Brennpunkt Kita: „Erzieherinnen sind am Limit“

Jana Beißert Foto: Beißert

Die Erzieherinnen in den Kitas arbeiten am Limit. Doch die erhoffte Entlastung durch die Landesregierung bleibt aus. Wir sprachen dazu mit Jana Beißert von Verdi Rheinland-Pfalz.

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MAINZ. Die Erzieherinnen in den Kitas arbeiten am Limit. Doch die erhoffte Entlastung durch die Landesregierung bleibt aus. Wir sprachen darüber mit Jana Beißert von Verdi Rheinland-Pfalz.

Jana Beißert Foto: Beißert
Knochenjob: Die Anforderungen an Kita-Kräfte sind gewachsen. Doch die erhoffte Entlastung durch die Politik bleibt aus. Archivfoto: dpa

Frau Beißert, die Kita-Gesetzesnovelle der Landesregierung liegt seit Sommer im Entwurf auf dem Tisch. Wie ist die Stimmung in den Kitas?

Die Kita-Leiterinnen und die Beschäftigten, mit denen wir gesprochen haben, sind über den Gesetzentwurf empört, haben Frust.

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Woher rührt der Frust der Mitarbeiter?

Auch die Kitas unterliegen dem gesellschaftlichen Wandel. Früher waren sie familienergänzend, heute sind sie für viele Kinder praktisch die Familie. Es wird immer mehr von den Familien in die Kitas verlagert. Vor 20 Jahren konnten sich Kinder, die in die Kita kamen, gut verständigen, mit Messer und Gabel essen, sich alleine an- und ausziehen und mussten mit drei Jahren sauber sein. Das hat sich geändert. Es sind Nuancen, die aber unheimlichen Mehraufwand bedeuten. Eine Kita ist heute Bildungsinstitution. Die Anforderungen von den Eltern, den Trägern und auch den Grundschulen sind enorm gestiegen. Erst kam der Rechtsanspruch für die Zweijährigen, dann für die Einjährigen hinzu, was im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ja auch gewollt ist. Zwar gab es für die Betreuung der Zweijährigen eine Personalaufstockung, doch die reichte nicht aus. Der Frust der Erzieherinnen rührt da her, dass das Kita-Gesetz seit 1991 festgeschrieben ist und sich seitdem nicht viel verändert hat. Sie hatten gehofft, dass sich die Bedingungen mit der Kita-Novelle verbessern. Doch das ist nicht eingetreten.

Laut Landesregierung soll es aber doch besser werden: 62 Millionen Euro pro Jahr mehr für Personal, mehr Freiräume zum Ausbilden und für Leitungsfunktionen, mehr Geld für Sprachförderung, Sozialarbeit und Inklusion. Auch sei der Betreuungsschlüssel vergleichsweise gut.

Wenn Sie die 62 Millionen Euro auf die zirka 2500 Kitas in Rheinland-Pfalz umrechnen, dann ist das gerade eine halbe Stelle pro Kita. Es stimmt, im bundesweiten Vergleich steht Rheinland-Pfalz nicht unbedingt schlecht da. Doch das heißt ja noch lange nicht, dass die Zahlen bundesweit ausreichend sind. Die schlechten Rahmenbedingungen sind einfach gesetzt. Bei den Kita-Leitungen soll es im Gesetz nun einen Sockel von fünf Stunden pro Kita geben, plus noch etwas oben drauf. Das bedeutet für Kitas, die hier schon gut aufgestellt waren, eine Verschlechterung, für andere eine Verbesserung. Es wird also nivelliert. Auch muss man mal in die Praxis schauen: Wann macht denn eine Kita-Leiterin ihre Arbeit? Das macht sie doch auf Kosten der anderen Kollegen, die bei den Kindern bleiben. Die Erzieherinnen sind wirklich am Limit. Viele werden krank. Viele arbeiten zudem Teilzeit, weil sie ja selbst Mütter sind. Da schließt sich dieser Kreis.

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Was sind Ihre Forderungen?

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, und zwar von klein auf. Wenn Kita eine Bildungsinstitution ist, dann muss dafür auch der Rahmen geschaffen werden. Wir fordern eine angemessene Fachkraft-Kind-Relation. Das muss sich im zweiten Entwurf der Kita-Novelle verbessern.

Mit der Novelle soll die durchgängige siebenstündige Betreuung samt Mittagessen garantiert werden. Kritiker sagen, dadurch werden Kosten auf die Kommunen verlagert, die mögliche bauliche Erweiterungen zu finanzieren haben. Ihre Meinung?

Grundsätzlich begrüßen wir, dass Eltern eine Planungssicherheit haben. Man kann aber nicht diesen Rechtsanspruch auf sieben Stunden in einem Gesetz formulieren, wenn die Bedingungen noch nicht geschaffen sind. Das bringt viele auf die Palme. Das hat mit Wertschätzung nichts zu tun, da fühlen sich viele Kita-Beschäftigte veralbert. Sie sagen, wir sind schon am Limit, jetzt kommt noch etwas oben drauf. Besser wäre es gewesen, zu erklären, wir schaffen die Bedingungen, damit die siebenstündige Betreuung möglich werden kann.

Was jetzt kommt, wird quasi übergestülpt. Kommt der Rechtsanspruch, werden die Eltern diesen auch einfordern. Doch wie sollen das die Kitas vom Dienstplan und der Küche her schaffen? Auch haben die Kinder nach dem Essen Bedürfnisse, werden müde, müssen schlafen gelegt werden. Da ist der Platz dann nicht da. Wir warnen auch davor, Räume aufzugeben und dann umzuräumen. Die Bedarfe müssen im Vorfeld so gestaltet werden, dass es auch abgedeckt werden kann. Räumlich, materiell und personell.

Das Interview führte Markus Lachmann.