„Gesagt, was ich dachte“

Vor seiner Wahl in den Landtag war Benedikt Oster Arbeiter beim Landesbetrieb Mobilität (LBM). Foto: Harald Kaster   Foto: Harald Kaster

Benedikt Oster trägt eine Jacke mit Logo des 1. FC Kaiserslautern, als er das Mainzer Café betritt. „Alter Schwede“, platzt es aus dem 28-Jährigen heraus. Die Kommentare...

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MAINZ. Benedikt Oster trägt eine Jacke mit Logo des 1. FC Kaiserslautern, als er das Mainzer Café betritt. „Alter Schwede“, platzt es aus dem 28-Jährigen heraus. Die Kommentare auf der Straße fielen nicht freundlich aus. Zum Fototermin draußen zieht der SPD-Landtagsabgeordnete aus der Eifel dann doch lieber die Jacke aus. Lektion gelernt.

Benedikt Oster war 22 Jahre alt, als er in den Landtag einzog, das war im Jahr 2011. Mächtig grün war er damals noch hinter den Ohren, der gelernte Straßenwärter trat in manches Fettnäpfchen. „Ich habe direkt gesagt, was ich gedacht habe. Was mir eben so auf der Zunge liegt.“ Zuvor hatte er noch für den Landesbetrieb Mobilität Straßen geflickt oder Grünstreifen gemäht, nun hatte er ein Büro, sollte Reden halten, Mails bearbeiten. Das war schon ein Kulturschock. „Ich wurde ins kalte Wasser geworfen.“

Der Straßenwärter war zwar gewerkschaftlich aktiv gewesen, kannte sich aber im Politikbetrieb nicht aus. Er hatte keine Praktika bei Politikern absolviert, brachte auch keine Netzwerke von den Jusos, der SPD-Jugendorganisation, mit. Spitzengenossen wie Kurt Beck begegnete er mit Ehrfurcht, er siezte Beck oder den damaligen Fraktionschef Hendrik Hering noch. Doch das gewöhnten Beck und Co. dem jungen Abgeordneten rasch ab. Schon gleich am Anfang der Legislaturperiode durfte der 22-Jährige seine erste Rede im Landtag halten, worüber er heute froh ist. „Hendrik Hering rief an und bat mich, über den Koalitionsvertrag aus Sicht eines Jugendlichen zu sprechen.“ Ob Oster an Plenarsitzungstagen eine Rede hält, kann man übrigens leicht erkennen: Dann nämlich trägt er Krawatte.

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„Brauchen auch Maurer und Dachdecker“

Oster, dessen Vater bereits beim LBM war, geht selbstbewusst damit um, dass er einen Hauptschulabschluss hat. Er hält es für ein gesellschaftliches Problem, dass manche Eltern ihr Kind auf Biegen und Brechen zum Abitur bringen wollten. „Ich will gar nicht die Akademiker verunglimpfen, aber wir brauchen auch Maurer und Dachdecker“, weiß er. Kurt Beck, großes Vorbild des SPD-Abgeordneten, war Sohn eines Maurers und gelernter Elektromechaniker. Beck besuchte eine Abendschule und erlangte auf dem zweiten Bildungsweg die Mittlere Reife. Solche Biografien sind in der SPD selten geworden.

Der Abgeordnete aus der Eifel ist einer der Wenigen, die noch richtigen sozialdemokratischen Stallgeruch haben. Es gibt diesen Spruch, der mittlerweile auf viele Berufspolitiker zutrifft, den viele aber nicht gerne hören: „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal.“ Oster sagt: „Ich liebe diesen Spruch. Ich bin der Meinung, viele meiner Kollegen sollten mal gearbeitet haben.“ Politiker sollten wissen, worüber sie reden. Als Beispiel nennt er den Mindestlohn von 8,50 Euro.

Oster, der aus Binninigen stammt, einen Katzensprung vom Nürburgring entfernt, trat 2009 in die SPD ein. 2009 war kein Glanzjahr für die Sozialdemokraten im Bund, sie holten bei der Bundestagswahl nur 23 Prozent der Stimmen. Ist Oster damals aus Trotz in die SPD eingetreten? Er verneint. Damals sei es um die mögliche Privatisierung von Landesbetrieben gegangen.

Klar, dass der 28-Jährige in der Landtagsfraktion als verkehrspolitischer Sprecher so etwas wie der Straßenbau-Papst ist. Die Kollegen berichten, Oster habe bei den Haushaltsberatungen mehr oder minder jedes einzelne Straßenprojekt mit dem Verkehrsministerium besprochen. Frage an den Experten: 120 Millionen Euro für Straßenbau im Jahr, bei einem Investitionsstau von fast einer Milliarde Euro, ist das nicht ein Tropfen auf den heißen Stein? Das sieht der SPD-Politiker nicht so, er betont, dass man auch die entsprechenden Kapazitäten haben müsse, um das umzusetzen. Wie passt das zusammen mit dem geplanten Stellenabbau beim Landesbetrieb Mobilität – 180 Stellen bis zum Jahr 2020? Oster antwortet, man müsse unterscheiden zwischen Ingenieuren, Verwaltung und Betriebsdienst. „Im Betriebsdienst ist das Einsparpotenzial erreicht.“

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Es ist nicht selbstverständlich, dass Oster im vergangenen Jahr wieder in den Landtag einzog. Denn er war nur B-Kandidat von Heike Raab, der Staatssekretärin. Hätte es die SPD nicht in die Regierung geschafft, wäre die parlamentarische Laufbahn erst einmal zu Ende gewesen. So ganz kann er seinen beruflichen Hintergrund auch heute nicht verbergen – er hat sich jetzt für sein Quad, das vierrädrige Motorrad, eine Schneeschaufel besorgt. Gelernt ist schließlich gelernt.

Von Markus Lachmann