Magnus Kissel wird erster Weinkönig der Verbandsgemeinde Wörrstadt
Von Anita Pleic
Redaktionsleitung Rheinhessen
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Opa Karl war keiner, der nah am Wasser gebaut hatte. Aber Magnus, der schaffte es schon früh, den alten rheinhessischen Winzer zu rühren. Lange dachte der Opa, sein Saulheimer Betrieb würde nach seinem eigenen Sohn Charly keinen Nachfolger haben. Dann kündigte sich Magnus an. Und Opa Karl hätte nicht glücklicher sein können. In Nieder-Saulheim erzählt man sich, der Opa sei so voller Freude und gerührt gewesen, dass da ein kleiner Junge auf dem Weg war, dass er sich erstmal in seinem Büro, direkt gegenüber dem Familienhaus einschloss. So ganz für sich. Und dann ein paar Freudentränen vergoss. Jahre später fuhren sie mit dem Traktor durch die Ritter-Hundt-Gemeinde, Magnus und sein Opa. Gemeinsam bauten sie durch Zukauf von Rebzeilen einen Weinberg nur für den Sprössling auf. Ganz Saulheim kannte die beiden als Duo.
Die Leidenschaft für den Wein, die hat Opa Karl geweckt. Wie Magnus sie lebt, kann er nicht mehr verfolgen. Gerade als der Weinberg so groß ist, dass er Magnus eine Grundlage zum Arbeiten bietet und sie loslegen können, verstirbt Opa Karl. Was nur würde er sagen, wenn er sehen könnte, dass Magnus nicht nur erfolgreich in den Betrieb eingestiegen ist, sondern auch der erste Weinkönig der Verbandsgemeinde (VG) Wörrstadt ist; eine erfolgreiche Rarität in der rheinhessischen Weinwelt? „Der Opa hätte das super gefunden“, sagt Magnus voller Überzeugung. Und es gibt dafür einige Indizien. Magnus ist im erweiterten Familienkreis der Dritte, der als Weinmajestät fungiert. Immer war der Opa Feuer und Flamme für das Amt, natürlich noch mehr für die Amtsträger aus der Familie, Tochter und Nichte. Sogar eine Weinkrone hat er entworfen, für die beiden Majestäten der Familie, auf deren Spuren Magnus nun wandelt.
Erster Weinprinz der VG sorgt für großes Medienecho
Dass der 22-Jährige überhaupt die Chance hatte, in das Amt gewählt zu werden, liegt daran, dass die VG Wörrstadt die Richtlinien zur Wahl der Weinmajestäten vor Jahren änderte. Weinkönige sind weitestgehend nicht vorgesehen. Die VG Wörrstadt ist – mit wenigen Ausnahmen wie Prinz Schampus in Osthofen – Vorreiter und lässt Männer und Frauen zur Wahl zu. Wie sich mit der Wahl des ersten Weinprinzen im Jahr 2011 herausstellte, eine lohnende Änderung für die VG: „Wir haben nur positive Erfahrungen gemacht und ein riesiges Medienecho erfahren. Das ist für die VG ein Gewinn, das kann man nicht anders sehen. Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, das Amt auf ein Geschlecht festzulegen. Ein gemischtes Team kann hervorragend Werbung für die Region und den Wein machen“, blickt Markus Conrad, Bürgermeister der VG, zurück.
Magnus Kissel ist am Freitagabend in Saulheim zum ersten Weinkönig der Verbandsgemeinde Wörrstadt gekrönt worden. Dort erlauben es die Richtlinien seit Jahren, einen männlichen Bewerber zur Weinhoheit zu wählen – selten in Rheinhessen. Foto: Kopp
( Foto: Kopp)
Magnus freut sich indes „wie ein Kind“ über die Aufgabe und die Zeit im Team mit seinen Prinzessinnen Eva Brodrecht und Annika Thörle. Maik Dörrschuck und Christian Landgraf, zwei Winzerfreunde aus Saulheim, brachten ihn auf die Idee, ins Rennen um die Weinkrone der VG zu gehen. Also fragte Magnus lose an, traf auf offene Ohren. Am letztmöglichen Bewerbungstag schickte er eine Mail an Ina Köhler, die die Wahl für die VG organisiert. „Meine Eltern und Freunde stehen hinter mir. Während ich mich auf die Jurybefragung vorbereitet habe, hat mich der Ehrgeiz gepackt. Ich bin froh, dass wir drei das im Team machen“, sagt der Saulheimer. Sein erklärtes Ziel ist es, „als Weinkönig eine gute Arbeit zu machen. Wenn ich das geschafft habe, kann ich mir vorstellen, dass auch die rheinhessische Ebene interessant wäre. Aber ich muss ja erstmal hier überzeugen.“
DER STATUS QUO
2006 hat die VG Wörrstadt beschlossen, auch männliche Bewerber zuzulassen. Hintergrund hierfür war, dass es in den Jahren davor mehrfach schwierig war, Bewerberinnen zu finden. Weinprinz Raphael aus Armsheim war zwei Jahre im Amt.
