In einer Art Gegenbewegung wollen Dr. Annette Storr und die „Bühnen Dautenheims“ das Dorf zum Festspielhaus machen.
Das Opendorfprojekt ist Dr. Annette Storr ein ernstes Anliegen.
(Foto: Annette Storr)
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ALZEY-DAUTENHEIM - In den vorigen beiden Sommern tourte sie mit einer Wanderbühne erst durch Rheinhessen, dann bis nach Berlin. Nun will Dr. Annette Storr die Bühnen Dautenheims ins Zentrum der kulturellen Aufmerksamkeit rücken – mit einer Oper mitten in Rheinhessen. Das Libretto zu Luigi Pirandellos Stück „Die Riesen vom Berge“ (1936) hat die Regisseurin und Ideengeberin selbst geschrieben. Wieder gibt es ein Zusammenwirken von Profis und Amateuren, Schauspielern und Musikern. Zwei frühere Mitwirkende in Dautenheim bringen internationales Flair: Derzeit komponiert die Französin Clara Gervais die Musik, der koreanische Künstler Byungjun Kwon steuert Roboter und elektronische Klangelemente bei, die koreanische Designerin Youjin Kwak entwirft die Kostüme. Den klanglichen Bogen vom globalen Kulturprojekt zur Region schlagen Kurt Steffens und seine Schüler der Alzeyer Kreismusikschule.
Frau Dr. Storr, eine Oper in Dautenheim – welche Idee steckt dahinter?
Es geht um eine Gegenbewegung. Erst wollten wir von Dautenheim aus auf Abenteuerreise gleichsam in die Welt ziehen und das Publikum vor Ort aufsuchen. Dieses Mal laden wir aufs Dorf ein, zu einer Oper mit lokalen Kräften und einem koreanischen Künstler. Wir haben uns bei unserem Workshop-Wochenende, anknüpfend an Christoph Schlingensiefs Utopie, etwas provokativ die Frage gestellt, ob die Realisierung eines Operndorfes in Burkina Faso oder in Rheinland-Pfalz realistischer ist. Das wollten wir praktisch ausprobieren. Das Festspielhaus, das Schlingensief vorschwebte, wurde noch nicht gebaut. Wir haben in Dautenheim bereits die 1996 ausgeräumte Theaterscheune, die 2010 mit Hilfe aus dem Dorf gebaute Freilichtbühne und die Wagenbühne. Daher tragen wir auch den Namen Bühnen Dautenheims. Dieses Operndorfprojekt ist ernst gemeint, und die Frage, wie es in Rheinland-Pfalz jenseits der Struktur von Stadt- und Staatstheatern aussieht, ist es ebenfalls.
Wo liegen die größten Hürden, um das Projekt in die Tat umzusetzen?
Die Schwierigkeiten sind selbst gewählt, mit einem neuen Stück, einer neuen Komposition und einer besonderen Ästhetik. In Pirandellos Fragment geht es um die Konkurrenz verschiedener Vorstellungswelten. Es geht um Ängste und es stellt die Frage, was aus einer bestimmten Imagination folgt. Der Stoff betrifft uns als Truppe, uns als Dorf und die aktuelle politische Situation.
KONTAKT
Musiker, die an der Aufführung mitwirken möchten, können sich bei Dr. Annette Storr, a.storr@gmx.de, 0174-7260435, melden, oder auch bei der Musikschule des Landkreises Alzey-Worms, kms@alzey-worms.de, 06731-40 88 44 44.
Welche Herausforderungen im Organisatorischen und Planerischen stechen hervor?
Wir suchen Leute, die Lust haben, mitzuspielen. Die Komponistin hätte sehr gern weitere Bläser. Kompliziert ist das Ganze dadurch, dass die Oper noch geschrieben wird – maßgeschneidert für die, die mitmachen – und die Noten erst in ein, zwei Monaten vorliegen. Genau darum geht es mir, das professionelle Ensemble mit Akteuren aus der Region zu mischen, denn so kommt es zu einem aussagekräftigeren Ergebnis.
Wann wird geprobt und aufgeführt?
Wir beginnen am 9. Juli. Die drei Vorstellungen sind am 31. Juli, 1. und 2. August. Es wäre wichtig, dass die Musiker schon im Vorfeld, wenn sie die Noten bekommen, üben. Die letzte Woche vor der Vorstellung ist wichtig für die intensive Vorbereitung.
Wenn ich mir „Riesen vom Berge“ in Dautenheim vorstelle, sehe ich Windräder . . .
Tatsächlich gibt es assoziative Zusammenhänge. Die Riesen treten in dem Stück nicht auf. Sie werden beschrieben als große Leute, die gigantische Bauwerke herstellen. Es sieht so aus, dass wir die Aufführung, die mit einer durchs Land ziehenden Schauspieltruppe beginnt, auf der Freilichtbühne beginnen und zum zweiten Teil in die Scheune gehen. Neben den Schauspielern und Robotern gibt es auch Puppen, die die Imagination lebendig werden lassen. Das passt gut zu unserer heutigen Zeit, in der Maschinen mit anthropomorphen Zügen immer wichtiger werden. In dem Stück steckt viel über unsere Gegenwart, die Pirandello gar nicht kennen konnte.