Ein Pärchen schlendert Hand in Hand durch die riesige Halle, vorbei an Motorsport-Läden, die geschlossen sind. Aus den Lautsprechern trällert Coldplay. Ein Freitagmorgen am...
NÜRBURGRING. Ein Pärchen schlendert Hand in Hand durch die riesige Halle, vorbei an Motorsport-Läden, die geschlossen sind. Aus den Lautsprechern trällert Coldplay. Ein Freitagmorgen am Nürburgring. Wie anders sah es hier noch vor acht Jahren aus, als der „neue“ Ring eröffnet wurde. Tausende Neugierige drängten sich auf dem „Boulevard“, dem riesigen Gebäudekomplex mitten an der Grand-Prix-Strecke. Darunter Ehrengast Boris Becker und natürlich Ministerpräsident Kurt Beck. Doch der ahnte schon, welche – politische – Strecke er noch vor sich haben würde. Sein Finanzminister war zwei Tage zuvor zurückgetreten. Die angeblichen Investoren hatten sich als Scharlatane erwiesen.
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Es folgten Gerichtsverfahren und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Die staatseigene Rennstrecke, Nordschleife und „Freizeitpark“ wurden verpachtet. Doch 2012 meldete der Ring Insolvenz an. Er wurde 2014 verkauft – an den Düsseldorfer Robertino Wild, dessen Firma Autoteile herstellt. Diesem ging schon nach Monaten die Puste aus, neue Herren, russische Geschäftsleute, traten auf den Plan. Die Wirren am Ring führten in der Konsequenz auch zum Rücktritt von Ministerpräsident Beck.
Gesellschaft schreibt schwarze Zahlen
Und heute? Das Insolvenzverfahren läuft zwar noch, doch der Nürburgring hat sich weitgehend stabilisiert. „Wir sind ein gesundes Unternehmen mit schwarzen Zahlen“, sagt Mirco Markfort. Er ist seit 16 Monaten Geschäftsführer am Ring – genauer gesagt der Capricorn Nürburgring GmbH. „Capricorn“ heißt das Unternehmen von Robertino Wild, das Einzige, was noch an den Düsseldorfer hier erinnert.
Genauere Zahlen will Markfort nicht nennen. Allerdings brummen die Veranstaltungen, ob es nun das 24-Stunden-Rennen, der Truck-Grand-Prix, das Deutsche Tourenwagen-Masters oder das WEC-Rennen ist. Die Nordschleife sei in der Hauptsaison fast zu 100 Prozent ausgelastet, die Grand-Prix-Strecke zu mehr als 90 Prozent. „Wir haben jedes Wochenende Veranstaltungen“, so Markfort. Am vergangenen Wochenende stieg der „Sport 1 Trackday“. Tuning, Driften, Gasgeben, für Motorsportfreunde war da viel dabei. 9000 Besucher kamen. „Wir sind motorsportseitig gut aufgestellt“, berichtet der Geschäftsführer. Mit der Rückkehr von Rock am Ring ist ein kleiner Coup gelungen. Auch die Königsdisziplin im Motorsport, die Formel 1, will Markfort zurückholen. „Wir probieren es für 2019 – das ist unser Ziel“, so der Geschäftsführer.
Der Nürburgring gilt wieder als verlässlicher Partner. Und das Verhältnis zur Region hat sich entspannt, das berichtet auch der stets kritische Verein „Ja zum Nürburgring“. Deren Sprecher Dieter Weidenbrück sagt zu den neuen Machern am Ring: „Die stellen sich besser an als ihre Vorgänger.“ Am operativen Geschäft haben die Aktivisten nichts auszusetzen, wohl aber am Verkauf des Rings an wohlhabende russische Geschäftsleute. Eine Klage des Vereins ist noch immer beim Europäischen Gericht anhängig. Auch ein amerikanisches Unternehmen, Nexovation, hatte gegen den Verkauf geklagt. Es kann noch Jahre dauern, bis es zu einer Entscheidung kommt. Weidenbrück sagt, das Verkaufsverfahren sei nicht EU-konform gewesen. Der Zuschlag an Robertino Wild hätte seiner Meinung nach nie erfolgen dürfen. „Und der Weiterverkauf an die Russen war eine sehr schräge Sache.“ Die Aktivisten favorisieren weiter ein Stiftungsmodell für den Ring.
Kämen die Kläger durch, müsste der Ring wohl neu ausgeschrieben werden. Markfort macht sich darüber erst einmal keinen Kopf. Derzeit beschäftigen ihn ganz andere Dinge, etwa der Ring Racer, eine Achterbahn, die nie offiziell in Betrieb gegangen ist. Markforts Vorgänger wollten den Ring Racer abreißen. „Wir werden im Winter prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, ihn betriebswirtschaftlich zu betreiben. Abriss ist die letzte Möglichkeit.“
Relikte eines verpatzten Ausbaus
Das gilt auch für die anderen Relikte des seinerzeit verpatzten Ausbaus, der mehrere hundert Millionen Euro verschlang, etwa Ringwerk, Boulevard und Eifeldorf „Grüne Hölle“.
Das könnte der neue Weg des Nürburgrings sein: Solide, nicht übertrieben, am Markenkern orientieren. Und ab und zu vielleicht mal einen Coup landen. Man könnte sich wünschen, in der Eifel wäre so agiert worden, als dort noch der Staat das Sagen hatte.
Von Markus Lachmann