Die Wahl der Deutschen Weinkönigin erfolgt im Auftrag der gesamten deutschen Weinwirtschaft durch das DWI in Zusammenarbeit mit den 13 Gebietsweinwerbungen. Grundlage sind die Richtlinien für die Wahl, Aufgaben und den Einsatz der Deutschen Weinhoheiten, die gemeinsam entwickelt werden. Derzeit sind nach diesen Richtlinien ausschließlich Bewerberinnen zur Wahl zugelassen. Daran orientiert sich auch Rheinhessenwein.
Doch könnte er zur Wahl der Rheinhessischen Weinmajestäten antreten, oder gar zur Deutschen? Nein. Derzeit sehen das die Richtlinien von Rheinhessenwein und Deutschem Weininstitut nicht vor. Ein Fall für die Gleichstellungsbeauftragten? In beiden rheinhessischen Landkreisen reagieren sie erfreut auf den Weinkönig und die durch seine Wahl angestoßenen Diskussionen. Für Katharina Nuß, Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Alzey-Worms, ist die Wahl des Weinkönigs eine sehr positive Nachricht: „Ich begrüße es, dass sich ein junger Mann für die Übernahme eines Amtes interessiert, das über viele Jahrzehnte hinweg dem klassischen Rollenverständnis entsprechend mit jungen, attraktiven Frauen besetzt war. Wenn sich Männer für die Aufgaben einer Weinkönigin interessieren, was mich sehr freut, sollen sie auch Zugang zu diesem Amt haben. Die VG Wörrstadt hat ja bereits reagiert und ich vermute, dass auch die Statuten für die Wahl von Weinmajestäten in Rheinhessen oder auf Landesebene bei entsprechendem Bedarf überarbeitet werden“, sagt Nuß und zieht Parallelen zur Weinbruderschaft: „In ähnlicher Weise hat bereits die Weinbruderschaft reagiert, die mittlerweile auch Weinschwestern aufnimmt, weil es eben Interessentinnen gab. Prinzipiell ist es immer zu begrüßen, wenn ein Wandel im klassischen Rollenverständnis eintritt und Strukturen aufgebrochen werden. Warten wir gelassen ab, ob es der Wunsch des neuen VG-Weinkönigs ist, sich um das Amt der rheinhessischen Weinmajestät zu bewerben, dann können die Richtlinien modifiziert werden.“
„Diskussion kann neue Chancen eröffnen“
Thomas Zöller, Pressesprecher des Landkreises Mainz-Bingen, erklärt indes: „Diskussionen können neue Chancen eröffnen. Dazu kann die Wahl eines Weinkönigs zählen. Ob die Fragestellung nun eine Fragestellung der Gleichberechtigung, der Nachwuchssicherung oder der Werbung ist, mag man aus unterschiedlichen Blickwinkeln unterschiedlich beantworten.“ Mainz-Bingen sieht in erster Linie das Deutsche Weininstitut am Zug, an dessen Richtlinien sich Rheinhessenwein orientiert.
Letzteres bestätigt Bernd Kern, Geschäftsführer von Rheinhessenwein. „Wir haben unsere Richtlinien an die des DWI angepasst, damit sich Rheinhessen überhaupt bewerben kann. Aus unseren Gremien oder der Weinwirtschaft heraus kam der Wunsch bisher nicht. Davon abgesehen versuchen wir, das pragmatisch anzugehen. Natürlich war Magnus hier bei uns zu Schulungen und wird von uns unterstützt.“ Das heißt aber im Umkehrschluss: Wenn ein Mitglied von Rheinhessenwein, was etwa die VG Wörrstadt als Kommune ist, mit dem Wunsch herantritt, wird man sich damit befassen müssen. Gleichwohl liegt der Ball beim DWI. Denn das größte Anbaugebiet will natürlich seine Majestäten zur Wahl der Deutschen schicken können. Ein Alleingang könnte das erschweren. Auf Anfrage dieser Zeitung heißt es aus dem DWI: „Derzeit ist keine Änderung der Richtlinien im Hinblick auf eine Öffnung der Wahl für männliche Bewerber vorgesehen, eine solche Änderung wurde bislang nicht an das DWI herangetragen. Sollte dies aus Kreisen der Weinwirtschaft erfolgen, müsste eine Änderung im Konsens aller Beteiligten erfolgen.“
Für Weinkönig Magnus Karl Kissel – den Zweitnamen hat er wegen des Opas – ist das aber erstmal Zukunftsmusik. Seit Freitagabend hält er das Zepter der VG Wörrstadt in Händen. Seine Freunde nennen ihn schon – international geschult – King Karl. Opa Karl, so viel scheint sicher, würde stolz und zufrieden lächeln.