Samstag,
08.04.2017 - 00:00
5 min
Die Kryolipolyse verspricht, überschüssige Pfunde dahinschmelzen zu lassen
Von Kristin Hüttmann

Die Kryolipolyse-Behandlung ist nicht schmerzlos. Foto: Daniel Chetroni - fotolia ( Foto: Daniel Chetroni - fotolia)
Die unverblümte Wahrheit aus dem Mund eines Schönheitschirurgen klingt so: „Es gibt Problemzonen, die lassen sich auch durch gezieltes Diät- oder Sportprogramm nicht wegkriegen“, sagt Magnus Noah, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie am Krankenhaus Kassel und ehemaliger Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Das muss er natürlich allein schon von Berufs wegen sagen. Aber der 54-Jährige, der sich einen Personal Trainer leistet, um fit zu bleiben, spricht auch aus Erfahrung. Kürzlich hat er eine der jüngsten Entwicklungen des Medizintechnikherstellers Zeltiq ausprobiert: einen neuen Aufsatz für ein Gerät, das mittels Kälte besonders schwer erreichbare Problemzonen beseitigen soll, darunter: Doppelkinn, Achselröllchen und dicke Knie.
Bodyforming heißt das Stichwort aus den USA, mit dem auch in Deutschland immer mehr Schönheitspraxen werben. Dabei geht es nicht nur um klassische chirurgische Methoden wie Fettabsaugen oder Bauchstraffen. Auch nicht-invasive Methoden sollen den Körper in Form bringen. Eine davon: Fett wegfrieren durch Eiseskälte.
Fachleute sprechen von Kryolipolyse. Die Problemzonen werden dabei Kälte ausgesetzt. Dadurch sollen die Fettzellen absterben, der Körper transportiert sie ab, und der Bauch ist flach. Oder zumindest: flacher. Auch wenn immer mehr Spas und Schönheitstempel diese Methode anpreisen, als sei es nicht viel mehr als Waxing oder Augenbrauen zupfen, ist Vorsicht angebracht. „Da muss ein Arzt dabei sein, der eine ordentliche Voruntersuchung macht, über Vor- und Nachteile aufklärt und dafür sorgt, dass die Behandlung fachgerecht durchgeführt wird“, sagt Noah. Denn völlig nebenwirkungsfrei ist das Fettabfrieren nicht. Bei falscher Anwendung kann es zu Hauterfrierungen und Fettzellenverhärtungen kommen.
Schmerzlos ist die Prozedur nicht
Auch schmerzlos ist die Prozedur nicht, wie selbst der Chirurg Noah zugeben muss, der den Doppelkinnaufsatz ausprobiert hat. Der kalifornische Medizintechnikhersteller hat seiner Kryolipolyse den deutlich cooleren Namen „Coolsculpting“ verpasst. Neben speziellen Aufsätzen für Bauch und Männerbrüste hat Zeltiq nun auch kleinere Applikatoren für schwer zugängliche Fettpolster auf den Markt gebracht. Das Gefühl während der Behandlung sei ein starker Durchblutungsschmerz, sagt Noah, ähnlich wie wenn man im Winter lange in der Kälte war und dann wieder ins Warme kommt. „Revaskularisationsschmerzen, kombiniert mit einem Kneifen – das tut schon weh.“
Elke Schmidt, die in der Hamburger Estetica-Klinik liegt, ist tapfer genug. Die 38-Jährige will ihren Bauch und die Hüftpolster schlanker haben. Der Arzt Njde Hambarchian diagnostiziert ihr sechs zu behandelnde Zonen. Behandlungsdauer pro Zone: eine Stunde. Kosten pro Zone: um die 650 Euro. Ab drei Zonen gibt es Rabatt.
Ein wenig erinnert der Aufsatz des Geräts an einen Handstaubsauger, und tatsächlich kühlt er nicht nur das Fettgewebe auf vier Grad herunter, sondern produziert auch einen starken Sog – ein Vakuum. Die Bauchfalte von der Patientin wird eingesaugt und Kälte setzt ein. „Fühlt sich an, als würde mir jemand einen Riesenknutschfleck machen“, sagt sie. Auf einer Skala von eins bis zehn gibt sie den Schmerzen zu Beginn der Behandlung eine Zwei.
