Anders als die anderen

Parteichef Uwe Junge (rechts) gratuliert dem Mainzer Sebastian Münzenmaier, der sich als Spitzenkandidat durchsetzte.Foto: Harald Kaster  Foto: Harald Kaster

Zwei Tage Wahlen und Bewerbungen für den Bundestag. Das bedeutet auch zwei Tage lang Grundsatzreden. Viele von denen, die für die AfD die Deutschen repräsentieren wollen,...

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BINGEN. Zwei Tage Wahlen und Bewerbungen für den Bundestag. Das bedeutet auch zwei Tage lang Grundsatzreden. Viele von denen, die für die AfD die Deutschen repräsentieren wollen, sprechen von den „Altparteien“ oder von den „etablierten Parteien“. Das ist nicht nur ein Hinweis darauf, dass die „Alternative für Deutschland“ gerade mal vier Jahre alt ist. Die Alternativen wollen anders als die anderen sein.

Bestätigt werden sie in diesem Anspruch durch die Gegendemonstranten, die sich vor dem Rheintal-Kongress-Zentrum versammeln. Morgens um 10 Uhr sind es SPD, Grüne, Linke und Gewerkschaften. Gegen Mittag kommt ein Dutzend schwarz gekleideter, junger Menschen zum Demonstrieren – kurz vor 16 Uhr kehren sie mit Verstärkung sowie Bannern der Linksjugend zurück. Über den ganzen Tag verteilt sind es gut 100 Gegendemonstranten in Bingen.

Drinnen verzögern sich Parteitag und Wahlversammlung. Schon die Registrierung der Stimmberechtigten schiebt den Beginn um eine Dreiviertelstunde nach hinten. Die Formalien vor der eigentlichen Wahl dauern über zwei Stunden. Das müsse sein, erklärt Parteitagsvorstand Krzysztof Walczak, um sich vor möglichen Anfechtungen zu schützen.

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Anders als die meisten anderen Parteien stellt das Präsidium kein fertiges Wahlverfahren zur Abstimmung. So muss einzeln diskutiert und abgestimmt werden über Fragen wie: Wie lange soll ein Bewerber reden? Wie viele Fragen darf die Versammlung ihm stellen? Und wie lange darf er darauf antworten? Da viele Besucher meinungsfreudig sind, zieht sich das Vorgeplänkel entsprechend hin.

„Der Junge will sie halt nicht“

Als es dann nach dem Mittagessen zur Wahl des Spitzenkandidaten kommt, werden zuerst zwölf Bewerber vorgeschlagen. Einige ziehen zurück, sodass am Ende sieben Kandidaten tatsächlich antreten. Anders als bei den anderen Parteien gibt es keine von den Kreisverbänden geschickten Delegierten. Wer als stimmberechtigtes Mitglied nach Bingen kommt, darf auch abstimmen. Es sind rund 450 Stimmberechtigte.

Im Vorfeld wurden zwei Frauen als Favoriten für die Spitzenkandidatur gehandelt: Christiane Christen ist selbstständige Designerin und Vize-Chefin der Landes-AfD. Aber: „... der Junge will sie halt nicht“, sagen die Mitglieder im Foyer. Gemeint ist Uwe Junge, Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD.

Junge unterstützte stattdessen Nicole Höchst, Staatsbedienstete im Pädagogischen Landesinstitut in Speyer, berichtete die Rheinpfalz im Vorfeld. Am Ende wird es keine der beiden Frauen. Sondern Sebastian Münzenmaier. Der ist Vorsitzender der lokalen Partei in Mainz, 27 Jahre alt und arbeitet als Fraktionsgeschäftsführer im Landtag. Ein Karriereprofil, wie es bei den „Altparteien“ durchaus üblich ist.

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Auf ihrem letzten Landes-Parteitag, auch in Bingen, hat sich die AfD selbst Regeln auferlegt, um radikale Kandidaten zu verhindern: In Folge dessen sollen die Bewerber ein polizeiliches Führungszeugnis mit ans Mikrophon bringen, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und zudem sagen, in welcher Partei sie gegebenenfalls vorher gewesen sind. Bei Sebastian Münzenmaier ist es „Die Freiheit“, zu der er einst gehört hat. Als der 27-Jährige das sagt, geht ein Raunen durch den Saal. Die Partei wurde in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet.

„Verabschiedungs- statt Willkommenskultur“

Er hält eine Rede, die zwar moderat im Ton, aber hart in ihren Aussagen ist: „Wir müssen die Willkommenskultur durch eine Verabschiedungskultur ersetzen“, sagt Münzenmaier etwa. Fundamentalistischen Islam-Anhängern wolle er das Leben so schwer machen, „dass sie sich hier nicht wohlfühlen werden“. Der Zuzug von Flüchtlingen und der Umgang mit dem Islam sind ohnehin die beiden Themen, die kein Bewerber in seiner Rede auslässt.

Münzenmaiers Sieg fällt deutlich aus: 224 Stimmen bedeuten die absolute Mehrheit und damit schon einen Sieg im ersten Wahlgang. Höchst holt 109, Christen 82 Stimmen. Höchst wird später auf Listenplatz vier gewählt, auf zwei und drei landen Heiko Wildberg (Südpfalz) und Andreas Bleck (Neuwied).

Von Mario Thurnes