Eine Corona-Impfung in Hessen kostet bis zu 868 Euro

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Vorbereitete Spritzen für die Corona-Impfung. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild
© Martin Schutt/dpa-Zentralbild

Die kleinen Impfstationen in den Kommunen kosten monatlich Millionen von Euro. Weil dort aber nur noch wenig geimpft wird, ist umstritten, wie lange es sie noch geben soll.

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HESSEN. Rund 13,7 Millionen Corona-Schutzimpfungen wurden laut RKI-Statistik bislang in Hessen verabreicht. Ein großer Teil davon sicher in den großen Impfzentren, die zum Start der Impfkampagne geöffnet wurden, und später in den kleineren Impfstationen der Kommunen. Die sind aber umstritten: Während die einen auch bei dem aktuell geringen Andrang daran festhalten wollen und die nächste Booster-Welle im Herbst heranrollen sehen, kritisieren andere die hohen Kosten und sehen Steuergeld verschwendet. Aber was kostet die Aufrechterhaltung der Impf-Infrastruktur in Hessen tatsächlich?

Gesamtkosten

Insgesamt 43 Impfstellen werden seit der Aufgabe der großen Impfzentren Ende September 2021 derzeit von den Kommunen hessenweit betrieben. Dabei gilt: Die Kosten für die Impfstellen teilen sich Bund und Land, der Bund zahlt den Impfstoff. In allen hessischen Impfstellen zusammen wurden im ersten Quartal des Jahres durchschnittlich 7382 Menschen pro Tag gegen das Corona-Virus geimpft. Im zweiten Quartal des Jahres wurden allerdings hessenweit nur noch 808 Impfungen täglich verabreicht. Für die ersten sechs Monate – zwischen Oktober 2021 und Ende März 2022 – wurden nach Angaben des Sozialministeriums von den Kommunen insgesamt 91 Millionen Euro für den Betrieb der Impfstellen beim Land abgerechnet. Pro Monat kosten die Impfstellen demnach etwa 15,1 Millionen Euro.

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Spitzenreiter

Aber natürlich gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Angeboten, etwa hinsichtlich Auslastung und Kosten. Ein kurzer Blick in die Städte und Kreise: Kosten-Spitzenreiter ist selbstverständlich Hessens größte Stadt Frankfurt. Der Betrieb des Impfzentrums Süd sowie der drei mobilen Impfteams schlägt monatlich mit insgesamt 2,2 Millionen Euro zu Buche. Zwischen Januar und Juli wurden dort insgesamt 80.284 Impfungen verabreicht, also rund 13.300 Spritzen monatlich. Die Zeit der Warteschlangen vor den Impfstellen ist aber schon lange vorbei. So wurde in Frankfurt im Juli lediglich noch 2533 Mal geimpft. Umgerechnet auf die Gesamtkosten sind das 868 Euro pro Spritze. Im Juni (2036 Impfungen) und Mai (1937 Impfungen) sehen die Rechnungen nicht besser aus.

Anja Prechel vom Frankfurter Gesundheitsamt betont: „Die Impfstelle und die mobilen Impfteams aufrechtzuerhalten, ist eine Vorgabe des Landes. Zudem dient der Betrieb der Vorbereitung auf den kommenden Herbst und Winter – mit den bestehenden Strukturen ist das Gesundheitsamt in der Lage, schnell reagieren zu können.“ Von null wieder hochzufahren wäre deutlich aufwendiger, als einen Grundstock mit personeller Minimalbesetzung vorzuhalten.

