Nach der riesigen Solidaritätswelle zu Beginn des Ukraine-Krieges verzeichnen die Hilfsorganisationen nun einen deutlichen Spendenrückgang. Dabei ist die Not im Kriegswinter groß.
Rheinhessen. Nach Ausbruch des Ukrainekriegs waren die Solidarität, die Hilfsbereitschaft riesengroß - die Spendenkonten füllten sich schnell, Hilfsgüter wurden tonnenweise gen Osten gebracht. Doch die Welle ist nahezu verebbt, vermelden die Organisationen in Rheinhessen, die die Hilfsaktionen auf die Beine gestellt haben. Ihr verzweifelter Appell: „Schickt Wärme in die Ukraine - lasst die Menschen dort nicht im Stich.”
Denn die Lage ist vielleicht dramatischer denn je. Die paar Tage Frost in Deutschland - sie sind nur ein müder Abklatsch von dem, was den Menschen in der Ukraine bevorsteht. Sie sitzen bei teils deutlich niedrigeren Temperaturen in Zelten, U-Bahn-Schächten und dunklen Wohnungen, die meiste Zeit des Tages ohne Strom, ohne Licht, ohne Heizung. „Die Lage für viele Menschen in der Ukraine ist dramatisch, es geht für sie schlicht darum, den Winter zu überstehen“, sagt Ulrich Rüther. „Und ohne Hilfe schaffen sie das nicht.“
Rüther, seines Zeichens Präsident des Lionsclubs Mainz-Schönborn, ist eine von vielen Persönlichkeiten in Rheinhessen, die sich seit Ausbruch des Ukrainekrieges für die Opfer des Konfliktes starkmachen. Er engagiert sich im Netzwerk „Ukrainehilfe Mainz“, in dem sich etliche Organisationen und Verbände zusammengeschlossen haben, darunter der Verein Mombach hilft und die Lions Clubs, die Malteser oder auch Mainz05 hilft. Rüther ist durchaus stolz darauf, was das Netzwerk auf die Beine gestellt hat: „Insgesamt waren es 20 voll beladene Vierzigtonner, die wir seit März auf den Weg nach Ostpolen beziehungsweise Lemberg bringen konnten“, sagt er. Vor zwei Wochen wurde der vorerst letzte Laster beladen, mit 400 Stromgeneratoren, Schlafsäcken, medizinischen Hilfsgütern – und 1000 Schoko-Nikoläusen, die an sechs ukrainische Waisenhäuser gingen. „Aber nun ist uns, wie es zu erwarten war, das Geld ausgegangen“, sagt Rüther. „Wir wollen aber nicht aufhören mit unserer Hilfe, jetzt erst recht nicht: In einer Zeit, in der die Menschen unter großer Kälte und der schwierigen Energieversorgung besonders leiden.”
Was Rüther und seinen Mitstreitern dabei zu schaffen macht: Nach der ersten riesigen Welle der Hilfsbereitschaft sei nun eine gewisse Spendenmüdigkeit festzustellen. „Wir hoffen jetzt einfach darauf, dass sich die Menschen hier mit jenen, die in der Ukraine im Kalten sitzen, solidarisch zeigen.“ Vor allem an Unternehmen, die gut durch die Krise gekommen seien, richte er seine Bitte, so Rüther: „Bringen Sie etwas Wärme in die Ukraine!“
Wir dürfen nicht aufhören mit unserer Hilfe, jetzt erst recht nicht, in einer Zeit, in der die Menschen unter großer Kälte besonders leiden.
Das ehrgeizige Ziel des Netzwerks: Spätestens Ende Januar, Anfang Februar soll noch einmal ein Transport mit 400 Heizgeräten und Stromgeneratoren Richtung Osten geschickt werden. „Diese Dinge werden am nötigsten gebraucht, und wir wissen auch genau, welche Geräte wo benötigt werden, dank unserer guten Kontakte in die Ukraine.“ Rund 200.000 bis 250.000 Euro an Spenden wären dafür nötig.
Auch Behrouz Asadi, Leiter des Migrationsbüros der Malteser für Rheinland-Pfalz und Hessen, der die Hilfen mit organisiert, hofft auf ein kleines Weihnachtswunder. „Krempelt die Ärmel hoch, helft und spendet – das möchte ich den Leuten hier sagen“, erklärt Asadi, der genau weiß, in welchem Elend die Ukrainer sitzen. „Die Winter sind knochenhart, es geht ums Überleben. Es muss geholfen werden, und zwar jetzt.“
Doch die Spendenbereitschaft ist „extrem eingebrochen”, diese Erfahrung hat auch Sven Hieronymus gemacht. Der Comedian aus Bodenheim ist das prominente Gesicht von „Nicht reden! Machen e.V.”, einem Verein, der sehr schnell und effektiv Hilfsgüter in Richtung Ukraine brachte. Anfangs sei die Unterstützung riesengroß gewesen, „nun ist es nur noch zäh”. Worauf Hieronymus das zurückführt? „Die Leute haben sich dran gewöhnt, dass Krieg ist, es ist normal geworden. Dabei ist die Situation für die Menschen in der Ukraine extrem dramatisch, gerade jetzt, im Winter.” Deshalb käme Aufgeben nicht infrage. „Wir geben nicht auf.” In den kommenden Tagen schickt der Verein wieder einen Lkw raus, beladen mit Wintermaterialien und Stromgeneratoren - mit dem eben, was in der Ukraine am nötigsten gebraucht wird.
Und es gibt Lichtblicke, sagt Hieronymus - trotz der allgemeinen Müdigkeit. Zum Beispiel engagieren sich immer wieder und immer noch Schulen. Etwa das Mainzer Frauenlobgymnasium, an dem kürzlich die großangelegte Hilfsaktion „Im Zeichen der Hoffnung” zur Unterstützung von ukrainischen Kindern und Jugendlichen stattfand, initiiert von der Schülervertretung und der Schulseelsorge und in Zusammenarbeit mit dem Ukrainischen Verein Mainz e.V. sowie Bodenheim hilft. Solche Aktionen geben auch den Helfern Auftrieb. „Wir geben weiter alles, was wir haben”, verspricht Sven Hieronymus.
Die Leute hier haben sich an den Krieg gewöhnt. Er ist normal geworden.
Nach wie vor in der Ukraine aktiv ist auch der Verein „Armut und Gesundheit” von Prof. Gerhard Trabert. „Wir sind zwar nicht mehr selbst vor Ort, aber pflegen Kooperationen, etwa mit in der Ukraine ansässigen Krankenhäusern”, erklärt Carmen Mauerer, die Einsätze im Ausland betreut.. „So können wir sehr gezielt Hilfe leisten.” Nach wie vor zehrt der Verein von den vielen Spenden, die zu Beginn des Ukraine-Krieges eingingen. „Die sind noch nicht aufgebraucht und können jetzt eingesetzt werden. Uns war von Anfang an wichtig, langfristig Hilfe zu gewähren.” Nach wie vor freue man sich, wenn Spenden für die Ukraine-Hilfen eingingen. „Wir stellen aber natürlich auch fest, dass sich der Fokus der Menschen verändert. Viele wollen auch Hilfe vor Ort leisten.”
In der Ukraine jedoch geht es jetzt um Leben und Tod, warnt Trabert. „Ich fürchte, dass etliche Menschen erfrieren werden.” Es fehlt am Allernötigsten, und so ist Trabert froh, dass sein Verein beispielsweise einer Suppenküche in Lwiw einen Stromgenerator spendieren konnte. So werden wenigstens einige Menschen satt.