Gastkommentar von Nico Lumma zu Corona: Das Land wird digital
„Mögest Du in interessanten Zeiten Leben!“ ist ein chinesisches Sprichwort, das manche auch als Fluch auslegen. Wir leben gerade in sehr interessanten Zeiten, denn durch...
. „Mögest Du in interessanten Zeiten Leben!“ ist ein chinesisches Sprichwort, das manche auch als Fluch auslegen. Wir leben gerade in sehr interessanten Zeiten, denn durch das Coronavirus verändert sich gerade die Art und Weise, wie wir leben. Wir halten Abstand zu anderen Leuten, wer kann, arbeitet von Zuhause aus, anstatt Essen zu gehen, lassen wir liefern. Dabei ist das Interessante, dass auf einmal das Digitale zum Herzstück unseres täglichen Lebens wird und das, obwohl wir in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel zu wenig unternommen haben, um die Digitalisierung voranzutreiben. Plötzlich aber haben wir keine andere Wahl, als das Digitale zu nutzen, und wir tun es einfach. Die Schulen sorgen für digitale Lehrmaterialien, damit sie ihrem Auftrag nachkommen können, Einzelhändler stellen auf Online-Bestellungen und Lieferungen am selben Tag um, damit der Umsatz nicht komplett einbricht und Restaurants sind plötzlich auch in der Lage, online Bestellungen entgegenzunehmen und zu liefern. In vielen Unternehmen werden in diesen Tagen endlich die Vorkehrungen geschaffen, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Zuhause aus arbeiten können.
Es ist traurig, dass eine so große Krise kommen musste, damit wir endlich das Digitale umarmen und für uns nutzen. Natürlich sehen wir jetzt, welche Defizite es im Land gibt, die schon längst hätten gelöst werden müssen. Über flächendeckendes Breitband reden wir in Deutschland schon sehr lange, aber es geht immer noch viel zu schleppend voran. Die Schulen haben lieber darüber nachgedacht, wie man den Smartphone-Einsatz im Unterricht verbieten kann, anstatt sich zu überlegen, wie man digitale Lehrmethoden smart in den Unterricht integrieren kann. Offensichtlich wird auch jetzt für alle, wie anachronistisch und gleichzeitig gefährlich unsere Präsenzkultur in Firmen ist, bei der sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lieber an den Arbeitsplatz schleppen, anstatt daheim zu bleiben. Dabei fällt auch vielen Unternehmen jetzt erst auf, dass sie ihre Prozesse eben immer noch nicht digitalisiert haben und umständliche Schleifen mit Papier gedreht werden müssen, die eigentlich längst überflüssig sein sollten. Plötzlich wird auch allen klar, dass es unsinnig ist, kranke Menschen in die Arztpraxis zu schicken, nur um sich eine Krankschreibung abzuholen, sondern dass es sehr pfiffig wäre, wenn man Online-Sprechstunden mit seinen Ärzten haben könnte. All das ging irgendwie die letzten zwei Jahrzehnte nicht, weil wir uns als Gesellschaft nicht verändern wollten, sondern alles irgendwie lief und man dachte, es ginge immer so weiter.
Jetzt aber leben wir in interessanten Zeiten und jetzt müssen wir agiler werden und handeln endlich. Glücklicherweise verfügt das Land über genügend finanzielle Ressourcen und über genügend schlaue Leute, um jetzt auch zügig neue Wege gehen zu können. Corona wird eine harte Belastung für viele Menschen, aber Corona sorgt für neue Innovationsimpulse, die dafür sorgen werden, dass sich unsere Gesellschaft nachhaltig verändert. Wir werden auch in Zukunft viele berufliche Termine über Videokonferenzen abbilden, wir werden viel mehr Home Office machen, weil es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Flexibilität im Arbeitsalltag ermöglicht und wir werden hoffentlich die Schule endlich ins 21. Jahrhundert geholt haben. Mir wäre es lieber, wir hätten dafür Corona nicht gebraucht.
Von Nico Lumma