Taugt die Bildungsreform, zahlt sich der Sprachkurs für Migranten aus, wo hakt das Entwicklungsprojekt? Messbar belegen können: Die Maßnahme ist eher gut, jene eher...
MAINZ. Taugt die Bildungsreform, zahlt sich der Sprachkurs für Migranten aus, wo hakt das Entwicklungsprojekt? Messbar belegen können: Die Maßnahme ist eher gut, jene eher schlecht. Das ist Aufgabe der politischen Evaluation. Um sagen zu können, wo wird Geld gut investiert, wo versenkt?
Professor Reinhard Stockmann ist Leiter des Zentrums für Evaluation an der Universität des Saarlandes. Er sagt, politische Erfolge zu messen, das komme in Deutschland viel zu kurz. Über diese und andere Fragestellungen zum Thema tauschen sich von diesem Mittwoch bis Freitag Experten an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität aus. Dort veranstaltet die Gesellschaft für Evaluation (Degeval) ihre 20. Jahrestagung.
Stockmann erklärt Evaluation: Mittels verschiedener Methoden überprüfen Wissenschaftler Gesetze, Programme und Projekte auf ihre Wirksamkeit . Umfragen, Interviews, Dokumentenanalyse, nennt der Professor als Instrumente. Nahezu jedes Themengebiet könne so beackert werden.
Stockmann sagt aber: Die Abhängigkeit von Auftraggebern sei ein großes Problem. Denn in den meisten Fällen sind das Ministerien, Behörden oder Nichtregierungsorganisationen. Kein Auftrag, keine Erhebung. Und in einigen Fällen wollten politische Akteure erst gar nicht, dass evaluiert wird, berichtet der Professor. Als Beispiel nennt er: Förderprogramme für Startup-Unternehmen. Belegt sei, dass die meisten nichts bringen, so Stockmann. Aus der Praxis weiß er: Ein Landesministerium wollte nicht, dass das näher untersucht wird. Denn Ergebnisse könnten unangenehm sein, Misserfolge müssten gerechtfertigt, Alternativen erwogen werden. Andere Länder seien Deutschland deutlich voraus, zeigt Stockmann auf: International sei „das Mutterland der Evaluation“ die USA. In Europa hebt der saarländischer Professor die Schweiz hervor. „Dort ist Evaluation in der Verfassung verankert.“ Hierzulande ist sie nur in der Bundeshaushaltsordnung festgeschrieben. Allzu oft hielten sich Ministerien aber nicht daran.
USA und Schweiz sind Vorreiter
Negativ erwähnt der 62-Jährige das Bundesumweltministerium. Auch beim Verteidigungsministerium geschehe Evaluation „unsystematisch und zu wenig“. Das Auswärtige Amt sei gar ein „Evaluationsverweigerer“, zitiert Stockmann einen Kollegen.
Der Professor befürwortet die Gründung eines Evaluationsbeirats auf Bundesebene. Dieser könnte schauen, was überprüft werden sollte, wer sich an die Verordnungen hält und wie evaluiert wird.
Wie evaluiert wird, das sei ohnehin eine wichtige Zukunftsfrage, berichtet Stockmann: Methodenforschung werde zu wenig betrieben, gerade im Hinblick auf eine immer komplexere Welt.
Viele Themen, einige Probleme, die nun bis Freitag auf dem Kongress der Degeval diskutiert werden. Und wo neben Wissenschaftlern auch Praktiker und Auftraggeber mit am Tisch sitzen. Die Utopie der Evaluaisten: eine rationale Politik, die so viel es geht auf wissenschaftlich erhobenen Fakten basiert. De facto aber herrscht in der Politik eine andere Logik, meint Stockmann. Das Streben nach Macht und Wählerstimmen beispielsweise, nicht selten verbunden mit der Aussage: „Das wird halt schon so sein“, sagt Stockmann.
Von Nils Salecker