Fluglärm führt zu hohem Blutdruck

Bürger, die in An- und Abflugschneisen von Flughäfen leben, leiden unter dem Lärm. Der Schlaf ist oft schlechter, der Blutdruck höher und Kinder entwickeln sich langsamer, so Untersuchungen.Foto: dpa  Foto: dpa
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Bei Lärmgegnern knallten nicht die Sektkorken, als der Bundestag im Jahr 2007 das neue Fluglärmgesetz verabschiedete. Von einer „Lex Fraport“, einem auf den Frankfurter...

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FRANKFURT. Bei Lärmgegnern knallten nicht die Sektkorken, als der Bundestag im Jahr 2007 das neue Fluglärmgesetz verabschiedete. Von einer „Lex Fraport“, einem auf den Frankfurter Flughafenbetreiber zugeschnittenen Gesetz, war die Rede. Durch den „Fluglärmbericht 2017“ des Umweltbundesamts (UBA) dürften sich die Kritiker nun bestätigt fühlen.

Die Behörde hatte seinerzeit den Auftrag erhalten, nach zehn Jahren Zwischenbilanz zu ziehen, neudeutsch Evaluation. Was die Mitarbeiter des UBA auf rund 100 Seiten formuliert haben, ist wenig schmeichelhaft für die Volksvertreter. Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm setzt nämlich nicht das um, was es vorgibt – die Menschen vor übermäßigem Fluglärm zu schützen. Denn es geht nicht aktiv an die Quelle, die Flugzeuge und Flüge, sondern definiert Schutzzonen anhand bestimmter Dauerschallpegel.

Anwohner haben Anspruch auf Schallschutzfenster

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Wer in einer solchen Schutzzone lebt, hat Anspruch darauf, dass der Flughafenbetreiber Schallschutzfenster, Dachisolierung und Lüfter in Schlafzimmern erstattet. Waren jedoch damals 800 Millionen Euro als Kosten prognostiziert worden, so sind bislang nur 18,3 Millionen Euro aufgrund dieses Gesetzes geflossen.

Das Umweltbundesamt fordert nun, das Fluglärmgesetz zu überarbeiten – oder sogar komplett einer Revision zu unterziehen. So schlägt es vor, die Grenzwerte stark abzusenken. Dabei verweist es auf die Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung. Die wissenschaftlichen Untersuchungen der vergangenen Jahre bestätigten, dass Menschen, die stärker durch Fluglärm belastet sind, höhere Blutdruckwerte aufweisen als diejenigen, die in ruhigeren Wohngebieten leben. Das Risiko zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei ab einem Dauerschallpegel von 50 Dezibel „signifikant erhöht“. Auch nächtliche Einzelpegel wirkten sich auf die Gesundheit aus. Anfang der 2000er Jahre gingen die Wissenschaftler noch davon aus, dass das Risiko ab einem Dauerschallpegel von 65 Dezibel am Tag und 55 Dezibel in der Nacht steige.

Die Menschen fühlen sich stärker belastet als früher

Weitere Erkenntnisse aus der Lärmwirkungsforschung: Die Menschen fühlen sich heute bei gleicher akustischer Belastung stärker durch Fluglärm belastet als noch vor zehn oder 15 Jahren. Das könnte mit der Zunahme der Flugbewegungen zusammenhängen. Nächtliche Belastungen sind laut der Forschung besonders gravierend. Die Randstunden bedürften deshalb besonderen Schutzes. Dies gelte insbesondere für den Zeitraum von 21 bis 22 Uhr sowie von 5 bis 7 Uhr am Morgen. So hat beispielsweise die Norah-Studie den Zusammenhang zwischen Fluglärm und Schlafstruktur im Rhein-Main-Gebiet untersucht. Demnach hat das Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr zu positiven Effekten geführt, die Menschen schlafen schlicht besser durch. Da es aber ab spätestens 5 Uhr wieder laut wird, gilt dies vor allem für Personen, die zwischen 22 und 22.30 Uhr ins Bett gehen und zwischen 6 und 6.30 Uhr aufstehen. „Die Ergebnisse der Studien belegen die zentrale Bedeutung der Berücksichtigung von Einzelschallereignissen während des Nachtzeitraums für einen umfassenden Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm.“ Das UBA empfiehlt deshalb dem Gesetzgeber, sich das Konzept in Leipzig genauer anzuschauen, das stärker auf die Lärmwirkung abhebt. Zudem fordert es Lärmkontingente und ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr.

Chronischer Fluglärm wirke sich auch negativ auf die kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus. Insbesondere der Erwerb der Lesekompetenz könne verzögert werden. Als neuer Risikofaktor seien psychische Störungen hinzugekommen. Hier dürfte es weitere Forschungsansätze geben.

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Von Markus Lachmann