Wie sie da im Flur ihrer Agentur steht, so ganz ohne Star-Aura. Pamela Reif: 20 Jahre, klein, schwacher Händedruck. Dann der zweite Eindruck: Sie sieht ja tatsächlich aus wie...
. Wie sie da im Flur ihrer Agentur steht, so ganz ohne Star-Aura. Pamela Reif: 20 Jahre, klein, schwacher Händedruck. Dann der zweite Eindruck: Sie sieht ja tatsächlich aus wie auf ihren Bildern. Nur die Lippen scheinen weniger voluminös, aber sonst: wie hingemalt. Ob sie verführerisch wirken will, scheint dabei ganz in ihrer Macht zu liegen.
Auf Fotos beherrscht sie den Schlafzimmer-Blick in schamloser Vollendung, gerade ist sie aber im Tageslicht-Modus. Jetzt sitzt Pamela Reif im Konferenzraum ihrer Hamburger Agentur und ist kein bisschen Tussi, sondern freundlich und unbeschwert. Sie lacht ganz natürlich, macht Wortspiele. Ihr Lieblingsfach in der Schule war Mathe, sie kann in tadellosem Englisch Vorträge halten. Würde sie das Abi heute noch mal mit 1,0 bestehen? „Nein, aber eine 1,8 würde ich mir schon noch zutrauen.“
Eigentlich ist sie dazu verdammt, arrogant rüberzukommen: zu hübsch, zu schlau, zu erfolgreich. Über solche Frauen wird gern gesagt, dass sie perfekt sind. Es ist nicht als Kompliment gemeint. Erstaunlicherweise lief es bei ihr anders. Pamela Reif wurde nicht in die Arroganz-Schublade gepresst, sondern aufs Podest gehoben. Es besteht vom Sockel bis zur Oberkante aus Followern – also Leuten, die Pamela Reifs Profil auf Instagram abonniert haben. 2,8 Millionen Menschen aus aller Welt folgen ihr dort. Instagram ist eine Internet-Plattform, auf der die Nutzer Fotos und Videos hochladen.
Jedes ihrer Bilder wird hundertfach kommentiert
Für eine Milliarde Dollar hat Facebook Instagram vor ein paar Jahren gekauft. Laut dem Magazin „Forbes“ ist die Internet-Plattform mittlerweile zwischen 25 und 50 Milliarden Dollar Wert. „Bei Instagram geht es um ästhetisch-schöne Inhalte“, sagt Pamela Reif. Auf 99 Prozent ihrer Fotos gibt es nur einen ästhetisch-schönen Inhalt: sie selbst. Jedes ihrer Bilder wird hundertfach kommentiert und zehntausendfach mit „gefällt mir“ markiert.
Dabei gefiel sich Pamela Reif früher nicht mal selbst: „Ich hatte keinen Po in der Hose, einfach überhaupt nicht weiblich.“ Fotos aus dieser Zeit zeigen allerdings ein Mädchen mit einer Figur, auf die so manche Geschlechtsgenossin neidisch wäre. Nein, schlapp und nicht knackig war sie damals, sagt Pamela Reif „und darunter hat auch mein Selbstbewusstsein sehr gelitten“. Aus dem Luxusproblem wurde ein Luxuskörper: Feste Schenkel, harter Bauch und ein Po, der es ihr wert ist, zweimal am Tag mit Kokosnuss-Öl eingerieben zu werden. Das macht sie, um Dehnungsstreifen zu vermeiden, die beim Kraftsport entstehen können.
Mit Krafttraining begann sie zunächst ohne Plan. Es lief mittelmäßig, aber nach und nach fand sie heraus, welche Techniken für sie funktionieren. Dieses Wissen will sie nun mit ihren Fans teilen. „Pamstrong“ heißt ihr zwölf Wochen dauerndes Fitness-Programm. Es ist gebührenpflichtig und auf Frauen ausgerichtet. Etwa zwei Drittel ihrer Follower sind weiblich, junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren. Vor ein paar Tagen hat ihr ein Mädchen geschrieben, dass sie sieben Kilo abgenommen hat, weil Pamela sie so motiviert.
Fit ist das neue Schlank
Das klingt nach „Germany’s Next Topmodel“ – der umstrittenen Sendung mit Heidi Klum, die laut einer Studie Essstörungen auslösen oder verstärken kann. Doch Pamela Reifs Botschaft ist eine andere: „Parallel zum Kraftsport habe ich angefangen, zwar gesund, aber auch sehr viel zu essen.“ Sie zählt Kalorien, aber nur um sicherzustellen, dass sie am Ende des Tages genug gegessen hat. Pamela Reif wird nicht für elfenhaftes Aussehen verehrt, sondern für ihren durchtrainierten Körper. Damit verkörpert sie ein anderes Frauenbild als Heidi Klum. Fit ist das neue Schlank.
Warum gerade sie mit dieser Botschaft Millionen Menschen erreicht? Vielleicht hat es mit ihrer Familie zu tun. Die Eltern haben ein Modegeschäft in Karlsruhe, ihre Mutter modelte, ihr Vater fotografiert. Pamela Reif erzählt, dass sie sich schon immer sehr gerne zurechtgemacht hat. Wie unzählige andere junge Mädchen, beginnt sie vor ein paar Jahren, Fotos bei Instagram hochzuladen. Zunächst nur für die Freunde und die Familie, doch irgendwann explodierten die Follower-Zahlen.
