordnete Joachim Paul wird ohne Gegenkandidat und mit 87,7 Prozent der Stimmen Junges Stellvertreter. Michael Frisch wird gegen Gegenkandidaten und mit 59,6 Prozent der Stimmen zweiter Stellvertreter.
Die Gruppe der Unzufriedenen agiert nicht einheitlich. Ihre Einwände beziehen sich auf den Führungsstil Junges. Sind sie politisch, kommen sie von rechts: Ein Delegierter kritisiert den Vorstand, weil dieser nicht nach Afghanistan abschieben lassen will oder weil er Protestaktionen auf der Straße verhindere – Junge bestätigt, dass er das tue. Christen wollte zu Beginn des Parteitags die Presse ausschließen lassen.
Einer ihrer Vorwürfe an Junge und seine Anhänger lautet, sie könnten nicht darstellen, warum die Partei in knapp zwei Jahren 36 000 Euro für Anwalts- und Gerichtskosten ausgegeben habe. Paul sagt dazu: „Ja, wir haben juristisch gekämpft, weil wir uns nicht als antisemitische Partei bezeichnen lassen wollten.“ Er bezieht sich damit auf Prozesse, welche die AfD unter anderem gegen den SWR oder gegen den SPD-Bundesvize Ralf Stegner geführt hat.
Vorstand kann nicht entlastet werden
Dass das Bild vom Vorzeigeverband nicht stimmt, zeigt auch eine organisatorische Panne, die der AfD Rheinland-Pfalz unterläuft: Der alte Vorstand kann nicht entlastet werden. Einer von zwei notwendigen Rechnungsprüfern war nicht nach Bingen gekommen. Der andere hatte die Kasse erst gar nicht geprüft. Der Parteitag beschließt aber, seinen Vorstand „symbolisch“ zu entlasten.
Von Mario Thurnes und Oliver von Riegen