HEIDESHEIM - Lange dauert es an diesem Donnerstagvormittag nicht, da schlängelt sich ein Lastwagen über den Parkplatz der Rastanlage Heidenfahrt Nord an der A 60, eskortiert von einer Motorradstreife. Verschämt klettert Thomas (Name geändert) aus dem Fahrerhäuschen. Udo Hotz und Mirjam Hof von der Heidesheimer Autobahnpolizei warten bereits. Fahren ohne angelegten Gurt, das kostet normalerweise 30 Euro. Diesmal nicht, denn Hotz und Hof sind in dieser Woche in präventiver Mission unterwegs, im Rahmen der Initiative „Hat’s geklickt?“. Sie soll Lkw-Fahrern die Gefahren unangeschnallten Fahrens oder zu geringen Abstands aufzeigen.
Strafen gibt es in der Regel keine
Strafen gibt es in der Regel keine. „Es sei denn, da fällt uns einer betrunken aus dem Lkw“, so Hotz. Stattdessen gibt es drei moderne Simulatoren. Und Jürgen Schöbel. Er ist Verkehrsmoderator. Berliner Schnauze, über 25 Jahre Schulungserfahrung – Schöbel spricht die Sprache der Trucker, hat für jeden nicht nur einen belehrenden Spruch, sondern auch einen Plausch und Kaffee parat. Zum siebten Mal macht er mit seinen Kollegen Station in Heidesheim, vier Tage lang, im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), der Berufsgenossenschaft Verkehr (BGV) sowie der Autobahnpolizei Heidesheim. Schöbel geht es weniger darum, die Lkw-Fahrer abzustrafen, er möchte ihnen die Augen öffnen. „Kundschaft“ liefern die beiden Motorradstreifen, die sich auf der A 60 in Stellung gebracht haben und immer wieder nicht angeschnallte Lkw-Fahrer und Abstandssünder auf die Anlage lotsen.
Thomas ist an der Reihe. „Eine gute Aktion, das ist wirklich wichtig“, findet er. Er kenne die Gefahren, habe selbst bereits einen Auffahrunfall gehabt. Angeschnallt war er dennoch nicht. „Ich habe einfach nicht dran gedacht – war dumm.“ Dann nimmt er auf dem Crash-Simulator Platz. Ein Knall – der auf zehn Kilometer pro Stunde beschleunigte Fahrersitz bremst abrupt ab. Thomas bleibt die Luft weg. Im Ernstfall hätte der angelegte Gurt ihm das Leben gerettet. Bei einem Aufprall mit 30 Stundenkilometern wirkten auf den Körper einer 100 Kilogramm schweren Person plötzlich Kräfte von 3,5 Tonnen, berichtet Schöbel. „In 80 Prozent endet das für nicht Angeschnallte tödlich.“ Erschreckend ist dies vor dem Hintergrund, dass sich nur rund die Hälfte der Lkw-Fahrer überhaupt anschnallt. Tagsüber sind es laut Schöbel 70 Prozent, in der Nacht nur 15 bis 20. Zum Vergleich: 98 Prozent der Autofahrer schnallen sich an.
Thomas ist einsichtig. Wie nahezu jede der 150 Personen, die in den vergangenen Tagen in den Simulatoren Platz nahmen, berichtet Udo Hotz. Thomas wirkt dennoch unerschrocken. Auch nach der nächsten Station, dem Überschlagssimulator. Nach ein paar Runden im rotierenden Lkw-Führerhäuschen berichtet er von einem mulmigen Gefühl, von „Machtlosigkeit“. Allein der Anschnallgurt hielt ihn im Sitz, dennoch: Viele Gedanken über mögliche Gefahren dürfe er sich nicht machen. Übervorsichtiges Fahren kann er sich im Job nicht leisten, sagt er, während an Station drei, einem mit Sitz, Lenkrad und Bildschirm ausgestatten Abstandssimulator, ein anderer Fahrer Platz nimmt.
Schöbel kennt die Probleme des Geschäfts. Der Leistungsdruck ist groß. Zudem fühlen sich viele Fahrer in ihren modernen Gefährten unverwundbar. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Im vergangenen Jahr waren Lkw allein im Zuständigkeitsbereich der Autobahnpolizei Heidesheim an 399 Verkehrsunfällen beteiligt. 32 Menschen verunglückten, sieben wurden schwer verletzt. Für Udo Hotz ein Grund mehr, die Initiative auch im nächsten Jahr an den Start zu bringen.