Die Entertainerin Ruth Moschner über Hass im Internet, Künstler als Werbeträger und ihre erste Rolle bei „Aktenzeichen XY“.
Frau Moschner, Sie tragen den Vornamen Ihrer Großmutter und haben mal gesagt, das habe Ihnen das Gefühl gegeben, Schauspielerin werden zu müssen. War das ein Wunsch Ihrer Eltern?
Kennen Sie Eltern, die sich wünschen, dass ihr Kind Schauspielerin wird? Als Kind mochte ich meinen Namen nicht, weil er so selten war und er sich nicht gut verniedlichen ließ. Meine große Schwester fand es als Kind komisch, dass ich den Namen einer Toten tragen muss. Heute weiß ich ihn zu schätzen: Er macht meine jüdischen Wurzeln sichtbar und erinnert an traurige Schicksale, aber auch an Mut und Kraft. Im Alten Testament gibt es das Buch Ruth, was die Geschichte einer guten Frau erzählt. Letztendlich war die biblische Ruth die erste Migrantin, deren Leben schriftlich festgehalten wurde.
Eins der traurigen Schicksale ist das Ihrer Großmutter?
Richtig. Sie hatte es an das Max-Reinhardt-Seminar in Wien geschafft, das damals nur zwei Schauspielschüler pro Jahr aufgenommen hat. Sie muss sehr begabt gewesen sein, durfte jedoch nie als Schauspielerin arbeiten. Während des Holocausts war es unmöglich für sie, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Sie konnte sich verstecken, ist aber kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nach einer Blinddarm-Operation verstorben.
Ich hatte auch deshalb nach einem Elternwunsch hinter Ihrer Karriere gefragt, weil Sie schon so früh gedreht haben. Als Vierjährige waren Sie bei „Aktenzeichen XY“.
Stimmt, ich war früh in einer Schauspielagentur – wieso, weiß ich selbst nicht mehr. Ich war ein schüchternes Kind und hatte großen Respekt vor Erwachsenen – die aber am Set alle ganz entzückend waren. Natürlich war alles genau geregelt; sowohl für mein Ballettstudium als auch fürs Drehen brauchte ich eine Einverständniserklärung der Eltern, der Schule, des Arztes und des Jugendamtes.
2004 haben Sie den heute gar nicht mehr existierenden „Preis der beleidigten Zuschauer“ gewonnen – für die „im Fernsehen üblich gewordenen schlechten Umgangsformen“.
Es ging um einen Gag über Uschi Glas und ihre Hautcreme – den nicht mal ich gemacht hatte, sondern mein „Freitag Nacht News“-Kollege Henry Gründler. Den Negativpreis hatte sich ein Kritiker ausgedacht, der PR haben wollte.
Eine Person, deren Umgangsformen immer mies waren, ist wieder da: Dieter Bohlen. Und wieder macht er bei „DSDS“ sexistische Witze. Wieso lässt man ihm das durchgehen?
Das weiß ich nicht, ich habe die diskutierte Sequenz auch nicht gesehen. Beim „Supertalent“ habe ich selbst mit Dieter gearbeitet. Ich bin gut mit ihm ausgekommen, wir haben viel hinter den Kulissen gelacht. Vor allem konnte er auch über sich selbst lachen. Aber klar: Dieter stellt im Fernsehen was dar. Man muss das nicht mögen, man kann es auch abfeiern. Ich habe das nicht zu entscheiden.
Von „Pilcher“ bis zur Spielshow decken Sie eine große Bandbreite ab. Was lehnen Sie ab?
Ich lehne viel ab, mache aber alles, was mich reizt. Meinen Auftritt bei „Rosamunde Pilcher“ fand ich großartig. Das wollte ich unbedingt in meinem Lebenslauf haben: Ich habe gepilchert.
Was war Ihre Rolle?
Ich war eine Orthopädin, die wahnsinnig viel abgenommen hat, zwei Brüder wiedertrifft, die sie in ihrer Teenagerzeit gehänselt hatten, und wegen des Gewichtsverlusts nicht erkannt wird. Uschi Glas war übrigens unsere Mutter. Da schließt sich der Kreis.
Fast 400.000 Follower aus Instagram
Bei Instagram habe ich gelesen, dass Sie ganzheitliche Gesundheitsberaterin sind.
Stimmt. Als Kind wollte ich Schauspielerin oder Chirurgin werden. Dafür hat nach dem Abi aber das Geld nicht gereicht. Stattdessen habe ich mir später diese Ausbildung geleistet – zweieinhalb Jahre Fernstudium neben dem Job. Eine unfassbare Lernerei. Ich kann das keinem empfehlen.
