Welche Herausforderungen muss regionaler Weinbau meistern?
Bernd Wechsler vom Oppenheimer Kompetenzzentrum Weinmarkt und Weinmarketing erläutert im Interview, welche Trends sich abbilden und was die Klimaerwärmung mit sich bringt.
Chardonnay, Sauvignon Blanc und Merlot legen in Rheinhessen in der Rebfläche und am Markt zu.
(Archivfoto: Fotolia-doris oberfrank-list)
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NIEDER-OLM - Der Titel ist Programm. Über den „Weinmarkt Rheinhessen 2020 – konstant im Wandel“ spricht Bernd Wechsler vom Kompetenzzentrum Weinmarkt und Weinmarketing in Oppenheim am Donnerstag um 14 Uhr bei den Agrartagen. Debatten und Fachbeiträge über den Weinbau sind von diesem Mittwoch an das tragende Thema in der Nieder-Olmer Ludwig-Eckes-Halle. Und es ist einiges im Wandel, wie Wechsler im Interview erläutert.
Herr Wechsler, gibt es einen neuen Trend am Weinmarkt?
Durch die große Trockenheit und Hitze ist das Bewusstsein für die Auswirkungen des Klimawandels gestiegen. Das schlägt sich noch nicht im Kaufverhalten nieder. Aber es gibt Untersuchungen, bei denen Verbraucher danach befragt werden, welche Aspekte ihre Kaufabsicht in Zukunft beeinflussen. Dabei nehmen Aspekte wie nachhaltige, umweltfreundliche Produktion und Bio-Weine zu. Dass es zwischen Kaufabsicht und Kaufverhalten einen Zeitverzug gibt, ist normal. Aber es handelt sich um ein Zukunftsthema, weil diese Aspekte vor allem den jüngeren Menschen wichtig sind. Rückläufiger Fleischkonsum, vegane Ernährung, „Frei von“-Etiketten, das alles spielt in dieselbe Begriffswolke hinein. Der genaue Inhalt ist noch unklar, aber die Richtung ist erkennbar. Für unsere Branche handelt es sich um einen Zukunftstreiber.
Welche Trends sind im Markt denn schon abbildbar?
Der Markt wird, was den Weinkonsum angeht, in Deutschland kleiner. Das ist seit Jahren zu beobachten und hat unterschiedliche Gründe. Zwar leben so viele Einwohner in Deutschland wie noch nie, aber durch die Zuwanderung sind auch immer mehr dabei, die nicht unbedingt Alkohol konsumieren. In einem sehr heißen Sommer wird weniger Wein getrunken. Und die nachwachsenden Kundengruppen haben ein bewussteres Konsumverhalten – lieber weniger, aber nach gewissen Wertmaßstäben. Wir hatten in Rheinhessen bereits 2012 eine Studie über den CO2-Ausstoß in der Weinproduktion. Dieses Thema gewinnt, spätestens wenn eine CO2-Steuer eingeführt wird, an Bedeutung. Die Glasproduktion ist eine erhebliche CO2-Quelle, in der Vertriebslogistik gibt es großes Einsparpotenzial. Dieses Thema wird wieder auf den Tisch kommen.
Chardonnay, Sauvignon Blanc und Merlot legen in Rheinhessen in der Rebfläche und am Markt zu. Archivfoto: Fotolia-doris oberfrank-list
Bernd Wechsler arbeitet im Kompetenzzentrum Weinmarkt in Oppenheim. Archivfoto: Krupp
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Wo liegen in Sache Klimaerwärmung die Gewinner und Verlierer?
Innerhalb Deutschlands steht Rheinhessen auf der Gewinnerseite. Wir haben gute Strukturen und Böden, die die Wetterkapriolen ganz gut kompensieren. Die Ertragsschwankungen nehmen generell zu, aber Regionen wie die Mosel mit vielen Steillagen sind viel stärker betroffen. International leiden die ganz im Süden liegenden Regionen am stärksten unter Wasserknappheit und Hitze. In Deutschland sehen wir Umstellungen bei den Rebsorten. Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot und Cabernet Sauvignon legen in Rheinhessen in der Rebfläche und am Markt zu. Grau- und Weißburgunder haben ein Allzeit-Hoch erreicht. Auch der Riesling profitiert noch, stößt aber klimatisch allmählich an seine Grenzen. Handwerklich kommen neue Herausforderungen, die selektive Lese wird wichtiger.
Die Kellereien leiden stärker als die Flaschenweinproduzenten. Warum ist das so?
Bei schwankenden Erträgen und Qualitäten haben wir auch schwankende Preise, und das ist Gift für die Kellereien. Sie müssen sich breiter aufstellen und auch im Ausland zukaufen. Die Unsicherheit in volatilen Märkten steigt. Auch hier spielt eine Veränderung des Verbraucherverhaltens eine Rolle. Je stärker die Frage nach den Produktionsbedingungen eine Rolle spielt, umso schwerer haben es die Großbetriebe, die in dieser Hinsicht relativ anonym wirken.
Welche Richtung sollte die Branche beim Bezeichnungsrecht einschlagen, um am Markt erfolgreich zu sein?
Die Herkunft des Produktes spielt eine wichtige Rolle. Auf der anderen Seite verabschieden sich die großen Vermarkter eher von der Region, es werden Rebsorten vermarktet. In diesem niedrigeren Preissegment ist es für die Kunden auch weniger wichtig, ob der Wein aus Rheinhessen oder der Pfalz stammt. In einem höheren Preissegment, das zu erreichen ja das Ziel ist, ist das Thema Herkunft wichtig. Wir müssen einen Spagat schaffen zwischen dem Massenmarkt, der von den Bezeichnungen her dem Kundenverhalten im Lebensmitteleinzelhandel Rechnung trägt, wo man beispielsweise auch einen „Riesling aus Rheinland-Pfalz“ anbieten kann, und dem Markt für die Premium-Produkte, in dem die Flaschenweinvermarkter ihre Vorstellungen umsetzen, zu denen etwa die Qualitätspyramide passt.
Da würde die Profilierung der Region Rheinhessen als Gesamtpaket etwas zwischen die Mühlsteine geraten ...
Das Thema ist sehr kompliziert. Die großen Kellereien und Vermarktungsstrukturen passen nicht mehr zu den einzelnen Regionen, sie brauchen eine größere Bezugsbasis. Was die Verbände davon halten, ist eine ganz andere Frage. Aber die Diskussion geht schon in die Richtung eines Basismarktes und darüber dann einer herkunftsbezogenen Differenzierung. Es gibt da noch weit auseinandergehende Vorstellungen.