Die Reform des Verfassungsschutzes: Schwarz-Grünes Dilemma
Von Christoph Cuntz
Redakteur Politik
Wegen der Verfassungsschutz-Reform unter Beschuss: Jürgen Frömmrich. Foto: Grüne
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WIESBADEN - Es ist das umstrittenste Vorhaben der Landesregierung: die Reform des Verfassungsschutzes. Zwar hatten sich CDU und Grüne auf einen Gesetzentwurf verständigt. Doch der soll wieder geändert werden. Offen ist, ob sich die Koalitionsfraktionen noch in dieser Legislaturperiode einigen. Es geht um den Markenkern der beiden: Sicherheit und Ordnung auf der einen, Bürgerrechte und Datenschutz auf der anderen Seite.
Eine moderne Behörde soll der Verfassungsschutz nach Wunsch und Willen von CDU und Grüne werden. Es dauerte schier endlos lange, bis die Koalition endlich einen Gesetzentwurf vorlegte, der für den Inlands-Geheimdienst vor allem bei der Überwachung von Smartphones und Computern völlig neue Möglichkeiten schuf.
Frömmrich wurde von der eigenen Basis abgestraft
Kaum lag der Entwurf vor, hagelte es Kritik von der Grünen-Basis. Die forderte, auf die Einführung „digitaler Waffen“ für den Verfassungsschutz müsse verzichtet werden. Gemeint ist der „Hessen-Trojaner“, eine Spionage-Software, mit der Smartphones und Computer durchsucht werden können.
Wegen der Verfassungsschutz-Reform unter Beschuss: Jürgen Frömmrich. Foto: Grüne Foto: Grüne
Teile des Computer-Codes einer Spionage-Software, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung abgedruckt hatte. Foto: dpa Foto: dpa
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Seither sind die Grünen in dieser Frage in der Defensive. „Wir verhandeln mit unserem Koalitionspartner intensiv über Änderungen“, so Jürgen Frömmrich am vergangenen Freitag. Es half ihm nichts: Der innenpolitsche Sprecher der Grünen im Landtag wurde von den Mitgliedern abgestraft, die am Samstag abzustimmen hatten über die Liste für die Landtagswahl. Frömmrich hätte gerne auf Platz acht kandidiert. Er unterlag deutlich in einer Kampfabstimmung gegen Torsten Leveringhaus, der sich ausdrücklich gegen den „Staats-Trojaner“ ausgesprochen hatte.
Am Ende landete Frömmrich auf Platz zwölf der Liste: Eine Erniedrigung für den erfahrenen Innenpolitiker, der zum Sündenbock für eine aus Sicht der Basis faulen Kompromiss verantwortlich gemacht wird. Doch den hatte auch der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner unterschrieben und die Parteispitze mitgetragen.
ZEITACHSE
Einen ersten Entwurf zur Reform des Verfassungsschutzes hatte eine Experten-Kommission im Oktober 2015 scharf kritisiert. Schwarz-Grün hat danach begonnen, an einem neuen Gesetzentwurf zu arbeiten, der zwei Jahre später vorgelegt wurde. Der stieß bei einer Anhörung im Landtag auf Bedenken zahlreicher Experten.
Es kam noch dicker: Schwarz-Grün in Wiesbaden hat für die geplante Verfassungsschutz-Reform den Big Brother Award bekommen, einen Negativ-Preis, der alljährlich jenen verliehen wird, die nachhaltig die Privatsphäre von Personen beeinträchtigen. Das zielt vor allem auf die Grünen, die sich ursprünglich einmal für Bürgerrechte und Datenschutz starkgemacht hatten.
Im Landtag hat es dazu jetzt eine Debatte gegeben, in der die Opposition die Verfassungsschutz-Reform erneut scharf kritisierte. Schwarz-Grün sei der Negativ-Preis zu Recht verliehen worden, eine „peinliche Auszeichnung“, urteilte etwa die FDP. Und Hermann Schaus von den Linken zitierte genüsslich aus den Zeiten, als die Grünen noch Opposition waren. Damals hatte ausgerechnet Jürgen Frömmrich den Einsatz von „Staats-Trojanern“ als „schweren Grundrechtseingriff“ bezeichnet, der gegen alle jene gerichtet sei, die die freie und offene Gesellschaft verteidigen wollten. Die SPD schließlich sprach von der „Verfassungswidrigkeit“ des Gesetzentwurfs. Die geplante Online-Durchsuchung müsse gestrichen, der Einsatz von V-Leuten restriktiv geregelt werden.
Nun wird mit Spannung erwartet, ob die Regierungs-Koalition ihr Gesetz tatsächlich noch ändert. Innenminister Peter Beuth (CDU) sieht derzeit keinen Anlass. Hessen brauche einen leistungsfähigen Nachrichtendienst, um die Bürger vor Terror zu schützen, so der Minister. Dafür schaffe das Gesetz die Grundlage. Es habe in der Vergangenheit Anschläge gegeben, die vom Smartphone aus gesteuert wurden. Beuth hat daraus die Lehre gezogen: Die Sicherheitsbehörden müssten mit der technischen Entwicklung Schritt halten – auch im Internet.