Hohe Personalkosten

In der Nachbarstadt Offenbach fällt die Rechnung deutlich geringer aus, hier schwanken die Betriebskosten für die Impfstation zwischen 146.000 Euro (Juli) und 670.000 Euro (Januar). Weil auch die Impfzahlen stark variieren – im Januar waren es 8406 Impfungen, im Juli nur noch 661 Impfungen – unterscheiden sich hier auch die Abrechnungen der einzelnen Impfung von 79 Euro bis 220 Euro pro Spritze. Pressesprecherin Isabel Ahrens erläutert: „Offenbach richtet die Besetzung der Impfstation an der aktuellen Nachfrage aus. Dadurch sind die Betriebskosten in Phasen großer Nachfrage auch wesentlich höher als in Phasen mit geringer Nachfrage, weil dann beispielsweise mehr Personal eingesetzt wird.“ Zu den Fixkosten der Impfstation gehören die monatliche Miete sowie Reinigungskosten. „Alle Kosten darüber hinaus sind variabel, beispielsweise Betriebskosten, Büromaterial und Öffentlichkeitsarbeit.“

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Vor allem Personalkosten schlagen in den Impfstellen der Kommunen zu Buche. So hat beispielsweise der Betrieb der beiden Impfstellen in Darmstadt und Dieburg im Mai insgesamt 200.000 Euro gekostet. Davon sind nach Angaben von Stadtsprecher Klaus Honold etwa 170.000 Euro auf Personalkosten angefallen, 10.000 Euro für Gebäudemiete, 8000 Euro Betriebskosten und 8000 Euro für sonstige Aufwendungen. Honold betont: „Die monatlichen Kosten unterliegen aber teils starken Schwankungen, sodass einzelne Monate auch deutlich über dem Mai-Wert liegen, bis hin etwa zum zehnfachen.“

Monatlich wurden in den Monaten April, Mai, Juni und Juli durchschnittlich 805 Impfungen in den beiden Impfstellen gesetzt. Während es im April noch 1401 Impfungen waren, sind es im Juli lediglich noch 688 gewesen. Im Mai – hier wurden 505 Impfungen verabreicht – ergibt sich aus dieser Rechnung eine Summe pro Impfung von 396 Euro.

Andere Kommunen

Der Landkreis Gießen betreibt drei Impfstellen sowie einen Impfbus und weitere mobile Impfangebote. Monatlich rechnet der Landkreis dafür rund 960.000 Euro ab, wobei hier kaum Miete anfällt, da dem Landkreis nach Angaben von Sprecherin Jessica Ruis die Räumlichkeiten nahezu kostenlos zur Verfügung gestellt werden und lediglich die Nebenkosten getragen werden müssen. Im Juli wurden im Landkreis insgesamt 2011 Impfungen verabreicht – das macht dann 477 Euro pro Spritze.

In der Landeshauptstadt Wiesbaden wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres insgesamt 34.749 Corona-Impfungen in den beiden Impfstationen durchgeführt. Der Betrieb der beiden Wiesbadener Impfstellen hat im Juni 154.456 Euro gekostet – bei etwa 440 Impfungen. 351 Euro pro Spritze. Die monatlichen Betriebskosten seien aber „stark abhängig von der jeweiligen Auslastung, da auf Basis kontinuierlicher aufmerksamer Analyse die Kapazitäten dem aktuellen Bedarf stetig angepasst werden“, erläutert die Stadtpressestelle.

Streit um Weiterbetrieb

Der Deutsche Hausärzteverband hat sich angesichts der hohen Kosten und niedrigen Auslastung dafür ausgesprochen, die Impfstellen vorübergehend zu schließen und erst im Herbst wieder zu öffnen. Beim niedergelassenen Mediziner wird die Corona-Impfung mit 20 Euro abgerechnet. Die politische Linie in Hessen ist aber klar eine andere. Man will auf eine neue Impfwelle vorbereitet sein und ein niedrigschwelliges Angebot vorhalten: Die Impfangebote sollen mindestens bis Ende des Jahres vorgehalten werden. „Da gegenwärtig eine größere Impfkampagne für den Herbst wahrscheinlich ist, werden die Impfstellen in reduzierter Form aufrecht erhalten. Bei Bedarf können so die Kapazitäten schnell gesteigert werden. In Anbetracht der bisherigen Erfahrungen hält die Landesregierung diese Vorgehensweise für infektiologisch geboten“, erklärt Sozialminister Kai Klose (Grüne). Für die Kommunen sei vom Land neben der „Anpassung an die Bedarfslage“ auch die „Einhaltung der Wirtschaftlichkeit“ als Grundvoraussetzung für alle Maßnahmen festgelegt.