Mit neuen Anbaumethoden sollen bei einem Pilotprojekt in Klein-Winternheim Agrarflächen trotz Flächenverlust höhere Erträge abwerfen.
KLEIN-WINTERNHEIM. Fläche abgeben, um trotzdem mehr aus dem Acker herausholen zu können? Klingt auf den ersten Blick unlogisch. Aber wenn das, was man sich beim Kreis Mainz-Bingen, der Initiative Naturefund aus Wiesbaden und dem Klein-Winternheimer Biolandbetrieb Biopforte vom „Dynamischen Agrarforst“ verspricht, auch tatsächlich klappt, könnte die vermeintlich widersinnige Gleichung aufgehen.
Bei der sogenannten Agroforstwirtschaft macht man sich – der Titel sagt es schon – forstwirtschaftliche Praktiken landwirtschaftlich zunutze. Im Falle von Ludger Schreibers Bio-Betrieb sind es drei Reihen mit insgesamt 100 Bäumen und Sträuchern, die einen Acker durchziehen, auf dem Rinder weiden sowie, in der üblichen Fruchtfolge, Getreide und Erbsen angebaut werden sollen. Zwischendrin: Walnuss-, Apfel- und Quittenbäume, Hainbuchen, Weide und Tafeltrauben, Sauerdorn, Haselnuss, Ginster, Johannis-, Stachel- und Jostabeere, dazu diverse Kräuter.
Die Bepflanzung ist akkurat geplant, denn der Mix ist kein Zufall. „Es handelt sich um eine hierzulande recht neue Anbaumethode, die auf hohe Vielfalt und Dichte setzt“, sagt Katja Wiese von Naturefund, die Schreiber auf die Idee gebracht hatte. Der Naturschutzverein ist Kooperationspartner des Landkreises. Es handelt sich um ein Pilotprojekt, erstmalig in Rheinland-Pfalz. Boehringer Ingelheim hat die Pflanzen gesponsert. Der Ansatz klingt vielversprechend. Es soll ein dynamisches Pflanzensystem entstehen, das gemeinsam besser mit Trockenheit und Starkregen klar kommt. Nutz- und Beipflanzen auf derselben Fläche sorgen dafür, dass der Boden das Wasser besser speichert und die Erosion abnimmt, die gerade auf Schreibers Acker im Süden Klein-Winternheims neben dem Haybach ein großes Problem ist.
25 000 Euro kostet das Pilotprojekt den Kreis. Flankiert werden soll es von wissenschaftlichen Untersuchungen unter anderem der Gutenberg-Universität Mainz. Ein Workshop zum Thema Anfang April musste Corona-bedingt verschoben werden, eine Fortbildungsreihe soll es geben. Der Kreis will auch auf die Verbandsgemeinden zugehen, damit diese Flächen bereitstellen, wie Martina Schnitzler vom Umwelt- und Energieberatungszentrum berichtet. „Ein-, zwei-, zehn- und hundertjährige Pflanzen sollen einen dynamischen Verbund ergeben“, sagt Schnitzler.
Anfangs ist das Ganze ziemlich arbeitsintensiv, der Schnitt muss stimmen. Später sollen die Forst-Streifen pflegeleicht sein. Auch klimatisch ist das Ganze ein willkommener Beitrag, findet der Beigeordnete der Verbandsgemeinde Nieder-Olm, Rainer Malkewitz, der privat bei der Pflanzaktion mitgemacht hat. „Weil die Pflanzen einander Nährstoffe abgeben, können die Agrarflächen trotz des Flächenverlusts höhere Erträge abwerfen“, berichtet Malkewitz.
Allerdings ist zurzeit noch in der Erprobung, ob der in den 80er und 90er Jahren in Südamerika etablierte Ansatz auch hierzulande greift. Die bessere Nährstoffversorgung der Pflanzen sowie die größere Leistungsfähigkeit des Bodens sprechen für Schreiber dafür, es mit dem „Dynamischen Agrarforst“ zu versuchen. „Die Landwirtschaft braucht eine Alternative“, findet der Bio-Bauer. Er bietet schon Seminare an, um Berufskollegen mit ins Boot zu holen.