Wie kamen die brisanten Dateien auf den Rechner des ehemaligen Doktoranden der TU Darmstadt? Der Verteidiger des Syrers hat eine Erklärung.
Von Rainer H. Schlender
Leitung Reporter Rhein-Main/Südhessen
Malik F. und sein Verteidiger Ali Aydin (links) zu Beginn des Prozesses vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
(Foto: dpa)
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FRANKFURT/DARMSTADT - Der Prozess gegen den 37 Jahre alten Syrer Malik F. hat eine überraschende Wendung genommen und wird womöglich viel länger dauern als geplant – obwohl die Liste der Tatvorwürfe kürzer geworden ist.
Malik F., bis 2016 Doktorand an der TU Darmstadt, muss sich vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt verantworten. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) geworben und sich waffentechnische Anleitungen besorgt zu haben, um eine schwere staatsgefährdende Straftat zu begehen.
Spezialisten der Polizei stellen gelöschte Dateien wieder her
Die Anleitungen zum Bau von Bomben und Zündern wurden auf elektronischen Speichermedien entdeckt, die bei der Durchsuchung der Wohnung des 37-Jährigen in Weiterstadt sowie in seinem Büro an der TU Darmstadt sichergestellt worden waren. Zwar waren die Daten auf den Festplatten gelöscht worden. Doch gelang es den Spezialisten der „Digitalen Forensik“ am Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt, einige Dateien in Teilen wiederherzustellen. Sie waren gelöscht, aber nicht überschrieben worden. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, sich diese Anleitungen verschafft und gespeichert zu haben, um einen Terroranschlag zu begehen – in Deutschland oder in einem anderen europäischen Land. Allerdings haben die Ermittler keinen Hinweis gefunden, dass Malik F. tatsächlich ein konkretes Anschlagsziel im Auge hatte.
VORWÜRFE
Malik F. wird unter anderem zur Last gelegt, in einem Facebook-Eintrag die Bewohner der Stadt Idleb in Syrien zur Teilnahme am Kampf der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ aufgerufen zu haben. Auch soll er einen getöteten Kritiker des „Islamischen Staates“ – stellvertretend für alle Nicht-Moslems in der Bevölkerung – als verachtenswert und minderwertig dargestellt haben.
Fast fünf Monate nach Beginn des Prozesses bietet die Verteidigung des Angeklagten nun eine Erklärung dafür an, wie die brisanten Dateien auf den Laptop von Malik F. und eine externe Sicherungsfestplatte gekommen sein könnten; sie waren dort in einem Ordner namens Abu Morhaf („Vater des Morhaf“) gespeichert. Der Bruder des Angeklagten, Monther F., ein Informatiker, habe „aus beruflichen Gründen“ mit diesen Dateien zu tun gehabt. Er habe auch einen Sohn, der Morhaf heiße.
Nach Darstellung von Rechtsanwalt Ali Aydin hatte Monther F. in Jordanien in einer Firma seines Bruders gearbeitet. Malik F. habe keine Kenntnis von diesen Dateien gehabt. Sie seien ja auch gelöscht gewesen. Monther F. sei bereit, vor Gericht auszusagen und diese Darstellung zu bekräftigen, sagte der Rechtsanwalt und betonte, der Mann sei nicht religiös und habe nichts mit den islamistischen Umtrieben zu tun, die seinem Bruder vorgeworfen werden. Das Problem: Monther F. lebt in Venezuela.
Mit ihrem überraschenden Vorstoß wirbelt die Verteidigung die Zeitplanung des Gerichts gehörig durcheinander. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiehl darauf hingewiesen, dass der Senat mit der Beweiserhebung am Ende sei, und bereits Termine zum Ende des Monats August vorgeschlagen, an denen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers hätten halten können. Jetzt wird sich der Senat darum bemühen, den Zeugen zu hören, und hat vorsorglich Termine über den September hinaus reserviert.
Sollte die Darstellung der Verteidigung nicht glaubhaft widerlegt oder sogar bestätigt werden können, bräche ein wesentlicher Pfeiler der Anklage weg. Rechtsanwalt Aydin betonte, sein Mandant habe zwar Propaganda für den „Islamischen Staat“ gemacht. Allerdings fügte er hinzu: „Zu keiner Zeit ging von ihm eine Gefahr für Deutschland aus.“
Angebliche Todesdrohung spielt keine Rolle mehr
An anderer Stelle ist die Beweisführung der Generalstaatsanwaltschaft bereits gescheitert, nach deren Darstellung Malik F. zumindest in Gedanken mit der Vorbereitung schwerer Gewalttaten beschäftigt war. Der Vorwurf, er habe einen Mitgefangenen in der Haftanstalt in Frankfurt mit dem Tode bedroht, wird nicht aufrechterhalten. Der Mann hatte der Polizei erzählt, Malik F. habe ihn erfolglos aufgefordert, „beim Töten der Ungläubigen zu helfen“, und ihn mit der Drohung einschüchtern wollen.
Der Mitgefangene, Dawit A., hatte sich im Prozess jedoch als offensichtlich völlig unglaubwürdig erwiesen. Im vergangenen Jahr war der Eritreer vom Landgericht Darmstadt zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte in einer Flüchtlingsunterkunft in Bensheim eine Frau zu vergewaltigen versucht und anschließend aus dem Fenster geworfen.