Mindestens 107 Corona-Infektionen nach Gottesdienst in Frankfurt
Bei einem Gottesdienst in Frankfurt haben sich nach Behördenangaben über 100 Personen mit dem Coronavirus infiziert. Die Menschen lebten in Frankfurt und drei hessischen Landkreisen.
Von dpa
Bei einem Gottesdienst am 10. Mai in der Frankfurter Baptistengemeinde hat sich eine größere Zahl von Menschen mit dem Corona-Virus infiziert. Von dem Ausbruch sind Gläubige aus Frankfurt und umliegenden Landkreisen wie dem Wetterau-, dem Hochtaunus- und dem Main-Kinzig-Kreis betroffen.
(Foto: dpa)
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FRANKFURT/HANAU/WIESBADEN - Im Umfeld einer freien baptistischen Gemeinde in Frankfurt haben sich mindestens 107 Menschen mit dem neuen Coronavirus infiziert. Das teilte der hessische Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) am Sonntag in Wiesbaden mit. Auslöser soll ein Gottesdienst vor zwei Wochen (10. Mai) in Frankfurt gewesen sein. Die meisten der betroffenen Frankfurter hätten sich danach aber wohl zu Hause infiziert, sagte der Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt, René Gottschalk, am Sonntag. Mehr als 40 der 107 Infizierten lebten in der größten hessischen Stadt.
26 Infizierte wohnen im Wetteraukreis, wie der Kreis am Sonntag mitteilte, und 17 in Hanau, wie es von Stadt hieß. Zudem gibt es dem Ministerium zufolge noch mehrere Fälle im Hochtaunuskreis. Möglicherweise seien auch noch andere Landkreise betroffen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die genaue Zahl stehe noch nicht fest.
Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) kritisierte den Informationsfluss zu dem Infektionsgeschehen. "Das grenzt an organisierte Unverantwortlichkeit." Er forderte Informationen von den zuständigen Stellen, dem Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises und dem Land. Minister Klose betonte: "Diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle - gerade während der Lockerungen, die jetzt wieder möglich gemacht werden - wachsam bleiben und nicht leichtsinnig werden." Denn: "Das Virus ist weiterhin da und will sich verbreiten."
Gottschalk sagte über die Frankfurter Fälle: "Die weitaus meisten sind nicht sonderlich krank. Nach unserem Kenntnisstand ist auch nur eine Person in einem Krankenhaus." Die Einzelfälle würden nachverfolgt. "Wir haben das gut im Griff." Wie es den 17 Infizierten in Hanau gehe, wisse er nicht, sagte Daniel Freimuth vom Krisenstab der Stadt. Der Oberbürgermeister habe noch keine Informationen vom zuständigen Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreis bekommen. "Wir wissen nicht, um wen es sich handelt, welches Alter die Betroffenen haben, und ob und wo sie sich in den vergangenen Tagen in unserer Stadt bewegt haben", kritisierte OB Kaminsky. "Die Sorge der Bevölkerung ist verständlicherweise groß." Sie habe einen Anspruch auf Klarheit.
Im Wetteraukreis wurden im Zusammenhang mit den 26 Infizierten 76 Menschen in Quarantäne geschickt, wie der Kreis am Sonntag mitteilte. Ein positiv getestetes Kind habe einen städtischen Kindergarten in Karben-Petterweil besucht. Alle anderen Kinder in der Notbetreuung und die Erzieherin seien nach Tests jedoch ohne Befund. "Niemand hat sich bei dem Kind angesteckt, das sich jetzt, wie seine Eltern, in häuslicher Absonderung befindet."
Der stellvertretende Vereinsvorsitzende der Gemeinde der Evangeliums-Christen-Baptisten, Wladimir Pritzkau, hatte am Samstag gesagt, es befänden sich sechs Betroffene in Krankenhäusern. Die anderen seien zu Hause. "Wir haben alle Versammlungen abgebrochen. Gottesdienste gibt es jetzt nur noch online", sagte der 64-Jährige. "Bei uns ist es eine schwierige Lage."
Wie viele Besucher zu dem Gottesdienst am 10. Mai gekommen waren, könne er "nicht genau sagen", meinte Pritzkau. "Bei uns sind aber alle Regeln eingehalten worden." Es habe Desinfektionsmittel gegeben, der vorgeschriebene Abstand sei beachtet worden.
Oberbürgermeister Kaminsky kritisierte, offenbar hätten keine Namenslisten vorgelegen, dies erschwere jetzt die Aufklärung. "Die Gesundheitsämter vor Ort haben die Kontaktpersonen-Nachverfolgung unmittelbar aufgenommen, das Land steht mit ihnen in engem Kontakt", sagte dagegen Minister Klose. Im Bedarfsfall biete das Land Unterstützung an.
Religiöse Versammlungen sind in Hessen seit dem 1. Mai unter Auflagen wieder erlaubt. So muss in Kirchen und anderen Gotteshäusern der Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen den Menschen eingehalten werden, nötig sind zudem weitere Hygienemaßnahmen wie das Aufstellen von Desinfektionsspendern.
Der Main-Kinzig-Kreis und die Stadt haben wegen der Infektionen ein für Sonntag geplantes Fastengebet von Muslimen im Hanauer Herbert-Dröse-Stadion abgesagt. Die Veranstaltung wäre mit Blick auf die Geschehnisse in Frankfurt unverantwortlich, hieß es. Es sei derzeit auch noch nicht abzusehen, welche Folgen die Ereignisse in Frankfurt für die Region hätten. Zudem hätten der Muslimische Arbeitskreis und mehrere Moscheen für das Fastengebet geworben. Daher sei mit bis zu 1000 Teilnehmern aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet zu rechnen gewesen. Ein Gebet mit maximal 100 Gläubigen in einer Hanauer Moschee sei aber für Montag erlaubt worden, sagte Freimuth.
Über die Zahl der Gemeindemitglieder insgesamt wollte Pritzkau keine Angaben machen. Die meisten kämen aus dem Raum Frankfurt. In der Gemeinde der Evangeliums-Christen-Baptisten finden die Gottesdienste laut Homepage in deutscher und russischer Sprache statt. Ihr Sitz ist im Stadtteil Rödelheim im Westen von Frankfurt.