Wider die Verbotsmentalität: "Die Aufgabe von Politik ist nicht, den Menschen Vorgaben für das 'gute Leben' zu machen", sagt Dirk Metz.
Von Dirk Metz
Dirk Metz. Foto: Metz
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Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hatte mal wieder den richtigen Riecher. "Die Aufgabe von Politik ist nicht, den Menschen Vorgaben für das 'gute Leben' zu machen", äußerte er kürzlich, sicher nicht unbedingt zum Vergnügen seiner politischen Freunde.
Tatsächlich scheinen vor allem viele Journalisten, insbesondere aus den großen deutschen Metropolen, geradezu beseelt davon, die Menschen "besser" machen zu wollen. Und weil sie sich häufig nur in ihrer Blase bewegen, verhehlen sie in diesen Ferienwochen nicht mal die Verwunderung darüber, dass Klimadebatte und Freitagsdemonstrationen auf das Urlaubsverhalten der Deutschen praktisch keinerlei Einfluss haben, obwohl sie den Menschen doch den dringenden Rat geben, weniger zu fliegen. Von "Flugscham" keine Spur: So verzeichnete der Frankfurter Flughafen jetzt mit 241 000 Fluggästen den absoluten Tageshöchstwert in seiner Geschichte. Eine Zahl, die durchaus symbolisch ist. Denn die Zahl der Passagiere an Deutschlands Flughäfen hat in den letzten 15 Jahren um zwei Drittel zugenommen. Das mag man bedauern oder auch nicht - es ist jedenfalls eine eindeutige Abstimmung mit Urlaubskoffer und Geschäftstasche.
Bei vielen Journalisten spürt man regelrecht Überraschung und Verärgerung, dass ihren Ratschlägen nicht gefolgt wird. Sie raten aber nicht nur zum veränderten Urlaubsverhalten: Glaubt man den medialen Mainstreamern, die sich offenbar nur in unseren Metropolen bewegen, dann sollen und wollen die meisten Menschen ihre Autos stehen lassen und aufs Fahrrad umsteigen. Dass viele aus beruflichen Gründen auf das Auto angewiesen sind, dass zum Beispiel Handwerker kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Kunde zu Kunde fahren können, dass es ältere Menschen gibt, die froh und dankbar sind, sich wenigstens mit dem Pkw noch fortbewegen zu können, und dass das Auto im ländlichen Raum selbst für überzeugteste ÖPNV-Nutzer kaum verzichtbar ist - all das wird von der veröffentlichten Meinung zu oft ausgeblendet. Ja, vor allem Jüngere schwingen sich in den großen Städten gerne aufs Fahrrad und verfügen über gar keinen Pkw mehr. Aber Fakt ist auch: Die Zahl der Autos auf unseren Straßen ist in den letzten zehn Jahren um 14 Prozent gestiegen.
UNSER GASTAUTOR
Dirk Metz ist Inhaber einer Agentur für Kommunikation und Krisenkommunikation. Zuvor war der gelernte Journalist elf Jahre Sprecher der hessischen Landesregierung. In seinem Beitrag wendet er sich gegen eine Politik der Verbote. Stattdessen solle Deutschland im Kampf gegen den Klimawandel Kraft, Kreativität und Geld in die Entwicklung modernster Technologie stecken.
Vertraue ich dem medialen Mainstream, dann müssten wir längst auch zu einem Volk der Vegetarier oder Veganer geworden sein. Auch da sprechen die Zahlen aber eine andere Sprache: Seit 20 Jahren ist der Fleischverbrauch mit rund 60 Kilogramm pro Person im Jahr in Deutschland konstant. Der mediale Mainstream erinnert mich immer wieder sehr an Pippi Langstrumpfs "Ich mach' mir die Welt - widdewidde wie sie mir gefällt".
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich gehe samstags mit immer derselben Jutetasche Brötchen holen und später mit immer demselben Korb zum Supermarkt, kaufe auch gerne regionale Lebensmittel. Ich bewege mich ausgesprochen gerne mit der Bahn, auch viele Stunden nach Berlin oder Hamburg. Und als ich kürzlich in Berlin den ersten Flieger nehmen musste, um gegen 8 Uhr in Frankfurt zu sein, fand ich es auch bizarr, dass das Ticket ganze 36,69 Euro kostete.
Ich erwarte von der Politik, dass sie Rahmenbedingungen setzt und Anreize schafft, damit wir maßvoll mit den Ressourcen umgehen. Aber ich will mir weder von Medien noch von der Politik vorschreiben lassen, wie ich zu leben habe. Und bei Chinesen, Indern und Amerikanern sollten wir es erst gar nicht versuchen. Eine Verbotspolitik wird in Deutschland scheitern - und in der Welt nichts bewegen. Stattdessen muss Deutschland - Politik und Wirtschaft - Kraft, Kreativität und Geld in die Entwicklung modernster Technik stecken, um die Herausforderungen des weltweiten Klimawandels zu meistern. Daraus könnte sogar ein deutscher Exportschlager werden.