Was haben Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen mit Martin Luther zu tun? Und wer war nochmal Eberhard Windeck? Zwei neue Werke geben Auskunft.
RHEINHESSEN - Auf den ersten Blick haben sie wenig miteinander zu tun, das stellt Professor Michael Matheus gleich zu Beginn fest. Und auf den zweiten Blick? Kaum mehr. Außer, dass es sich um historische Weggefährten berühmter Persönlichkeiten handelt. Eberhard Windeck, Zeitgenosse Gutenbergs, legte die einzige bekannte deutsche Königschronik im 15. Jahrhundert vor. Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen, andererseits, waren auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz bedeutende Protagonisten der Reformation, im Schatten Martin Luthers. „Und ohne den Buchdruck keine Reformation“, merkt Matheus an, „dass es da Zusammenhänge gibt, steht außer Frage.“
Die gemeinsame Vorstellung beider Bücher im Mainzer Dom- und Diözesanmuseum ergab insofern schon ein stimmiges Ganzes. Joachim Schneiders Windeck-Studie ist Band 73 der Reihe Geschichtliche Landeskunde, der von Matheus herausgegebene Sammelband zur „Reformation in der Region“ ist die 21. Folge der Reihe „Mainzer Vorträge“. Hinter beidem steckt das Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz.
Und es ist nichts Geringes, das zutage gefördert wird. Von einer „titanischen Persönlichkeit“ und „einer der am meisten unterschätzten Personen der deutschen Kulturgeschichte“ spricht Matheus, die italienische Autorin Silviana Seidel Menchi zitierend, mit Blick auf Ulrich von Hutten. Als Dichter und Publizist profitierte der Streiter wider die Römische Kirche bereits von der Erfindung des Buchdrucks. Sein Gesinnungsgenosse im Kampf gegen Klerus und Kurie zuzeiten des Wormser Reichstags 1521, Franz von Sickingen, erfährt Würdigung gleich in mehreren Aufsätzen. Zwei Jahre später kamen sie beide zu Tode. Aus der Fehde, der mitunter gefährlich rustikalen Regelung von Konflikten abseits neutraler Instanzen, machte der Reichsritter ein einträgliches Geschäftsmodell, das er auch politisch zu nutzen wusste, zuletzt im Dienste der Reformation. Doch die Befehdung und Belagerung der Stadt Trier brachte dem Reichsritter letztlich den Tod. Auch die Hinwendung der beiden Adeligen zur Sache Luthers wird in dem Sammelband thematisiert. „Die Reformation war auch ein Medienereignis“, hielt Matheus fest. Beide Seiten der politischen Konfliktlinien versuchten damals, die Drucktechnik für ihre Zwecke zu nutzen. Warum Autor Christoph Reske statt von einer „Medienrevolution“ lieber von einer „Medienevolution“ spricht, ist ebenfalls nachzulesen. Unzweideutig ist die Bedeutung der Lutherschen Bibelübersetzung für den deutschen Sprachschatz, der um Neuschöpfungen wie Bluthund, friedfertig oder Morgenland sowie Wendungen wie „Angst und bange werden“, „Hände in Unschuld waschen“ oder „Perlen vor die Säue werfen“ bereichert wurde.
„Windeck – wenn ich den Namen in Mainz in der Weinstube fallen lasse, kennt ihn fast niemand“, bemerkte Matheus. Dabei handele es sich um „eine der faszinierendsten Figuren“ jener Zeit. Der Kaufmann, Politiker und Königsdiener entsprang einer Mainzer Ratsfamilie. Seine umfangreiche Chronik der Regentschaft von König beziehungsweise Kaiser Sigismund gibt zugleich reichlich Auskunft über Windeck selbst und hat damit erheblichen Wert hinsichtlich der Geschichte der Landeshauptstadt, eingebunden auch in reichsweite und europäische Zusammenhänge. Und genau darum geht es Matheus und seinem Institut ja bei der Regionalgeschichte.
Michael Matheus (Hg.): Reformation in der Region, Personen und Erinnerungsorte. Steiner-Verlag, 2018. 212 Seiten. 44 Euro; Joachim Schneider: Eberhard Windeck und sein „Buch von Kaiser Sigmund“. Studien zu Entstehung, Funktion und Verbreitung einer Königschronik im 15. Jahrhundert. Steiner-Verlag, 2018. 369 Seiten. 62 Euro.