Ockenheimer Pfarrkirche: Eine Madonna gibt Rätsel auf
Von Karl-Heinz Bungert
Der Mainzer Weihbischof von Straus hat im 18. Jahrhundert in diese Altarplatte die Reliquien der Heiligen Faustinus, Bonosus und Urban gelegt. Foto: Thomas Schmidt
( Foto: Thomas Schmidt)
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OCKENHEIM - In den meisten Kirchen in Rheinhessen, besonders in katholischen, befinden sich sakrale Gegenstände, die andere durch ihre Alleinstellungsmerkmale überragen – etwa, weil sie durch den Künstler, der sie geschaffen hat, wegen ihres hohen Alters oder der vielfältigen Ausdeutungen hochwertiger sind. Dazu zählen wohl auch die beiden Nebenaltäre in der Ockenheimer Pfarrkirche St. Peter und Paul.
Sie stammen aus der Klosterkirche zu Eberbach im Rheingau. Diese war reich mit Altären ausgestattet. Einer Aufzählung aus dem Jahr 1614 zufolge waren es damals 34 Altäre. Allerdings wurden diese beiden schlichten Barockaltäre erst zwischen 1691 und 1700 in Mainz gefertigt. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen der Forschung haben sich nur vier Eberbacher Altäre erhalten: Zwei wurden 1810 in die neu errichtete Pfarrkirche St. Dionysius in Kelkheim-Münster (Main-Taunus-Kreis) verbracht, die beiden anderen gelangten bereits 1775 als Geschenk des Eberbacher Abtes Adolph II., Werner von Saalmünster, nach Ockenheim. Aber besonders kostbar sind hier die aus Lindenholz geschnitzten und kolorierten Engel. Übrigens besaß das Kloster Eberbach wenigstens seit 1191 in Ockenheim Güter.
Schriften sind nicht vollständig lesbar
Ein authentisches und bisher unverändertes Zeugnis für den Weihetag am 27. Juni 1779 ist die Altarplatte am linken Nebenaltar mit dem „Gräblein“, in das der Mainzer Weihbischof von Straus die Reliquien der Heiligen Faustinus, Bonosus und Urban gelegt und mit einer Patte eingemauert hatte. Der Tisch, die eigentliche Besonderheit, war nämlich eine Grabplatte aus dem Jahr 1411. Sie ist aus hellem Sandstein und hochrechteckig mit einer Umschrift zwischen Linien gefertigt. Hier stehen der Tag und das Jahr des Todes eines Unterschultheißes. Im Mittelfeld befindet sich oben ein unkenntliches Wappen, darunter sind Spruchinschriften in Bezug auf den Tod zu lesen. Wegen der Anpassung in den Rahmen des Altars, dem Einbau des Gräbleins und durch die Verdeckung vom Altaraufbau sind die Schriften nicht vollständig lesbar.
Der Mainzer Weihbischof von Straus hat im 18. Jahrhundert in diese Altarplatte die Reliquien der Heiligen Faustinus, Bonosus und Urban gelegt. Foto: Thomas Schmidt Foto: Thomas Schmidt
Vermutlich aus dem 15. Jahrhundert stammt die Madonna des Marienaltars. Sie ist aus Lindenholz gefertigt und in sitzender Haltung gestaltet. Foto: Thomas Schmidt Foto: Thomas Schmidt
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Über die Herkunft der Platte gibt es keine Aufzeichnungen. Die Vermutung liegt aber nahe, dass sie an der ehemaligen Peterskirche auf dem Friedhof, die 1289 erstmals beurkundet ist und 1774 abgerissen wurde, angebracht war. Wie die zeitnahen Aufzeichnungen des Schultheißes Schneider über den Bau und den Kauf der Ausstattung der Kirche zeigen, versuchten die Ockenheimer dabei, wo möglich, zu sparen. Die Platte, etwas behauen, passte in das Holzgehäuse des Altars.
Die dritte Besonderheit ist seit 1957 die gotische Madonna auf dem rechten Nebenaltar. Bereits 1915 wurde sie fachlich in der Mainzer Zeitschrift beschrieben, und dieser Artikel war bis 2010 führend. Demnach wurde sie zwischen 1400 und 1420 in der Mainzer Karmeliterwerkstatt gefertigt und gehört zu den Mainzer Kreuzzeptermadonnen, wie die bekannte Korbgassenmadonna.
HISTORIE
Der Bau der katholischen Kirche St. Peter und Paul wurde 1774 begonnen. Die bis dato an selser Stelle stehende Marienkapelle aus dem 14. Jahrhundert wurde abgerissen. Einige der Steine der Kapelle wurden aber zum Bau der neuen Kirche verwendet.
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Drei Fachleute, drei Meinungen
Dagegen entstand sie nach einer fachlichen Meinung erst nach 1450, da in Bezug auf die anderen Karmelitermadonnen sie die einzige aus Lindenholz ist und in sitzender Haltung gestaltet wurde.
2010 war sie in der Ausstellung „Schöne Madonna am Rhein“ in Bonn zu sehen, die mehr als 50 000 Besucher zählte. Im Ausstellungskatalog rechnet ein Berliner Professor sie nicht zu den Karmelitermadonnen, sondern datiert sie früher um 1380 und stellt sie neben die Madonna in der Augustinerkirche in Mainz. Wegen der Haltung ihrer rechten Hand gehöre dorthin nicht ein Kreuz, sondern vielmehr Blumen oder ein Reliquiengefäß. Ein früherer Pfarrer von Ockenheim merkte zu den drei verschiedenen Feststellungen einmal schmunzeld an: „Die (Fachleute) wissen auch nicht alles.“