Pädagogik mit iPad: Digital-Pläne im Landkreis Mainz-Bingen

Der Landkreis plant, mittelfristig rund 16 000 iPads anzuschaffen, um diese dann an die Schüler der 21 in Kreisträgerschaft befindlichen Schulen zu verleihen. Archivfoto: dpa

Der Landkreis will die Digitalisierung des Schulalltags vorantreiben: Die Anschaffungskosten gehen in die Millionen, Eltern sollen sich mit Monatsraten an den Kosten beteiligen

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MAINZ-BINGEN/NIEDER-OLM. Chemie, neunte Klassenstufe. Säure, Lauge, ein Tropfen zu viel und das Gemisch funktioniert nicht mehr. Ein Satz der Sorte „Das war ein bisschen viel“, augenzwinkernd, aber bestimmt formuliert, tönt aus den Boxen und unterstreicht das Ergebnis auf dem Bildschirm.

Dieses Chemie-Experiment ist unbestechlich, unterliegt auch nicht dem berühmt-berüchtigten Vorführ-Effekt. Es ist ein kleines Beispiel der Digitalisierung der Schulen, die der Landkreis Mainz-Bingen besonders zügig vorantreibt.

Alle drei Jahre wären rund sechs Millionen Euro fällig

In am liebsten drei, spätestens vier Jahren soll jeder Schüler an den 21 Schulen, die in Trägerschaft des Kreises stehen, ein iPad haben. 16 000 Stück insgesamt, erworben vom Kreis und verliehen an die Schüler. Rund sechs Millionen Euro nimmt der Kreis dafür alle drei Jahre – auf diesen Zeitraum ist die Leihe der Geräte gerechnet – in die Hand. Ebenso viel Geld will der Bund aus dem Digitalpakt Schule bereitstellen, um in Mainz-Bingen die digitale Infrastruktur herzustellen. Der Kreis gibt hier 600 000 Euro dazu. „Und jede Schule bekommt in den nächsten zwei Jahren eine Glasfaser-Anbindung“, sagt der Erste Kreisbeigeordnete Steffen Wolf (SPD). Steht die Infrastruktur, können die Schulen selbst entscheiden, wann sie in die so genannte Eins-zu-Eins-Versorgung einsteigen, also pro Schüler ein Tablet anschaffen. Die Eltern sollen sich dann mit einer monatlichen Miete, wohl nach Einkommen gestaffelt, an der Anschaffung beteiligen.

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„Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten“, sagt Wolf, „die Kinder brauchen später Fähigkeiten, die wir heute noch nicht haben.“ Das iPad soll dabei das pädagogische Konzept ergänzen, neue Lernmethoden ermöglichen, aber es soll Bestandteil bleiben, nicht mehr. „Die Technik folgt der Pädagogik, nicht umgekehrt“, lautet Wolfs Maxime. 4000 Tablets sind im Kreis bereits im Einsatz. Doch wenn jeder Schüler über ein gleich ausgestattetes Gerät verfügt und dieses auch mit nach Hause nehmen kann, ergeben sich in der Lerngestaltung neue Möglichkeiten – erst recht, wenn die Schulbuchverlage die entsprechende Software entwickeln. Derzeit wird im Landkreis ein Medienentwicklungsplan erstellt, der möglichst noch im ersten Quartal im Kreistag verabschiedet werden soll. Je nach eigenem Konzept werden die Schulen dann medial ausgerüstet. „Wir werden mit Elternbeteiligung ein Finanzierungsmodell erarbeiten“, kündigt Wolf an.

An der Nieder-Olmer IGS sind bereits 80 iPads, 17 Aktivboards, auf denen die Klassen quasi wie an einer digitalisierten Tafel arbeiten können, und vieles mehr an digitaler Ausstattung im Einsatz. „Wir haben über die Fachbereiche festgelegt, wo im Unterricht digitale Elemente einfließen“, sagt Schulleiter Jürgen Winzer. Der aus Schulleitung, Lehrern, Schülern und Eltern bestehende Arbeitskreis „Digitale Schule“ arbeitet in vier Arbeitsgruppen an den Details. Dabei geht es um Tablet-Schulungen ab der fünften Klasse, Kompetenzvermittlung an die Lehrer durch Studientage und Workshops, den konkreten Unterrichtseinsatz und „Zukunftsvisionen“. „Wir haben ein junges, technikaffines Kollegium“, sagt Winzer. Dennoch bestehe natürlich Fortbildungsbedarf. Der Kreis will hierzu auf freiwilliger Basis Angebote unterbreiten.

Und er will, mit aktuell fünf Mitarbeitern, den IT-Support der Schulen selbst übernehmen. Ab Mitte des Jahres wird dieses Angebot auf die Schulen in Trägerschaft der Städte und Verbandsgemeinden des Kreises ausgeweitet. Die Digitalisierung der Schulen schreitet unaufhaltsam voran. Die ersten Erfahrungswerte zeigen, dass die Schüler größtenteils pfleglich mit den Geräten umgehen. Wolf spricht von einer Ausfallquote von lediglich 0,2 Prozent. „Und die Motivation ist viel höher, wenn die Kinder so ein Experiment erst mal am Tablet ausprobieren und dann in der Realität umsetzen“, hat die stellvertretende Schulleiterin Dorit Borm beobachtet.