Unheilbar krank – Aufgeben ist trotzdem keine Option

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Prof. Dr. Stephan Gehring hat Patient Maximilian immer im Blick. Der junge Mann leidet an einer Erbkrankheit. Foto: hbz/Stefan Sämmer
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Der 21-jährige Maximilian leidet an einer fortschreitenden Muskelschwäche. Er gehört zum Kreis der jungen erwachsenen Patienten, die auf der Kinderintensivstation betreut werden.

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MAINZ. Es war ein blöder Unfall, der Maximilian – mal wieder – ins Krankenhaus beförderte. Ein Sturz im Badezimmer, und schon war der Oberschenkel gebrochen. Jetzt liegt Maximilian in seinem Krankenbett in der Kinderintensivstation und erholt sich langsam. Der Genesungsprozess ist kompliziert und langwierig, denn der 21-Jährige leidet an einer Muskeldystrophie des Typs Duchenne.

Damit gehört Maximilian zu dem kleinen Kreis junger erwachsener Patienten, die vom Team der Kinderintensivstation der Unimedizin Mainz betreut werden. Meist kommen sie als kleine Kinder zum ersten Mal, werden dann immer wieder stationär aufgenommen, sei es zu Routinekontrollen oder bei Komplikationen. Dabei wächst das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten – die zudem auf die Behandlung solcher Erkrankungen spezialisiert sind. Und auch wenn die Erkrankten das 18. Lebensjahr längst überschritten haben, bleiben sie an die Kinderintensivstation „angebunden“.

Wann kam Maximilian zum ersten Mal hierher, in die Mainzer Kinderklinik? „Ich muss ganz klein gewesen sein, ich kann mich gar nicht mehr erinnern“, sagt der 21-Jährige. Bei Kindern, die an Duchenne-Muskeldystrophie erkranken, ist der Ausbruch im Vorschulalter typisch.

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Die gar nicht so seltene Erbkrankheit bricht nur bei Jungen aus, Frauen und Mädchen können „Trägerinnen“ sein. „Meist geht es so mit fünf Jahren los, kurz vor der Einschulung“, erklärt Prof. Dr. Stephan Gehring, Leiter der Kinderintensivstation. Die Kinder weisen plötzlich eine Muskelschwäche auf, haben Schwierigkeiten, aufzustehen. Die Krankheit schreitet rasch voran, erfasst den ganzen Bewegungsapparat. Irgendwann sind die Kinder auf einen Rollstuhl angewiesen, werden pflegebedürftig. Im Jugendalter wird die Atemmuskulatur schwächer. Später dann greift die Dystrophie den Herzmuskel an. Erkrankte werden selten älter als 30, 35 Jahre.

Was macht eine solche Diagnose mit einem jungen Menschen? Mit seiner Familie? „In der Tat ist es so, dass manche Familien nur noch um die Erkrankung kreisen“, sagt Gehring. „Das ist verständlich, aber kritisch. Und dann gibt es andere, die es schaffen, ihrem Sohn ein Höchstmaß an Selbstständigkeit zuzugestehen. Und Patienten, die ihr Leben trotz der Erkrankung in die Hand nehmen und gestalten.“

Zur zweiten Gruppe gehört Maximilian. Ja, er braucht einen Rollstuhl. Ja, er braucht Menschen, die ihm das Essen kleinschneiden. Ja, er braucht ein Atemgerät, das ihm dabei hilft, genügend Sauerstoff zu bekommen. Und ja, er braucht die Ärzte und Pflegekräfte der Kinderintensivstation, die ihn engmaschig überwachen und ihm jede medizinische Versorgung angedeihen lassen.

Alles andere macht Maximilian selber. Der 21-Jährige studiert im fünften Semester Politik und Geschichte in Frankfurt; sein Motto lautet: Wenn Du nicht die Steine wegräumst, die Dir in den Weg gelegt werden, macht es keiner. Zuletzt erkämpfte sich Maximilian die Möglichkeit, ein Praktikum im hessischen Landtag zu absolvieren. Das sollte ihm zunächst verwehrt werden, doch Maximilian ließ nicht locker. Dann kam Corona, das den jungen Mann als Risikopatienten ins Homeoffice verbannte, und dann auch noch der Sturz.

Jetzt muss sich Maximilian zurück in sein Leben kämpfen. Erstes Ziel: raus aus dem Krankenhaus. Zweites Ziel: Zuhause wieder gut klarkommen. Erst dann wird der junge Mann wieder die Kraft haben, sich seinem Studium, seinen Plänen zu widmen. Aber: Aufgeben ist keine Option.

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Prof. Gehring und sein Kollege Ralf Huth, der Maximilian auch schon seit vielen Jahren kennt, schätzen den jungen Patienten sehr. Seine Intelligenz und seinen Mut, seinen Witz und seine Gewitztheit. „Maximilian sagt immer, er möchte mal Gesundheitsminister werden, da gebe es noch viel zu tun“, lächelt Gehring. Der junge Mann nickt ernst – er erlebt tagtäglich aus Patientenperspektive, wie es um das deutsche Gesundheitssystem bestellt ist. Und er weiß, welchen Belastungen die Menschen ausgesetzt sind, die in diesem System arbeiten – auch an der Mainzer Klinik. „Ich sehe, wie sie immer ihr Bestes geben, auch unter schwierigen Rahmenbedingungen“, sagt der Student. Er weiß – hier wird alles dafür getan, um ihm so viel Lebensqualität wie möglich zu schenken.