OPPENHEIM - Wertvolle Informationen und Denkanstöße hat das 24. Weinkultur-Seminar der Weinbruderschaft Rheinhessen vermittelt, die sich in der Staatlichen Weinbaudomäne Oppenheim traf. Hausherr und Brudermeister Otto Schätzel blickte eingangs auf die bisherigen Weinkultur-Seminare zurück, deren Themen der Region wichtige Impulse gegeben hätten.
Die Themen des Seminars passten zum diesjährigen Spannungsbogen „Weinkultur zwischen Freiheit und Verantwortung“, der auf das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ anspielt. Das Thema „Wertschätzung schafft Wertschöpfung“ beleuchtete Carsten Fuchs, der die „Gute Botschafter Unternehmensberatung“ in Köln führt. Anhand von oberflächlichen Werbeversprechen machte er deutlich, dass im Geschäftsleben oft versucht werde, die Kunden über den Tisch zu ziehen, anstatt sie durch echten Service und Zuwendung zu gewinnen. Sein Appell lautete: „Liebe Deinen Kunden!“
Die Schöpfungsverantwortung für Landwirtschaft und Weinbau stellte Dr. Maren Heincke vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung, die auch Beauftragte der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau ist, in den Mittelpunkt ihres Vortrags. Weltweit müssten aktuell rund 800 Millionen Menschen hungern. Dies liege auch an der schlechten Regierungsführung vieler Entwicklungsländer. Weil aber Ernährungssicherung auch zur Friedenssicherung beitrage, müsse unbedingt eine global nachhaltige Landwirtschaft umgesetzt werden.
Unter dem ironischen Titel „Genussglück per Mausklick“ riss Bernd Wechsler vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Oppenheim die Frage an, ob die Digitalisierung die Weinkultur verändert. 90 Prozent aller Deutschen unter 70 Jahre nutzten inzwischen das Internet. Bislang würden 14 Prozent des Einzelhandelsumsatzes im Non-Food-Bereich im Internet erzielt, aber erst 1,2 Prozent der Lebensmittel wechseln so den Besitzer.
Winzer könnten vom Gegentrend profitieren
Ihren Wein kaufen die Deutschen zu 48 Prozent bei Discountern, zu 29 Prozent im Lebensmitteleinzelhandel sowie SB-Warenhäusern, aber auch bei Direktvermarktern (11 Prozent) und Fachhändlern (8 Prozent). Der Online-Handel bewege sich erst bei 4 Prozent, aber weise eine hohe Dynamik auf: Jedes dritte Weingut setzt bereits auf Online-Vertrieb und allein das Portal „Wir Winzer“ habe bereits mehr als 14 000 Weine im Sortiment. Vincampo biete 17 000 Weine an, Amazon gar 28 000 Weine. Der Referent sieht für die Winzer die Chance, vom Gegentrend der Digitalisierung zu profitieren: Echtheit und persönliche Kompetenz werden an Wert gewinnen.
„Wir müssen die Menschen und Emotionen in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen“, forderte Brudermeister Otto Schätzel. Für eine moderne Landwirtschaft müsse es zu einer Abkopplung von Subventionen in der EU kommen, denn diese seien auf Dauer nicht mehr zu bezahlen. Sie hätten in Mittel- und Osteuropa Gelüste geweckt, „die uns letztendlich an die Grenze unserer Finanzierbarkeit führen“, zitierte er EU-Kommissionspräsident Juncker. Persönlicher Dialog mit dem Kunden sei unverzichtbar, aber auch die Digitalisierung mit ihrer Vermarktung per Mausklick sei nicht aufzuhalten.