Seit fast sechs Jahren zieht sich das Untreueverfahren gegen den früheren rheinland-pfälzischen Finanzminister, Ingolf Deubel, hin. Dabei kamen viele für die Landesregierung...
MAINZ. Es war am Rande des Rheinland-Pfalz-Tages in Bad Kreuznach im Juli 2009. Ingolf Deubel, Finanzminister in Rheinland-Pfalz, musste seinem Chef, Kurt Beck, beichten: Die Finanzierung des Nürburgring-Ausbaus ist geplatzt. Eine Bank aus London hatte Alarm geschlagen. Womöglich seien die von einem Schweizer Finanzvermittler überreichten Schecks gestohlen, das Konto des angeblich steinreichen US-Investors nicht gedeckt. Letzteres stimmte, auf dem Konto der Miracle Asset Management, Beverly Hills (zu deutsch: „Wundervermögensverwaltung“) fanden sich nur 57 Dollar und 18 Cent. Zu wenig für den Ausbau des Nürburgrings zum Freizeitpark, der 330 Millionen Euro verschlang.
Die Folgen erschütterten Rheinland-Pfalz bis ins Mark, und das über Jahre. Ingolf Deubel trat drei Tage nach der Beichte zurück, Kurt Beck hielt sich noch einige Jahre im Amt, bevor auch er zurücktrat, aus gesundheitlichen Gründen. Beck gab seinen Rücktritt wenige Wochen vor Beginn des Untreueprozesses gegen Deubel und diverse Nürburgring-Manager bekannt. Der Prozess startete im Oktober 2012, das Urteil ist bis heute nicht rechtskräftig, denn der Bundesgerichtshof hob es 2015 in Teilen auf. Und ein Ende des Verfahrens ist immer noch nicht absehbar: Wie die Nachrichtenagentur dpa am Dienstag berichtete, ist es weiter unklar, wann das Landgericht Koblenz das Revisionsverfahren eröffnet. Das Landgericht Koblenz hatte Deubel 2014 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Konkret habe sich Deubel der Untreue in 14 Fällen schuldig gemacht; sowie eine uneidliche Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags geleistet. Deubel war seinerzeit Aufsichtsratsvorsitzender der Nürburgring GmbH, die zu 90 Prozent dem Land gehörte.
Gericht: „Gravierende und evidente Pflichtverletzungen“
Faktisch, so die Koblenzer Richter, habe er wie ein Geschäftsführer agiert. Der vorgeworfene Vermögensschaden: eine halbe Million Euro. So wurde den Firmen des Unternehmers Kai Richter, der am Nürburgring einen Ferienpark und ein Gastro-Dorf baute, stille Beteiligungen in Höhe von 85,5 Millionen Euro gewährt. Diese kamen von der landeseigenen Förderbank ISB. Mit dem Geld wurde im Grunde der Baustopp am Ring verhindert. Das Land bürgte zu 100 Prozent, das Geld war nicht ausreichend besichert. Ein hohes Risiko und im Grunde verkappte Darlehen, urteilten die Richter. Sie sprachen von „gravierenden und evidenten Pflichtverletzungen“ des Finanzministers sowie einem Verstoß gegen die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, mithin Amtsmissbrauch. Landesvermögen sei geschädigt worden.
Das schriftliche Urteil des Gerichts, 231 Seiten lang, ließ den Beobachter seinerzeit fassungslos zurück. Etwa, wie der Schweizer Finanzvermittler Urs Barandun immer wieder neue angebliche Investoren anschleppte. Etwa die Maya Petroleos S.A. aus Guatemala, die mit einer Ölplattform angeblich einen Jahresumsatz von 63 Milliarden US-Dollar hatte – höher als der gesamte Umsatz mit Öl im Golf von Mexiko. Dumm nur, dass eine Bonner Kanzlei weder eine Homepage noch eine Telefonnummer dieses „Weltunternehmens“ fand. Das Land verließ sich auf weitere dubiose Vermittler, der eine ein früherer Hoteldirektor aus Wiesbaden, der andere ein ehemaliger Assistent eines Zirkusdirektors. Berühmtheit erlangte im Prozess der sogenannte „Bordell-und-Bratwurst-Vermerk“. Eine genaue Beschreibung erübrigt sich fast. Nur so viel: Es ging um Aufenthalte diverser Vermittler in Züricher Hotels, finanziert mit Landesmitteln.
Gutachten angefordert
Doch um Bordelle oder Bratwürste wird es im Revisionsprozess kaum gehen. Der Bundesgerichtshof hatte geurteilt, dass das Landgericht Koblenz die Gefährdung von Landesvermögen in einigen Fällen nicht rechtsfehlerfrei begründet habe. Wie dpa berichtete, hat das Landgericht diverse Gutachten zu den „komplexen betriebswirtschaftlichen Sachverhalten“ in Auftrag gegeben. Das dauert.
Deubel (68) hat bislang stets seine Unschuld beteuert. Ins Gefängnis musste er bisher nicht. Eine Haftstrafe ohne Bewährung ist nach Einschätzung von Juristen immer noch möglich. Und die höchste Einzelstrafe – sie beträgt mehr als ein Jahr, es geht um die uneidliche Falschaussage – ist vom Bundesgerichtshof nicht beanstandet worden. Diskutiert wird in Juristenkreisen, inwieweit Deubel seine Pensionsansprüche verlieren kann. Muss er ins Gefängnis, wird er diese verlieren. Bleibt die Gesamtstrafe zwischen einem Jahr und zwei Jahren, wird es rechtlich knifflig – ein Gelehrtenstreit.
Von Markus Lachmann