Wer regelmäßig Bahn fährt, kennt sie, Spaziergänger begegnen ihr an Böschungen – und Menschen, die ein altes Haus mit einem lange nicht gepflegten Garten kaufen, hassen...
. Wer regelmäßig Bahn fährt, kennt sie, Spaziergänger begegnen ihr an Böschungen – und Menschen, die ein altes Haus mit einem lange nicht gepflegten Garten kaufen, hassen sie: die Brombeerpflanze. Die Gartenbrombeere, wie sie auch genannt wird, ist hierzulande so allgegenwärtig, dass man es kaum glauben kann. Aber: Sie kommt eigentlich gar nicht von hier. Ursprünglich stammt sie aus Armenien, was auch in ihrem wissenschaftlichen Namen anklingt: Rubus armeniacus. Wegen ihrer großen und saftigen Früchte holten Gärtner die Armenische Brombeere 1835 aus Vorderasien nach Europa. Die Pflanze schaffte den Sprung über den Gartenzaun und und breitete sich schnell aus. Mit ihren langen Ranken, die an der Spitze wurzeln, bildet sie dichte, undurchdringliche Hecken und verdrängte so heimische Arten wie die Wildbrombeere.
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Die Armenische Brombeere ist nur eine von vielen. Allein in Frankfurt sind rund 260 der insgesamt etwa 1400 wild wachsenden Pflanzen eingewandert. Biologen nennen sie Neophyten – eine Zusammensetzung aus den lateinischen Wörtern für neu (neo) und Pflanze (Phyton). Dabei ist das Herkunftsgebiet nicht von Bedeutung. Entscheidend für die Definition als Neophyt ist, dass die Pflanzen durch Zutun des Menschen eingewandert sind – und das nach 1492. Dieser Zeitpunkt orientiert sich an der Entdeckung Amerikas als historischen Wendepunkt. Pflanzen, die bereits zuvor eingewandert sind, heißen Archäophyten. Ein Beispiel ist der Mohn, der mit dem Beginn des Ackerbaus zu uns kam.
Frankfurt ist eine Neopyhten-Hochburg
Manche Neophyten sind absichtlich eingeführt worden wie die Gartenbrombeere. Andere sind aus Versehen oder gar unbemerkt eingewandert. Ihre Samen reisten als blinde Passagiere auf Transporterschiffen, im Gepäck von Flugreisenden oder an Rädern von Güterzügen. Kein Wunder, dass Frankfurt als Transportknotenpunkt eine Neopyhten-Hochburg ist. Die verbreitetesten Neophyten im Frankfurter Stadtgebiet sind der aus Ostasien stammende Götterbaum (Ailanthus altissima), der häufig an Bahngleisen oder in Mauerspalten sprießt, die aus Nordamerika stammende Robinie (Robinia pseudoacacia) und die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis).
Auch die Erforschung von Neophyten hat in Frankfurt eine lange Tradition. In der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung gibt es eine beachtliche Sammlung von Herbarbelegen. Mit Hilfe dieser Informationen hat der Frankfurter Palmengarten den Neophyten der Stadt eine ganze Sonderausstellung gewidmet. In der Schau erfahren Besucher, wie vielfältig die eingewanderten Pflanzen sind. Einige von ihnen haben sogar den Weg in unsere Küche gefunden. Der erste Fund von wild wachsendem Rucola (Diplotaxis tenuifolia) – eigentlich eine mediterrane Art – in Deutschland stammt 1719 aus Frankfurt-Sachsenhausen. Die gepresste Pflanze befindet sich bis heute im Senckenberg-Herbar.
Da Städte als Wärmeinseln gelten, können sich dort Pflanzen ansiedeln, für die es früher zu kalt gewesen wäre. Die erste Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) – bekannt als Allee- und Biergartenbaum – wurde in Frankfurt um 1750 gepflanzt. Verwildert kommt sie am Main jedoch erst seit etwa 50 Jahren vor. Einer der jüngsten Neophyten im Frankfurter Stadtgebiet ist der Feigenbaum (Ficus carica). Bisher kommt er nur vereinzelt vor.
Manche Neophyten sind jedoch gefährlich. Der Pollen der Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) kann schon in geringen Mengen starken Heuschnupfen und Asthma auslösen. Ihre Samen gelangen durch verunreinigtes Vogelfutter aus Nordamerika zu uns. Verheerend für Allergiker: Die Ambrosie blüht recht spät und verlängert so die Pollenflugzeit bis in den Herbst. Der Hautkontakt mit dem Saft der Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum) – auch Riesenbärenklau genannt – ist für den Menschen ebenfalls gefährlich. In Verbindung mit Sonnenlicht kommt es zu starken Verbrennungen und Quaddelbildung.
Meistens sind Neophyten allerdings keine Bedrohung für den Menschen, manchmal aber für ihre heimische Mit-Pflanzen. Der aus Asien stammende Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) stirbt zwar beim ersten Frost ab, bildet aber so dichte und dicke Wurzeln, dass er den Boden für andere, heimische Arten blockiert. Das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) mit Ursprung in Indien wächst mancherorts an Flussläufen so üppig, dass andere Arten kaum eine Chance haben. Insgesamt 14 Pflanzen-Arten hat die Europäische Union deshalb mittlerweile verboten. Darunter ist auch die Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes), die als Zierpflanze für Gartenteiche aus Brasilien kam.
Nicht alle fremden Pflanzen werden auch zum Neophyt – selbst wenn sie schon lange hier wachsen. Die Kartoffel etwa hat hierzulande nie den Sprung über die Ackergrenze geschafft. Ursprünglich stammt sie aus Amerika. Umgekehrt hat es der europäische Breitwegereich bis nach Amerika geschafft. Das anspruchslose Kraut wächst dort auch heute an Straßenrändern und in Betonritzen. Seine quellfähigen Samen kleben an Kleidung oder Schuhen fest und sind somit besonders geeignet, um ungewollt vom Menschen verteilt zu werden. Mit den ersten Siedlern gelangte er in die Neue Welt. Als dort die Erschließung des Westens begann, breitete sich der Breitwegerich entlang der neu gebauten Bahngleise aus. Die Ureinwohner Amerikas tauften ihn deshalb „Fußabdruck des weißen Mannes“.
In der nächsten Ausgabe wird es an dieser Stelle um eingewanderte Tierarten, auch Neozoen genannt, gehen.
Von Mara Pitz