Hessisches Innenministerium verlangt, dass Mitarbeiter von geförderten Präventions-Projekten vom Verfassungsschutz überprüft werden können
Von Christoph Cuntz
Redakteur Politik
Extremismus-Prävention wird bundesweit mit Steuergeldern gefördert, wie hier in Bayern. Foto: dpa
( Foto: dpa)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
WIESBADEN - Wer mit öffentlichen Mitteln geförderte Extremismus-Prävention anbietet, sieht sich neuerdings im schwarz-grün regierten Hessen einem Generalverdacht ausgesetzt: Das Innenministerium hat die Träger solcher Projekte aufgefordert, von ihren Mitarbeitern ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu verlangen. Mehr noch: Neu eingestellte Mitarbeiter müssen eine Überprüfung durch den Verfassungsschutz über sich ergehen lassen. Projektträger, die das nicht unterschreiben, bekommen kein Geld vom Land.
Unter den Betroffenen ist die Entrüstung groß. Für Innenminister Peter Beuth (CDU) indes sind die neuen Bedingungen, die an die Förderung geknüpft werden, eine überfällige Konsequenz. In schlechter Erinnerung ist noch der Deutsch-Islamische Vereinsverband. Der hatte mehrere hunderttausend Euro erhalten: Sein Programm, mit dem im Rhein-Main-Gebiet muslimische Jugendliche deradikalisiert werden sollten, war mit Stuergeld gefördert worden. Man hatte den Bock zum Gärtner gemacht: Unter dem Dach des Verbandes residierten auch islamistische Organisationen.
Dessen ungeachtet nennt die Bildungsstätte Anne Frank die neuerdings vom Innenministerium geforderten Sicherheitsüberprüfungen einen „deutlichen Vertrauensbruch“. Die Bildungsstätte betreibt eine – auch mit Landesmitteln geförderte – Beratungsstelle für Opfer rassistischer Gewalt. „Ein massiver Eingriff in die Autonomie der freien Träger“, nennt Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte, die neue Klausel im Förderbescheid.
DAS GESETZ
Mit dem „Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen“ will das Innenministerium den Verfassungsschutz reformieren. Es wird nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet: Im Februar soll es dazu eine Anhörung geben.
Und Benedikt Widmaier, Direktor der in Heppenheim residierenden Akademie für politische und soziale Bildung der Diözese Mainz, spricht von „offen zelebriertem Misstrauen“. Mit 200 000 Euro wird dort ein Angebot gefördert, das sich an Lehrer und Sozialarbeiter, an Jugendliche und jugendliche Flüchtlinge richtet: Sie sollen für die Demokratie gewonnen und gegen extremistisches Gedankengut immunisiert werden. Und jetzt plötzlich soll es eine Zuverlässigkeitsüberprüfung für Pädagogen geben, die in der Bildungsarbeit tätig sind? „Komplett überzogen“, sagt Widmaier. Dafür gebe es nicht einmal eine gesetzliche Grundlage. „Rechtlich nicht tragbar“: So schließlich auch die Einschätzung des Bundesverbandes Mobile Beratung, der „mit großer Verwunderung“ festgestellt hat, dass Hessens Innenminister die „vertrauensvolle Basis der Zusammenarbeit einseitig aufkündigt“.
Innenministerium sucht das Gespräch
Das Innenministerium freilich verweist auf das Datenschutzgesetz, nach dem personenbezogene Daten dann weitergegeben werden dürfen, wenn der Betroffene seine schriftliche Einwilligung gegeben hat. Im Übrigen werde man erneut das Gespräch mit den Projektträgern suchen, „um Missverständnisse auszuräumen und eine Lösung zu finden“.
Diese Wortwendung ist identisch mit dem Satz, den Jürgen Frömmrich, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, zu diesem Thema zu sagen hat. Frömmrich lehnt die „Extremismus-Klausel“, die in den Förderbescheiden des Innenministers zu finden ist, ab. „Wir halten sie in dieser Form nicht für nötig und werden dazu in der Koalition das Gespräch suchen.“
Das ist das eine. Das andere ist der Gesetzentwurf zur Reform des Verfassungsschutzes, den CDU und Grüne gemeinsam eingebracht haben. Der Entwurf enthält einigen Sprengstoff für die Koalition, den „Staatstrojaner“ etwa, mit dessen Hilfe der Verfassungsschutz unbemerkt auf Smartphones und Computern stöbern können soll. Die Grünen-Basis hat sich mehrheitlich dagegen ausgesprochen.
Jetzt ist ein weiterer Passus des schwarz-grünen Gesetzentwurfs in die öffentliche Diskussion geraten. Demnach soll das Landesamt Informationen über Personen, die in öffentlich geförderten Extremismus-Projekten tätig sind, weitergeben können, um deren Zuverlässigkeit zu überprüfen.
Die Träger der Extremismus-Prävention sehen darin den Versuch, nachträglich die rechtliche Grundlage für etwas zu schaffen, was das Innenministerium derzeit schon ohne rechtliche Grundlage von ihnen zu erzwingen sucht.