Wiesbadens Tierschutzverein sieht Vorteile für die Vermittlungschancen von Tierheimhunden - und für Halter, die wenig Geld haben. Doch er spricht auch von „Verbesserungspotenzial“.
Wiesbaden. Es gilt seit 1. Januar: Wer einen Hund aus dem Wiesbadener Tierheim übernimmt, muss keine Hundesteuer an die Stadt zahlen - und das unbefristet. Diese Änderung der Hundesteuersatzung hatte die Stadtverordnetenversammlung im Dezember entschieden und so einen Beschluss aus dem Jahr 2021 umgesetzt. Damit sparen Halter, die sich für einen Tierheimhund entscheiden, jährlich 180 Euro. Nach alter Satzung waren Tierheimhunde nur zwei Jahre von der Steuer befreit, wie das städtische Finanzdezernat erklärt. Halter ehemaliger Wiesbadener Tierheimhunde, die sich aktuell in diesem Zeitfenster befinden, müssen keinen neuen Antrag stellen. Sie werden „von Amts wegen” befreit. Wer schon vor Jahren einen Hund aus dem Wiesbadener Tierheim übernommen hat, kann ab diesem Jahr auch profitieren. In diesem Fall muss allerdings ein Antrag an das Kassen- und Steueramt gestellt werden.
Durch diese Steuerbefreiung kann „über die Jahre eine stattliche Ersparnis entstehen”, weiß Henriette Hackl, Vorsitzende des Wiesbadener Tierschutzvereins. Es sei also durchaus ein Anreiz, sich zunächst, vor Anschaffung eines Hundes, im Tierheim Wiesbaden umzusehen. Und „für unsere Hunde bedeuten mehr Interessenten eine bessere Vermittlungschance.” Aktuell stehen auch wieder viele Anfängerhunde, kleine und junge Hunde zur Vermittlung. Gleichzeitig müssen sich potenzielle Halter natürlich bewusst sein, dass neben der Hundesteuer auch viele andere Kosten anfallen: für Erstausstattung, Futter, Tierarztbesuche und eine Haftpflichtversicherung. Man müsse die Anschaffung gut abwägen und sich fragen: „Kann ich das Tier dauerhaft versorgen?”
Von der Hundesteuer sollen Halter auch dann befreit werden, wenn sie ihren Hund gut erzogen haben. Sie sich also „nachweislich zusammen mit ihrem Hund in der Öffentlichkeit bewegen können, ohne andere Personen oder Tiere zu belästigen oder zu gefährden”, so die Stadt. Dies wird bei Schul-, Therapie- und Behindertenbegleithunden angenommen oder kann mit einer Prüfung nachgewiesen werden („Hundeführerschein“). Dieser Aspekt wird vom Tierschutzverein „ausdrücklich begrüßt”, so Hackl. Es schaffe einen Anreiz für Hundebesitzer, sich mit der Erziehung zu beschäftigen - was „im Interesse der Allgemeinheit ist”. Zudem sorge es für mehr Sachkenntnis bei den Hundebesitzern. Sie lernen „die Bedürfnisse des Hundes kennen, was aus Tierschutzgründen zu begrüßen ist, da eine bessere, artgerechte Haltung durch mehr Kenntnis zur Hunderasse und Haltung erwartet werden kann”.
Sehen Sie hier, wie die Zahl der gemeldeten Hunde in Wiesbaden gestiegen ist:
„Die Menschen sparen eher an sich, als an ihren Tieren”
Auch Wiesbadener, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherungsleistungen beziehen, profitieren von der veränderten Satzung. Sie mussten bisher die halbe Hundesteuer zahlen und sind nun für den ersten Hund vollständig davon befreit. Wie das Finanzdezernat auf Anfrage berichtet, waren im vergangenen Jahr (nach entsprechender Antragstellung) 310 Hunde ermäßigt besteuert worden. Diese Halterinnen und Halter werden ebenfalls „von Amts wegen” befreit und müssen keinen neuen Antrag stellen. Diese Steuerbefreiung helfe den Betroffenen sehr, so Hackl, „gerade in diesen Zeiten, wo alles drastisch teurer geworden ist”. Für Menschen mit geringem Einkommen mache schon eine kleine Ersparnis einen großen Unterschied. Sie „sparen eher an sich, als an ihren Tieren”. Gerade für ältere, alleinstehende Personen mit kleiner Rente bedeuteten die eigenen Tiere „schlichtweg alles” und schützen sie vor Einsamkeit. Die Neuerung helfe, „damit sie nicht im schlimmsten Fall in der Not ihre Tiere abgeben müssen”.
Henriette Hackl sieht aber auch noch „Verbesserungspotenzial” und wirft die Frage auf, ob eine Hundesteuer, die einst als „Luxussteuer” gedacht war, überhaupt noch zeitgemäß ist. „In mehreren europäischen Ländern ist die Hundesteuer bereits abgeschafft worden (zum Beispiel Frankreich), doch die Hundesteuer bietet den Gemeinden in Deutschland eine lukrative Einnahmequelle, über deren Höhe sie auch noch selbst bestimmen können.” Sie findet, Tiere sollten überhaupt nicht besteuert werden. Wie berichtet, fließen die Einnahmen aus der Hundesteuer in sämtliche städtischen Ausgaben. Seit Pandemiebeginn stieg die Zahl der Hunde und damit die Hundesteuereinnahmen in Wiesbaden: von 1,62 Millionen Euro (2019) auf 1,85 Millionen Euro (2022). Zum 1. Januar 2023 waren 10.758 Hunde in Wiesbaden angemeldet. Das sind nochmal 224 Hunde mehr als im Vorjahr.
Kritisch sieht Hackl auch, dass Listenhunde von den neuen Erleichterungen ausgenommen sind. Hessen führt - wie einige andere Bundesländer auch - eine Liste mit „gefährlichen” Hunderassen, für deren Haltung es besondere Auflagen gibt. Die meisten Listenhunde, die im Tierheim leben, seien von Behörden gebracht worden, sagt Hackl. Nicht, weil der Hund „eine Vorgeschichte hat”, sondern weil sich der Halter als unzuverlässig erwiesen habe. Das Tierheim schaue sich neue Halter für Listenhunde ohnehin „besonders gut an”. Deshalb sieht sie „schlichtweg keinen sachgerechten Grund” Hundehalter anders zu besteuern, die sich für ein solches Tierheimtier entscheiden. Warum Listenhunde ausgenommen sind, lässt das Finanzdezernat auf Nachfrage offen. Und verweist stattdessen darauf, dass in Wiesbaden Listenhunde, nicht wie in „vielen anderen Kommunen”, erhöht besteuert werden.