Sexueller Missbrauch: Wie die Polizei auf Sven B. kam

Der ehemalige Fußball-Jugendtrainer Sven B. aus Hattersheim steht wegen schwerer Vergewaltigung vor Gericht. Ein Hauptkommissar berichtet als Zeuge vom Anfang der Ermittlungen.
Frankfurt. Zum ersten Mal klingelten die Ermittler am 27. Oktober 2021 bei Sven B. an der Tür, ein zweites Mal dann am 8. Dezember; es folgten Festnahme und Inhaftierung. Seit dem 23. September steht der 35 Jahre alte frühere Fußball-Jugendtrainer in Frankfurt vor Gericht. Die Anklage lautet auf schwere Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Missbrauch, Körperverletzung und das Anfertigen kinderpornografischen Materials. Bei einer Verurteilung drohen Sven B. bis zu 15 Jahre Haft. Der vor seiner Festnahme in Hattersheim lebende Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen.
Unter Kollegen und Spielern hatte Sven B. einen Ruf
Am Freitag schilderte ein Beamter des Polizeipräsidiums Westhessen im Zeugenstand ausführlich, wie man auf die Spur von Sven B. kam. Der Hauptkommissar leitete die Ermittlungen in der ersten Phase. Ins Rollen kam der Fall durch eine Anzeige bei der Polizei in Hofheim. Dort hatte sich ein Sporttrainer gemeldet. Er sei nach langem Zögern gekommen, weil er es – so der Bericht des Hauptkommissars – für seine Pflicht halte, die immer wieder auftauchenden Gerüchte um seinen Kollegen Sven B. anzuzeigen, um zu klären, ob es mehr als Gerüchte seien.
Sven B. sei unter Trainern und Jugendlichen seit Jahren als „Kinderficker“ verrufen. Er habe unter den Spielern seine „Lieblinge“, stehe mit diesen in unüblich engem Kontakt, einzelne Jugendliche kämen morgens gemeinsam mit dem Trainer zum Spiel, nachdem sie anscheinend bei ihm übernachtet hätten. Auch sei von körperlichen Übergriffen („Griff in den Schritt“) die Rede. Bei der Aufnahme der Anzeige fielen die Namen von drei Jugendlichen.
Der Hauptkommissar nahm Kontakt auf zu den drei angeblich betroffenen Jugendlichen. „Diese reagierten sehr unterschiedlich“, sagte er vor Gericht. Während einer von ihnen erklärte, er könne sich das nicht vorstellen und persönliche Übergriffe von Sven B. verneinte, hätten die beiden anderen Jugendlichen verunsichert gewirkt. Einer von ihnen habe sich dann bald bei ihm gemeldet und eine Aussage gemacht, die den Verdacht erhärtete.
Wenige Tage später, am 7. Oktober, gab es die erste Hausdurchsuchung bei Sven B., die der Hauptkommissar leitete. In der „hygienisch nicht einwandfreien Wohnung“ fanden die Beamten neben einem Rechner und mehreren Handys zahlreiche Datenträger und einen Block mit Blanko-Arztrezepten.
Selbst gedrehte Sex-Videos in der Wohnung
Nach einer ersten Auswertung des Rechners und der Datenträger kamen die Beamten am 8. Dezember zu einer zweiten Hausdurchsuchung. Diesmal trafen sie Sven B. nicht an, er hielt sich bei seiner Mutter auf, die in der Nähe wohnte. Als die Beamten dort klingelten, flüchtete der Angeklagte durch den Garten der Mutter, wurde jedoch von dem Hauptkommissar gestellt und festgesetzt. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung stellten die Beamten Kleidung sicher, die der Angeklagte auf selbst produzierten Sexvideos trug, die beim ersten Besuch sichergestellt worden waren, ebenso zahlreiche Sporthosen, teilweise in Kindergrößen, ferner Medikamente wie Schlafmittel und Antidepressiva sowie leere Tablettenblister. Im Auto des Angeklagten fanden die Beamten zwei mit einer unbekannten Flüssigkeit befüllte Spritzen. Außerdem wurde im Garten der Mutter ein Handy gefunden, dass der Angeklagte während seines Fluchtversuchs weggeworfen hatte.
Somit hatten sich die Hinweise weiter verdichtet, dass die Gerüchte über Sven B. keine Gerüchte waren; er wurde dem Haftrichter vorgeführt. Vor Gericht bestätigte der Hauptkommissar, dass die Mutter des Angeklagten einer Beamtin bei der Festnahme ihres Sohnes sagte, sie habe „die ganze Zeit damit gerechnet, dass die Polizei vorbeikommt“. Diese weitete die Ermittlungen nun erneut aus, der Hauptkommissar gab den Fall an die neu gebildete Sonderkommission „Mosaik“ ab.
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Sven B. werden mehr als 60 Fälle von Vergewaltigung vorgeworfen, geschehen zwischen Januar 2014 und Oktober 2021. Es gibt zehn Opfer, alles Jungen, die zum Zeitpunkt der Taten zwischen zehn und 17 Jahre alt waren. Laut Anklage soll Sven B. seine Opfer zunächst über Messenger-Dienste anonym bedroht und den verängstigten Jungen anschließend seinen Schutz angeboten haben. Die so in die Wohnung des Angeklagten gelockten Opfer seien von diesem mit Alkohol und verdeckt verabreichten Schlafmitteln bewusstlos gemacht und anschließend vergewaltigt worden. Teilweise soll Sven B. die Vergewaltigungen auch gefilmt haben.
Der Prozess wird am 9. November fortgesetzt.