Als Hambarchian den Saugkopf nach einer Stunde wieder abnimmt, ist auf dem Bauch eine stark gerötete, sehr kalte, hochstehende Beule gewachsen. „Ein Alien“, sagt Schmidt trocken. Unter Hambarchians Händen verschwindet die Auswölbung wieder, der Mediziner knetet alles ordentlich durch. „Das Taubheitsgefühl verschwindet meist in den nächsten Tagen“, sagt er. Nur selten würde es über Wochen bleiben. Die durch die Kälte in Mitleidenschaft gezogenen Nervenzellen brauchen Zeit zum Regenerieren. Auch die Schwellung bleibt noch ein paar Tage zu sehen. „Wie im vierten Monat schwanger“, kommentiert Frau Schmidt am nächsten Morgen. Die Schmerzen der ersten Nacht stuft sie auf der Skala schon fast bei Fünf ein. Bei Sechs hätte sie sich krankschreiben lassen, sagt sie.
Entzündung des Unterhautfettgewebes als Folge
In den folgenden Tagen und Wochen braucht es vor allem eins: Geduld. Als Folge der starken Unterkühlung entwickelt der Körper eine Pannikulitis, eine Entzündung des Unterhautfettgewebes. Das aktiviert die Immunabwehr des Körpers, Abwehrzellen transportieren die toten Fettzellen ab. Bis zu drei Monaten kann es dauern, bis ein Effekt zu sehen ist. „Um die 30 Prozent der Fettzellen sterben ab“, schätzt der Chirurg Noah. Kein Waschbrettbauch also, aber schon flacher als vorher.
Wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2009, die bereits veröffentlichte Studien zusammenfasst, schreiben die Autoren: „Visuelle, fotografische und Ultraschalluntersuchungen konnten in klinischen Studien messbare Fettschichtreduktion zeigen.“ Allerdings ist die Anzahl der Probanden überschaubar, und die meisten Studien entstanden unter Beteiligung des Herstellers. In einer Ultraschallmessung an zehn Probanden wurde nach vier Monaten eine durchschnittlich 22,4 Prozent geringere Fettschicht verzeichnet. Was eine Diät und ein gezieltes Sportprogramm über vier Monate gebracht hätten, dazu gibt es keine Vergleichsdaten. Die Hauptaussage des Reviews: Ja, es funktioniert. Das Verfahren könne „auf sichere Weise“ Fett um eine kleinere Menge reduzieren. Zu diesem Ergebnis kam auch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA.
„Weitere Studien sind nötig“, sagt Nils Krüger, leitender Wissenschaftler bei Rosenpark Research, einem Zentrum, das auf klinische Studien in der ästhetischen Medizin spezialisiert ist. „Wichtig wären Studien mit deutlich mehr als 20 Probanden und Doppelblindstudien, in denen eine Gruppe die echte Behandlung und die andere eine Scheinbehandlung zum Beispiel mit einer abweichenden Temperatur bekommt.“ Auch Langzeitstudien über mehrere Jahre fände Krüger sinnvoll, um herauszufinden, ob der Erfolg anhält und das Verfahren nicht doch zu Gewebeveränderungen führt. Ausgehend von der bisherigen Studienlage hält Krüger die Wirksamkeit für gut. „Es ist ein relativ gut untersuchtes Verfahren, das auf einer soliden Arbeitshypothese aufbaut“, sagt er. „Es funktioniert – jedoch nicht als Wundermittel zum Abnehmen, sondern zur gezielten Behandlung von gut abgrenzbarem Fettgewebe.“
Fazit: Es ist eine Möglichkeit, ein bisschen schlanker zu werden – ohne Operation. Zumindest wenn die Fettpölsterchen am Körper klein und überschaubar sind. Für stark Übergewichtige und Menschen mit vielen „Problemzonen“ ist die Methode nichts. „Ich sehe den Bereich der ästhetischen Chirurgie wie einen Werkzeugkasten“, sagt Chirurg Noah. „Man sollte in ein Institut gehen, wo alle Methoden angeboten werden und dann die passende aus dem Werkzeugkoffer gezogen wird.“