Geboren am 26. Juni 1929 in Berlin als Lieselotte Giese; nach der Volksschule 1943 bis 1945 Landwirtschaftslehre in Kuhbier bei Pritzwalk; nach dem Krieg Landwirtschaftsschule in Oranienburg; Anstellung als Geflügelzüchterin in Teltow, 1949/50 als Kinderpflegerin in Bayern; 1950 bis 1965 (mit Unterbrechungen, bedingt durch die Geburt ihrer zwei Kinder) erst Fabrikarbeiterin, dann Sachbearbeiterin bei Siemens in Berlin; 1972 bis 1975 Bürokauffrau beim Finanzamt Berlin; 1976/77 als Büroangestellte im Berliner Senat für Arbeit und Soziales; 1977 Umzug mit ihrem zweiten Ehemann nach Worms; 1989 bis 2002 Telefondienst in der ärztlichen Notdienstzentrale.
Aus der ersten, 1955 geschlossenen Ehe gingen ein Sohn, eine Tochter und ein Enkelkind hervor. Seit 1985 lebt die heute 91-Jährige allein in Worms. Sie war lange ehrenamtlich engagiert, unter anderem bei den Grünen Damen und im Frauenring. Nach wie vor ist Lieselotte Radke politisch interessiert und verfolgt das Zeitgeschehen aufmerksam.
Fotomodell für Suse Byk
Im Jahr 1935 posierte die damals sechsjährige Lieselotte Radke mehrmals für die Berliner Fotografin Suse Byk in deren Atelier am Kurfürstendamm 230. Es entstanden idealtypische Kinderfotos, die unter anderem als Postkartenmotive verwendet wurden (Foto). Eine Zahnlücke beendete schließlich die kurze Karriere als Fotomodell.
Suse Byk (1884-1943) war eine bekannte Fotografin. In der Weimarer Republik porträtierte sie zahlreiche Künstler, Schauspieler, Tänzer, Sänger und Wissenschaftler, darunter den Verleger Franz Ullstein, den Maler Max Liebermann, den Schauspieler Curt Veidt und Physiker Albert Einstein. Ihre Schülerin Liselotte Strelow bezeichnete Byk später als Berlins führende Porträtfotografin der Zwanzigerjahre.
Obwohl sie Jüdin war, konnte Byk 1933 ihre Arbeit zunächst fortsetzen, geriet aber zunehmend unter Druck. 1938 emigrierte sie mit ihrem Mann, dem Journalisten und Autor Hellmuth Falkenfeld, nach London und weiter nach New York. Das Atelier übernahm Liselotte Strelow. Sie zahlte nur die Hälfte der von Byk verlangten Summe.
Lieselotte Radke kann sich nur noch dunkel an die Termine mit Suse Byk erinnern. „In einem vergitterten Aufzug fuhren wir in eine obere Etage. Die Räume waren mit Teppich ausgelegt. Meine Mutter hatte Kleidungsstücke von mir in einem Koffer mitgebracht. Ich wurde ausstaffiert und zurechtgemacht, aber nicht geschminkt. Nebenan wartete eine dunkelhaarige Frau mit der Kamera auf mich. Sie war sehr nett und erinnerte mich ein bisschen an meine Mutter. Sie war so zufrieden mit mir, dass sie mich sogar an eine Schauspielagentur vermitteln wollte, doch meine Mutter war dagegen.“
Lieselotte Radke vermutet, dass der Kontakt zu Byk über eine Zeitungsannonce zustande gekommen war. Dass Byk Jüdin war, sei bekannt gewesen. „Für meine Mutter war das aber nicht relevant.“