ZDF-Zuschauer sind im Schnitt 65 Jahre alt, die im Ersten 64. Bei Sat.1, wo Sie „Jeopardy!“ übernehmen, liegt der Schnitt bei 54. Wie kommt das?
Ich glaube, das hat mit der Familienunterhaltung zu tun. Die Leute schicken mir oft Fotos, auf denen sie meine Sendungen mit ihren Kindern gucken. So muss Fernsehen sein: zusammen gucken, sich verabreden, miteinander diskutieren. Das kann das Fernsehen besser als die angeblich sozialen Medien. Viele kommunizieren nur noch per Whatsapp-Sprachnachricht. Es gibt keine Interaktion mehr. Nur Monologe.
Und das hören Sie sich an? Anderthalbminütige Monologe?
Anderthalb? Sie sind süß. Wahrscheinlich haben Sie nur männliche Freunde. Ich kriege Fünf-Minuten-Monologe – und freue mich. Zu christlichen Zeiten bin ich nie erreichbar; auf diese Weise kann ich mir dann im Zug ein Update von meinen Freundinnen holen. Aber wenn es mehr als fünf Minuten sind, schlage ich vor, dass wir uns zum Essen treffen.
Auf Instagram haben Sie fast 400.000 Follower. Nutzen Sie das gar nicht für Werbung?
In den seltensten Fällen. Ich bekomme viele Anfragen; aber auch hier gilt: Ich mache nur, was ich mag. Wenn ich eine Klamottenmarke bewerbe, frage ich nach, ob Kinderarbeit oder tonnenweise Plastikmüll im Spiel sind. Es muss aber nicht fair oder öko sein. Ich bin nicht päpstlicher als der Papst, dennoch gibt es einen Unterschied, ob man als öffentliche Person für Mist werben möchte, um sich die Taschen vollzumachen, oder wirklich hinter den Dingen steht.
Die sexuellen Angriffe kommen meistens von Männern, die Hassnachrichten von Frauen.
Lassen Sie uns über Hasskommentare im Netz sprechen.
Gern – wir sind mit dem Thema noch lange nicht durch und brauchen dringend eine neue Rechtsprechung. Unsere Gesetze sind nicht dafür gemacht, digitale Verbrechen aufzuklären und zu ahnden. Ich arbeite mit der Organisation HateAid zusammen. Die machen das toll, es ist aber wahnsinnig mühsam. Jedes Küchengerät durchläuft mehr Kontrollen als Instagram und Facebook, die voller Gefahren stecken. Mobbing, Pädophilie: Das Netz ist ein Paradies für Verbrecher.
Konnten Sie Erfolge verbuchen?
Bei einem Täter haben meine Anwältin und ich ein Urteil erreicht. Er musste eine Geldstrafe von 1200 Euro zahlen. Ein zweites Verfahren, bei welchem ich von einem Anwalt von HateAid unterstützt werde, läuft noch. Die Daten des Täters wurden von der Kanzlei bereits ermittelt.
Das macht doch Mut.
Sich zu wehren ist möglich, aber natürlich kann ich mir nicht täglich all diese Hassnachrichten ansehen. Ich habe es schon über viele Wege versucht: über die Polizei, über die Staatsanwaltschaft, über einen Zivilrechtler, über eine Strafrechtlerin. Das kostet Geld, Nerven und Zeit.
Was haben die Täter in Ihrem Fall gemacht?
Die juristische Bezeichnung kann ich Ihnen gar nicht sagen. Im Zweifel waren es Beleidigungen, Nachstellungen und Belästigungen.
Erfahren Sie, wer die Leute sind?
Die sexuellen Angriffe kommen meistens von Männern, die Hassnachrichten von Frauen. Ich glaube, das Internet bringt die schlechten Seiten von vielen Menschen hervor, egal, wer sie sind und wie sie aussehen – weil die Anonymität schützt und weil es hier so einfach ist, Macht auszuüben. Morddrohungen kriege ich eher von Frauen.
Warum wollen die Sie umbringen?
Bei solchen Drohungen geht es nicht um mich. Da geht’s nur um den Hass, der rausmuss. Die Absenderin hat ein Problem und projiziert das dann auf jemand im TV.
Offen gesagt, hätte ich gedacht, dass fast alle Hassnachrichten von Männern kommen.
Auch Frauen haben mal böse Gedanken. Damit wir aber nicht mit trüben Vorstellungen auseinandergehen, möchte ich sagen, dass das Gute überwiegt. 98 Prozent der Nachrichten sind einfach herrlich!
Region. Von Daniel Benedict