Inzidenz bei 263,7 - RKI: "Sagt größere Veranstaltungen ab"

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Veranstaltungen absagen oder meiden, Abstand halten und Maske tragen. Das RKI betrachtet die aktuelle Corona-Entwicklung als "sehr besorgniserregend".  Foto: dpa

Weniger Kontakte, Maske, Abstand halten: Im Kampf gegen das Virus ruft das Robert Koch-Institut angesichts von 48.640 Neuinfektionen auch Geimpfte auf, sich besser zu schützen.

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BERLIN. Schon jetzt sind die aktuellen Fallzahlen höher als alle bisher verzeichneten Werte auf den Höhepunkten der vorigen Wellen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) rät dringend dazu, größere Veranstaltungen abzusagen oder zu meiden, aber auch alle anderen notwendigen Kontakte zu reduzieren. Die Entwicklung sei sehr besorgniserregend, heißt es im aktuellen Wochenbericht des Instituts. Bei den hohen 7-Tage-Inzidenzen sei es wahrscheinlich, dass es in allen Lebenssituationen zu infektiösen Kontakten kommen könnte. Bundesweit lag der Wert am Donnerstag bei 249,1. In Rheinland-Pfalz betrug die 7-Tage-Inzidenz 159,3, in Hessen 164,3 Fälle pro 100.000 Einwohner.

Es sei damit zu rechnen, dass sich der starke Anstieg der Fallzahlen innerhalb der nächsten Wochen fortsetzen werde, wenn die Bevölkerung nicht durch die freiwillige Reduktion von potenziell infektiösen Kontakten im privaten Bereich mithelfe, den momentanen Infektionsdruck auf alle zu mindern. Jeder Bürger sollte zudem möglichst alle Hygienemaßnahmen umsetzen: Masken tragen, Mindestabstände einhalten sowie Innenräume regelmäßig und gründlich lüften.

Tests werden für alle, auch Geimpfte, empfohlen

Sofern Kontakte nicht vermieden werden könnten, sollte man vorher einen Test machen. Diese Empfehlungen gelten auch für Geimpfte und Genesene. Außerdem sei es unbedingt erforderlich, bei Symptomen wie Schnupfen, Halsschmerzen oder Husten zu Hause zu bleiben – unabhängig davon, ob man geimpft ist oder nicht. Betroffene sollten ihren Hausarzt kontaktieren und dort einen PCR-Test durchführen lassen.

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Die mit Abstand höchste Inzidenz der Fälle, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, wurde in der ersten Novemberwoche in der Altersgruppe ab 80 Jahren verzeichnet. Weiter angestiegen sind auch die hospitalisierten Fälle in den Altersgruppen ab 60 Jahren. Allerdings müssen laut RKI auch immer mehr jüngere Menschen im Alter von 15 bis 59 im Krankenhaus behandelt werden – besonders im Alter der 35- bis 59-Jährigen.

Deutlich gestiegen ist in den letzten Wochen der Anteil vollständig Geimpfter unter den Infektionsmeldefällen. Er liegt in der Altersgruppe ab 60 Jahren bei über 60 Prozent. Das RKI weist daraufhin, dass dieser hohe Anteil jedoch im Zusammenhang mit der ebenfalls erreichten hohen Impfquote in dieser Altersgruppe interpretiert werden müsse. Die Impfung habe in den letzten vier Wochen (41. bis 44. Kalenderwoche) geschätzt 85 Prozent der über 60-Jährigen vor Hospitalisierung geschützt, etwa 90 Prozent in dieser Altersgruppe vor einer Behandlung auf der Intensivstation und 87 Prozent vor dem Tod. Unter den insgesamt 1393 Covid-19-Fällen mit Impfdurchbrüchen, die verstorben sind, waren 995 – das sind 71 Prozent – 80 Jahre und älter. Dass im Laufe der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden, sei erwartbar, da generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich das Corona-Virus derzeit wieder vermehrt ausbreitet.

Bund und Länder brauchen Corona-Strategie für Winter

Es sei "eine verbindliche Vereinbarung zwischen Bund und Ländern notwendig, wie wir mit der aktuellen Corona-Lage durch den Winter kommen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Dazu gehöre eine Strategie für die erforderlichen Booster-Impfungen. "Nach Möglichkeit sollten bis Weihnachten 20 Millionen Menschen diese Impfung erhalten haben."

Die Corona-Zahlen stiegen zuletzt auch in Deutschland steil an. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz erreichte auch am Freitag und damit den fünften Tag in Folge einen Höchstwert. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche mit 263,7 an. Zudem wurden 48.640 Corona-Neuinfektionen registriert. Dies ist der zweithöchste seit Beginn der Pandemie erreichte Wert. Einen Rekordwert hatte die Zahl der Neuinfektionen am Vortag mit 50.196 erreicht.

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Immer mehr Kliniken melden, dass nicht zwingend nötige Behandlungen verschoben werden und Intensivstationen am Limit sind. "Wenn sich diese Dynamik fortsetzt, können wir sehr bald nur noch Notfall- und Covid-Patienten behandeln", sagte Gernot Marx, Präsident der Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag).

Seit Wochen steigen die Inzidenzen in allen Altersgruppen an. Den höchsten Wert gibt es dem RKI-Wochenbericht zufolge unter den 10- bis 14-Jährigen - mit 411 gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Kindern in einer Woche, den 5- bis 9-Jährigen mit 345 und den 15- bis 19-Jährigen mit 302. In Schulen wird besonders häufig getestet.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Präsident Lothar Wieler wollen an diesem Freitagmorgen über die aktuelle Lage informieren. Wegen der hohen Ansteckungszahlen rücken zusätzliche Schutzmaßnahmen immer stärker in den Blick. SPD, Grüne und FDP wollen in einem Fachgespräch mit Experten über mehr Tempo für die Impfungen beraten.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schließt inzwischen auch einen neuerlichen Lockdown nicht mehr aus. Sein Bundesland hat bundesweit die höchsten Zahlen, die Wocheninzidenz hat laut RKI mittlerweile die Marke von 500 überschritten. Die 2G-Regel werde im Kampf gegen die aktuelle Corona-Welle nicht reichen, sagte Kretschmer am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". "Wir müssen weitere Instrumente dazusetzen." Andernfalls könne die jetzige Situation in einer "humanitären Katastrophe" enden.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff übte scharfe Kritik an den Corona-Plänen der Ampel-Parteien im Bund. "Ich halte die Entscheidung, die pandemische Notlage von nationaler Tragweite zu beenden, für einen gravierenden politischen Fehler", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg. "Das ist auch in der Sache eine Fehlentscheidung." Die pandemische Lage nationaler Tragweite müsse verlängert werden.

Kubicki forderte die Union zur Unterstützung auf

Die potenziellen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP wollen den Sonderstatus am 25. November auslaufen lassen. Die bisherige Rechtsbasis für Corona-Beschränkungen soll durch ein neues Infektionsschutzgesetz ersetzt werden, das einen kleineren Katalog möglicher Corona-Maßnahmen rechtlich absichern soll.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte die Union zur Unterstützung auf. "Die Situation, die wir jetzt haben, mit 50.000 Infektionen am Tag und den volllaufenden Intensivstationen, die geschehen ja unter dem aktuellen Regime", sagte er bei "Maybrit Illner". Außerdem werde die epidemische Lage nicht abgeschafft, sie laufe am 25. November aus - und niemand im Bundestag habe bisher den Vorstoß unternommen, den Sonderstatus zu verlängern.