Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haftstrafe für Ali Bashar
Im Prozess um den gewaltsamen Tod der Mainzer Schülerin Susanna, wurde auch beantragt, die besondere Schwere der Schuld festzustellen.
Von Wolfgang Degen
Mitarbeiter Lokalredaktion Wiesbaden
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WIESBADEN - „Kaltblütig. Hätte ich Tat und Täter in einem Wort zu beschreiben, wäre das meine Wahl.“ Mit diesem Satz leitet Staatsanwältin Sabine Kolb-Schlotter am Dienstagvormittag vor der Schwurgerichtskammer ihr Plädoyer ein, das zwei Stunden und 20 Minuten lang sehr detailreich dieses Wort „kaltblütig“ belegt und mit Inhalten füllt. Als Teil eines Beweis- und Indizienpuzzles. Am Ende fordert sie eine lebenslange Freiheitsstrafe und die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Damit wäre bei einer Verurteilung wegen Mordes eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen. Das Verbrechen sei „an Abscheulichkeit nicht zu überbieten“. Sie fasst Susannas Schicksal so zusammen: „Benutzt – getötet – weggeworfen – verscharrt.“
Kaltblütig habe der Iraker Ali Bashar Ahmed Zebari in der Nacht zum 23. Mai 2018 die Mainzer Schülerin Susanna getötet. Susanna sei zuerst das „Opfer seiner Bedürfnisbefriedigung“ gewesen, Ali habe das Mädchen vergewaltigt, ist die Staatsanwältin sicher. Susannas Weigern habe Ali mit Drohungen und wohl auch mit Gewalt überwunden. „Mach’ keinen Scheiß, dann muss ich auch keinen Scheiß machen“, soll er ihr gesagt haben. Sagt ein junger Afghane, dem Ali die Vergewaltigung und das Töten geschildert haben soll.
Für die Vergewaltigung und den Mord der Mainzer Schülerin Susanna ist Ali B. zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nun muss er sich erneut vor Gericht verantworten.
(Foto: dpa)
Nur kurz setzt Kolb-Schlotter in ihrem Plädoyer das Kopfkino bei den Zuhörern in Gang, wenn sie das Szenario schildert, wie verloren, hilflos und verängstigt Susanna gewesen sein muss. Nachts alleine mit diesem Mann in der Feldgemarkung. Weitab von jeder Hilfe. Ausgeliefert dem Mann, vor dem sie Angst hatte, wie Zeugen im Prozess übereinstimmend gesagt hatten. Unklar ist, warum Susanna so weit ins Feld hinein mitgelaufen ist. Nimmt man die an anderer Stelle von Ali praktizierte skrupellose Gewaltbereitschaft oder das von ihm häufig an den Tag gelegte manipulative Vorgehen, dann könnte er sie gezwungen oder getäuscht haben. Es sagt viel aus über die Täterpersönlichkeit, wenn Ali daraus eine Mitschuld Susannas konstruiert: Sie sei ja mit ihm mitgegangen.
Staatsanwältin beschreibt Bashar als empathielos
Susanna habe die Vergewaltigung nicht einfach hinnehmen wollen, sagt Kolb-Schlotter. Sie habe mit der Polizei gedroht. Auch das soll Ali seinem Freund schon am Tag nach dem Verbrechen geschildert haben. Ali habe die Polizei fürchten müssen, deshalb habe er Susanna zum Schweigen gebracht. Seinem Freund soll er das so geschildert haben: „Wenn sie zur Polizei geht, dann ist Ali am Arsch.“ Eine zutreffende Schlussfolgerung. Hier liegt das Motiv.
Für den heute 22-jährigen Angeklagten hatte sich alles im Leben ausschließlich um seine Bedürfnisse gedreht. Gefühle und Interessen anderer Menschen hatten ihn nie wirklich interessiert. Ein völlig empathieloser Mensch, sagt Kolb-Schlotter, und dann schildert sie eine Begebenheit von einer Tatortbesichtigung Ende März 2019 draußen in der Gemarkung Erbenheim. Dort war die Leiche der 14-Jährigen am Nachmittag des 6. Juni 2018 gefunden worden, verscharrt unter Laub und Ästen, in einem Erdloch. Eine Tatrekonstruktion sei gemeinhin auch für Angeklagte eine belastende Situation. Eine direkte Konfrontation der eigenen Schuld, und mit dem Leid, das ein Verbrechen auslöst. Für den Iraker offenbar nicht: „Liegt sie hier noch?“, soll er gefragt haben. Es habe gewirkt, als ob er das Ganze ins Lächerliche habe ziehen wollen, sagt Kolb-Schlotter.
Töten als Beiläufigkeit
Emotional unbeteiligt habe Ali ein ums andere Mal geschildert, wie er das Mädchen in einen Unterarmwürgegriff genommen und zugedrückt haben will. Dann macht die Staatsanwältin eine Pause – Sekunde um Sekunde verrinnt. „Sieben Sekunden“, sagt sie dann. „So lange dauert es, bis ein Mensch bewusstlos wird.“
Susannas Töten läuft in zwei Akten ab, so schildert es der Angeklagte. Nach dem ersten Zudrücken habe er wieder losgelassen, dann aber erneut, und diesmal fester und länger zugedrückt – „bis sie nicht mehr gezappelt hat“, hatte er übersetzen lassen. Auch die Art dieser Tatbegehung sagt viel aus über die Persönlichkeit des Angeklagten. Ein Mädchen, fast noch ein Kind, mit bloßen Händen zu erwürgen – „da gehört schon viel dazu“, meint Kolb-Schlotter. Aber es passe zu diesem Angeklagten. Über den Mord habe er bei den Vernehmungen gesprochen wie über die „Zubereitung einer Spargelsuppe“ – Töten als Beiläufigkeit. Mal eben so.
Urteilsfällung am kommenden Mittwoch
Ein einvernehmlicher Geschlechtsverkehr, wie von Ali behauptet, sei „lebensfremd“. Susanna sei „ein Spielball seiner sexuellen Bedürfnisse“ gewesen. Sie habe Angst vor ihm gehabt. Anfang Mai 2018 soll er sie schon einmal am ganzen Körper begrapscht haben. Mehrere Zeugen hatten das geschildert. Ali sei fixiert gewesen auf junge Mädchen, sein Beuteschema. Er habe sie als reine Sexualobjekte betrachtet. Und am Abend des 22. Mai 2018 habe der Iraker nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit genutzt, um einen lang gehegten Wunsch zu befriedigen: Sex mit Susanna.
Das Urteil soll am kommenden Mittwoch, 10. Juli, von 9.30 Uhr an verkündet werden.