Jedes neue Bild bringt tausende neue Follower. „Früher waren Sängerinnen oder Schauspielerinnen Vorbilder, die waren aber sehr ungreifbar“, sagt Reif, „im Vergleich dazu bin ich ein normales Mädchen, man kann sich besser mit mir identifizieren.“ Sie ist die imaginäre, makellose Freundin – doch es ist eine Überlegenheitsfreundschaft. Junge Mädchen bewundern ihre stahlharte Disziplin, die niemals verkrampft wirkt. Sie ist das kleine Mädchen, das groß rauskam, ohne mächtige Menschen im Hintergrund, Klatschgeschichten oder Heidi Klum.
Pamela Reif wirbt jetzt zusammen mit Peter Maffay für Spenden, lässt sich mit Til Schweiger ablichten und hat für Deichmann eine Schuhkollektion entworfen. Die wichtigste Währung in der Medien- und Unterhaltungsindustrie heißt Aufmerksamkeit. Pamela Reif genießt im Netz mehr Aufmerksamkeit als viele Stars oder Sportler.
Der Werbebranche ist das nicht entgangen. Normalerweise müssen Unternehmen Bilder von ihren Produkten mit Anzeigen, Fernsehspots oder Plakaten in Umlauf bringen. Bei Pamela Reif muss das Unternehmen nur das Produkt hinschicken und ein nettes Sümmchen überweisen. In Umlauf kommen die Bilder per Instagram ganz von selbst. „Influencer Marketing“ nennt sich das. Es ist ein neuer Weg, um direkt und günstig zur Zielgruppe vorzustoßen. Wer Reif bei Instagram folgt, interessiert sich wahrscheinlich für Fitness und Mode, schaut die Bilder genau an, zeigt sie Familie und Freunden. Die Unternehmen sind entzückt und machen für Werbung mit Instagram-Prominenten jeden Monat sechsstellige Beträge locker.
Ob und für was gezahlt wurde, wissen die Fans nicht
Moralisch und juristisch schattiert das Richtung Schleichwerbung. Pamela Reif hört dieses Wort nicht gerne und sagt: „Ich markiere die Produkte immer offensichtlich. Wenn ich für was bezahlt werde, weise ich darauf hin.“ Angeblich sind viele Kleidungsstücke einfach so und nicht gegen Bares auf den Bildern. Bei den Fotos mit Sportkleidung von Puma fehlt jedoch die Info, dass sie gesponsert sind. Bei Puma ist sie Markenbotschafterin, sagt Pamela Reif, das sei ja was Anderes. Ob und für was gezahlt wurde, wissen ihre Fans also nicht immer so genau.
Als nächstes will Pamela Reif mit ihrem Ratgeber-Buch „Strong & Beautiful“ Geld verdienen, das am 16. März erscheint. Um die zweihundert Bilder dafür aufzunehmen, war sie mit Starfotograf Paul Ripke in Kalifornien unterwegs. Die Zeit dort hatte einen starken Effekt auf sie: „Eigentlich wollte ich im Mai nach Los Angeles ziehen, aber es ist schwieriger als ich dachte.“
Dort wäre es auch nicht drin, mal eben nach Karlsruhe zur Familie zu fliegen, was sie jetzt gleich nach dem Gespräch vorhat. Die Interview-Zeit ist noch nicht um, doch die Frau ist einfach enorm präzise. Sie hat alle Fragen passgenau und druckreif beantwortet. Keine Nullaussagen, keine anstrengenden Erklärschleifen.
Einsilbig wird sie nur, wenn es um ihr Liebesleben geht. Es gibt Bilder und Berichte, die auf ein Verhältnis mit dem Fußball-Profi Loris Karius hinweisen. Karius stand für Mainz 05 im Tor, bis er im Mai 2016 zum FC Liverpool wechselte. „Ich bin nicht mit Loris Karius zusammen“, sagt Reif.
Ihre Follower haben das Gegenteil unter ihre Bilder geschrieben. Reif löscht so was nicht. Facebook-Boss Mark Zuckerberg hat für sein persönliches Profil ein Dutzend Mitarbeiter, die unliebsame Kommentare weghobeln. Pamela Reif hat keinen einzigen. „Ich bekommen nicht viele böse Kommentare und die wenigen kann ich dann auch selbst löschen“, sagt sie.
Wochen voller Geschäftsreisen
Hat die Frau denn gar keine Probleme? „Pamela ist der ruhigste Mensch, den ich kenne. Wenn alles zusammenfällt, ist sie der Ruhepol“, sagt ihre Managerin, „wütend wird sie nur, wenn sie Hunger hat und kein Essen bekommt.“ Dann isst sie gerne Schokolade.
Auf ihren Bildern ist kein Krümel Schokolade zu sehen – und sie verschweigen noch etwas Anderes: Pamela Reif zu sein, ist ein Vollzeitjob. Ihr Buch hat sie selbst geschrieben, ihre Wochen sind voller Geschäftsreisen, Treffen und Foto-Shootings. Einen Teil ihrer E-Mails erledigt sie selbst und kommuniziert täglich mit ihren Fans. Sie sagt: „An meinen letzten freien Tag kann ich mich nicht erinnern. Meine Arbeitstage beginnen mit dem Aufstehen und enden mit dem Ins-Bett-Gehen.“
Der Vorteil von Social Media ist gleichzeitig auch der Nachteil. Es ist wie Alkohol: immer da, alle mit dabei, Rausch. Viele berauschen sich zum Vergnügen, doch für die Galionsfiguren dieser Welt ist es längst ein Goldrausch. Pamela Reif verdient damit laut Schätzungen mehrere tausend Euro – pro Bild.
Von Jonas Hermann