Ministerin räumt Unstimmigkeiten bei Wilke-Kontrolle ein
Wurden bei Kontrollen des Wurstherstellers Wilke Fehler gemacht? Bei einer Kontrolle ging offenbar nicht alles wie geplant zu. Missstände seien schon länger bekannt.
Von Christoph Cuntz
Redakteur Politik
Das Unternehmenslogo des Wurstherstellers Wilke hinter einem Zaun.
(Foto: dpa)
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WIESBADEN - 37 Krankheits- und drei Todesfälle werden mit Wurst, die bei der Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. KG produziert worden war, in Zusammenhang gebracht. Das Fleisch war mit Listerien belastet, die bei Menschen die meldepflichtige Infektionskrankheit Listeriose auslösen kann. Die Firma ist seit 2. Oktober geschlossen.
War das möglicherweise zu spät? Und falls ja: Wer hat dafür die Verantwortung? Zu diesen Fragen musste jetzt die zuständige Ministerin Priska Hinz (Grüne) im Umweltausschuss des Landtages vier Stunden lang Rede und Antwort stehen. Klar wurde am Ende, dass bislang erst wenig geklärt ist.
Kein Verständnis für Betriebsschließung
Offenkundig wurde indes: Der Geschäftsführer des Wurstherstellers - die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt mittlerweile wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung sowie wegen des Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - hat bis zuletzt keinerlei Unrechtsbewusstsein gezeigt. Der Chef von Wilke-Wurst habe für die Betriebsschließung kein Verständnis gehabt, sagte im Ausschuss Tobias Lackner, Leiter der Task Force Lebensmittelsicherheit. Lackner war dabei, als Anfang Oktober in Twistetal-Berndorf (Waldeck-Frankenberg) der Betrieb geschlossen wurde. „Er hat die Dimension des Falls nicht verstanden und sich für den Rest des Tages zurückgezogen“, so Lackner im Umweltausschuss des Landtages.
Sein Unverständnis für das Vorgehen der Behörden hat der Wurstfabrikant bis vor das Verwaltungsgericht Kassel getragen. Dort hat er gegen die Betriebsschließung geklagt. Die zuständige Kammer hat die Klage abgewiesen. Und die Begründung lässt aufhorchen. Denn schon im März war aufgefallen, dass mit Krankheitserregern belastete Wurst in Verkehr gebracht worden war. Auch nachdem der Betrieb deshalb gereinigt worden war, waren Ende April immer noch pathogene Listerien nachgewiesen worden. Danach seien engmaschige Kontrollen erfolgt, so das Gericht. Genutzt hat das offenbar wenig: Am 4. September wurden in einem Raum, in dem der Wursthersteller zum Verzehr nicht geeignetes Fleisch lagerte, Ekelerregendes entdeckt: „Der Raum war gefüllt mit völlig vergammelter Ware, Schimmel, Fäulnis, Gestank (…) Am Boden war eine stinkende Flüssigkeit. Durch diese Flüssigkeit fuhr man, nach den Spuren zu bemessen, mit Gefährt Ware nach draußen, anschließend wieder durch die stinkende Flüssigkeit in ‚reine Räume‘.“
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Während das Gericht davon ausgeht, dass diese Nachkontrolle am 4. September stattgefunden hat, hat sie die Ministerin im Ausschuss auf den 5. September datiert. Doch das ist an dieser Stelle die geringste Ungereimtheit. Weitaus schwerer wiegt, dass der Landkreis danach berichtet hatte, bei Wilke sei ein Großteil der Mängel abgestellt worden. Priska Hinz deshalb im Ausschuss: „Da werden wir nachfassen müssen, was es damit auf sich hat“.
Eigentlich hätten Verbraucher erwarten können, dass schon der Ekel-Befund von Anfang September Anlass gegeben hätte, über eine Betriebsschließung nachzudenken. Tatsächlich aber setzten die Behörden die Schließung erst am 2. Oktober um. Und veranlasst war sie nicht durch „Schimmel, Fäulnis und Gestank“. Sondern weil dem Umweltministerium in Wiesbaden am 16. September bekannt geworden war, dass Listeriose-Erkrankungen, die es bundesweit gegeben hat, auf den hessischen Wursthersteller zurückzuführen waren. Damit kommt schon die nächste Ungereimtheit in dem Wilke-Fall. Denn der alarmierenden Nachricht zum Trotz war auch das Ministerium nicht umgehend aktiv geworden.
Landkreis legt Bericht am 25. Oktober vor
Priska Hinz, die von ihren eigenen Mitarbeitern erst am 23. September informiert worden war, begründet das mit personellen Engpässen, die es zu dieser Zeit in der zuständigen Fachabteilung gegeben habe. Man habe dem Landkreis Waldeck-Frankenberg, der die Kontrollen bei Wilke-Wurst zuständig ist, empfohlen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Dieser Empfehlung sei der Landkreis zunächst nicht gefolgt, so die Ministerin. Nun hofft Hinz, dass sich die vielen Ungereimtheiten klären lassen, wenn der Landkreis am 25. Oktober seinen Bericht vorlegt.
Die FDP im Landtag spricht von Behördenversagen: „Auch nachdem die Ministerin Kenntnis hatte, wurde mehr als eine Woche weiter abgewartet, bevor eine Schließung des Betriebs erfolgte. So wurden weitere 300 Tonnen Wurst an die Bevölkerung rausgegeben, was definitiv hätte verhindert werden können“. Für die Linken im Landtag zeigt sich „deutlich, dass die Kommunalisierung der Lebensmittelüberwachung 2005 ein Irrweg war“.