Für mehr Schutz vor Wölfen: Schäfer demonstrieren in Wiesbaden

In Begleitung von drei Alpakas demonstrierten mehrere hundert Schäfer und andere Weidetierhalter in Wiesbaden gegen den Wolf. Foto: dpa

Ob nach langer Zeit wieder ein Wolf in Hessen heimisch wird, ist noch unklar. Die Weidetierhalter treibt jedenfalls die Angst um ihre Schafe, Ziegen und Kälber um. Sie...

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WIESBADEN. Die einen sprechen vom „bösen Wolf“, die anderen freuen sich, dass Isegrim, der in Deutschland lange Zeit ausgestorben war, endlich wieder heimisch geworden ist - in Brandenburg oder Niedersachsen schon lange, jetzt möglicherweise auch in Hessen. Einzelne Exemplare des Beutegreifers haben hier bereits Schafe gerissen. Fünf Tiere von Schäfer Norbert Werner aus dem osthessischen Kalbach sind ihm zum Opfer gefallen, weitere 20 hat er verletzt. „Trotz Umzäunung“, sagt Werner.

Hessen bezuschusst das Aufstellen solcher Herdenschutzzäune, die 90 Zentimeter hoch sind. „Ein Witz“, meint Werner, der mit 250 anderen Schäfern und Weidetierhaltern nach Wiesbaden gekommen ist, um gegen den Wolf und das aus Sicht der Schäfer völlig unzureichende Wolfsmanagement der schwarz-grünen Landesregierung zu demonstrieren. Wölfe können einen solchen 90 Zentimeter hohen Zaun mit Leichtigkeit überspringen. Einerseits. Andererseits bringen Schutzzäune ein Problem mit sich: Je höher sie sind, desto schwerer lassen sie sich spannen.

Zwölf Übergriffe von Wölfen auf Schafe hat es in Hessen bislang gegeben. Manchmal zahlt das Land eine Entschädigung. Manchmal nicht. Etwa dann nicht, wenn der Schutzzaun nicht fachgerecht aufgestellt war. Auch dies ist ein Grund dafür, dass sich die Schäfer in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sehen.

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Nicht nur bei Schäfern, auch bei anderen Weidetierhaltern wächst die Furcht vor Isegrim. „Weidetiere statt Wolfsrevier“ ist auf einem Plakat zu lesen, das ein Demonstrant trägt. Und Susanne Schnarr aus dem Vogelsbergkreis hat das Foto eines Zähne fletschenden Wolfs mit den Worten untertitelt: „Wolf, wir brauchen Dich hier nicht“. Sie und ihr Mann haben den Betrieb mit heute 700 Schafen vor 45 Jahren aufgebaut. „Jetzt stellt der Junior all das infrage“, sagt sie. „Er hat gesagt: Ein Wolfsangriff und ich höre auf“.

Bernd Keller ist einer derer, die die Demonstration organisiert haben. Er ist Vorsitzender des Schäfersvereins im Odenwaldkreis und jetzt, in Wiesbaden, einer der Hauptredner aufseiten der Schäfer. Weidetierhalter betrieben die natürlichste Form der Tierhaltung, sagt er. „Sie erhalten die Artenvielfalt einer Pflanzen- und Insektenwelt, wie sie von der Bevölkerung und der Politik gewünscht wird“. Es gebe keine Überdüngung, keine Monokulturen. „Wir halten Rassen, die vom Aussterben bedroht sind“. Der Wolf aber „war nie vom Aussterben bedroht. Er hat nur woanders gelebt“.

Jetzt ist Isegrim zurückgekehrt. Was dies bedeutet, rechnet der Landesjagdverband vor. Er geht davon aus, dass in Deutschland bereits im Frühsommer 1 800 Wölfe in Deutschland heimisch geworden sind. „Bei einer jährlichen Populationsrate von 35 Prozent verdoppelt sich alle drei Jahre der Wolfsbestand“. Entsprechend würden auch die Schäden an Nutztieren von Jahr zu Jahr um 35 Prozent steigen.

Im Frühsommer 1800 Wölfe in Deutschland

Die Jäger fordern Lösungen statt „falsch verstandener Naturromantik“. Und Lösungen heißt: Gefährliche Wölfe ohne bürokratischen Aufwand abschießen. Schäfer Keller wiederum befürwortet eine Bestandsobergrenze für den Beutegreifer, „sodass Weidetierhaltung noch möglich ist“.

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Doch auch dies geht offenkundig vielen nicht weit genug. Deutlich wird das, als mit Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) die zweite Hauptrednerin aufs Podium steigt. Ihren Satz „Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben“ quittiert die Menge mit Buhrufen und Pfiffen. Doch die Ministerin bleibt standhaft: „Wir sollten nicht so tun, als stünden wir kurz davor, dass Kinder oder Erwachsene vom Wolf angefallen werden“, sagt sie. Und: „Der Wolf hat ein Recht, hier zu leben, wie jedes andere Tier auch, das hier ansässig ist“. Aus ihrer Sicht führt die Parole „Der Wolf muss weg“ zu nichts.

Deutlich wird aber auch, dass das seitherige Wolfsmanagement der Ministerin zu kurz gegriffen hat. Jetzt muss sie nachbessern: Hinz kündigt das vor den demonstrierenden Weidetierhaltern an. Nach ihrem Willen soll die Herdenschutzprämie von 31 Euro pro Hektar, die für Weideschutzzäune gezahlt wird, auf über 40 Euro aufgestockt werden.

Für einen Betrieb mit 700 Schafen und rund 170 Hektar bedeutet das einen Zuschuss von 6 800 Euro im Jahr. Das aber deckt allenfalls ein Drittel der Kosten, rechnet ein Schäfer aus Nordhessen vor. Die Arbeit, die das Aufstellen der Zäune bereitet, ist da noch nicht miteingerechnet.

Von Christoph Cuntz