Der Verteidiger des wegen Beihilfe angeklagten Markus H. sieht in seinem Schlussplädoyer keine Schuld seines Mandanten am Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
FRANKFURT. Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist der Rechtsextremist Markus H. bislang ein weitgehend unbeschriebenes Blatt geblieben. Er soll Beihilfe zum Mord geleistet haben, sagt die Anklage, die in dessen einstigem Kameraden Stephan Ernst den Haupttäter sieht. Markus H. sei sogar Mittäter, sagt darüber hinaus die Nebenklage, die die Familie Lübcke vertritt. Markus H. sagt indessen gar nichts. Er hat eisern geschwiegen und grinsend zugehört, wenn sich Stephan Ernst mal wieder in seinem Geflecht an Lügen heillos verrannte.
Markus H. hat von seinem Recht Gebrauch gemacht und nur seine Anwälte sprechen lassen – vor allem Björn Clemens, der wie Markus H. dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist. Und der in dem Prozess gegen seinen Mandanten ein politisches Spektakel mutmaßt, hoch geschaukelt von Medien, die Markus H. längst als „schuldig“ abgestempelt haben.
Schon lange aus der U-Haft entlassen
Die Chancen von Björn Clemens, in diesem Verfahren einiges für Markus H. heraus zu holen, stehen nicht schlecht. Zwar hat die Bundesanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord neun Jahre und acht Monate gefordert. Aber der Staatsschutzsenat, vor dem seit 16. Juni verhandelt wird, hat ihn schon lange schon aus der Untersuchungshaft entlassen. Heißt das also, dass Markus H. am Donnerstag, wenn der Senat voraussichtlich sein Urteil verkündet, freigesprochen wird? Clemens erwartet das. Freispruch, lautet seine Forderung. Freispruch und dazu Haftentschädigung für die Monate, in denen Markus H. unschuldig hinter Gittern gesessen habe.
Stephan Ernst hat sich dazu bekannt, in der Nacht zum 2. Juni 2019 den Todesschuss abgegeben zu haben, als er in Wolfhagen-Istha auf der Terrasse des Regierungspräsidenten stand. Und er hat Reue gezeigt.
Von Markus H. sei keine Reue zu erwarten, sagt Clemens. Denn sein Mandant habe sich nichts vorzuwerfen. Er habe Ernst nicht radikalisiert, wie ihm nachgesagt wird. Auch sei es nicht Markus H., sondern Ernst, in dem der Fremdenhass „tief verwurzelt“ sei. Und der sich nicht einmal durch eine langjährige Haftstrafe habe beeindrucken lassen, zu der er in den 90er Jahren verurteilt worden war, weil er aus Fremdenhass einen Imam im Wiesbadener Hauptbahnhof niedergestochen hatte.
Andere für seine Fehler verantwortlich gemacht
Ernst selbst hat ausgesagt, er habe den Kasseler Regierungspräsidenten seit einer Bürgerversammlung in Lohfelden bei Kassel im Visier gehabt. Das war im Oktober 2015. Walter Lübcke hatte damals die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung verteidigt. Clemens sagt, sein Mandant habe nicht damit rechnen können, dass sich Ernst auch noch dreieinhalb Jahre nach dieser Bürgerversammlung darüber so erregen konnte, dass er schließlich auf Walter Lübcke schoss.
Stephan Ernst und Markus H.: Das waren mal zwei rechte Kameraden. Das ist Vergangenheit. Heute arbeitet Björn Clemens heraus, dass sich sein Mandant seit Jahren nichts mehr habe zuschulden kommen lassen. Während Stephan Ernst, der doch eigentlich als abgekühlter Rechtsextremist galt, immer wieder die Nähe zu Neonazis gesucht habe. Der Anwalt wiederholt nochmals die Aussage von Ernst, mit der er begründet hat, warum er das Attentat auf Lübcke ausgerechnet an dem Tag geplant hatte, als in Wolfhagen-Istha die Kirmes stattfand. Ernst habe gewollt, „dass der Terror zu den Leuten kommt“.
Der Hauptangeklagte sei einer, der im Leben ständig gescheitert war. Zu seinem Muster gehöre es, für seine Fehler andere verantwortlich zu machen: Seinen Vater für den Fremdenhass, den er in sich trägt. Seine jeweiligen Anwälte, die er entlassen hat, für seine falschen Geständnisse. Und schließlich Markus H. dafür, dass der ihn angeblich radikalisiert habe. In einer Stellungnahme des Sprechers der Familie Lübcke hieß es nach dem Verhandlungstag, das Plädoyer sei im Stil unangemessen und in der Sache fehlerhaft gewesen. „Und es ist bedrückend, solche Schlussvorträge bei einem Angeklagten erleben zu müssen, der seit dem 16. Juni 2020 nichts, aber auch gar nichts zur Wahrheitsfindung beigetragen hat und zudem danach trachtet, die Hinterbliebenen und andere Prozessbeteiligte durch sein unanständig grinsendes Verhalten im Gericht auch noch zu provozieren.“
Von Christoph Cuntz