Im Fall Susanna gibt es viele Fragen zur Akte Ali B.

aus Der Fall Susanna

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Auf dem Weg in die Untersuchungshaft: Ali B. wird in Wiesbaden von Beamten einer polizeilichen Spezialeinheit aus dem Justizzentrum zu einem Polizeihubschrauber gebracht.Foto: dpa  Foto: dpa

Im Kreuzberger Ring herrscht Sonntagsruhe. Rund um die Flüchtlingsunterkunft im Wiesbadener Stadtteil Erbenheim geht alles seinen gewohnten Gang – jedenfalls fast, denn die...

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WIESBADEN. Im Kreuzberger Ring herrscht Sonntagsruhe. Rund um die Flüchtlingsunterkunft im Wiesbadener Stadtteil Erbenheim geht alles seinen gewohnten Gang – jedenfalls fast, denn die hier postierten Polizisten passen nicht so recht zur Ruhe im Ort. Seit Tagen gehören Streifenwagen zum Straßenbild. Seit bekannt wurde, dass ein ehemaliger Bewohner der Unterkunft die 14-jährige Susanna aus Mainz vergewaltigt und ermordet haben soll.

Das Gebäude, ein ehemaliges Bürohaus, wird von der Polizei geschützt. Versuche, das Gelände zu betreten, um mit Bewohnern ins Gespräch zu kommen, werden von den Beamten freundlich, aber bestimmt unterbunden. Auch vor dem einige hundert Meter entfernten Heim an der Berliner Straße stehen Polizei-Fahrzeuge.

Man verbiete niemandem das Wort, erklärt der Wiesbadener Sozialdezernent Christoph Manjura (SPD). Allerdings wolle man auch die Privatsphäre der Bewohner schützen. Er selbst habe am Wochenende beide Erbenheimer Unterkünfte besucht. Die Stimmung unter den Bewohnern sei geprägt von Trauer und Bestürzung, aber auch von großer Verunsicherung, wie sich die gesellschaftliche und politische Lage hierzulande nun entwickle.

Viel wird davon abhängen, was noch bekannt wird

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Die Wiesbadener Bürger wiederum hätten in den vergangenen Tagen ihre Wut über das Geschehene zum Ausdruck gebracht: „Die Menschen sind besorgt und stellen berechtigte Fragen. Denen wird man jetzt auch unbedingt nachgehen müssen“, sagt Manjura. Er habe bislang nicht das Gefühl, dass die Stimmung in Hass und Hetze umschlage. Und bei aller gebotenen Wachsamkeit glaube er auch nicht, dass es in Wiesbaden so weit kommen wird: „Ich habe Vertrauen in diese Stadt.“ Der Wunsch ist verständlich. Aber einiges wird davon abhängen, wie viele Details noch aus dem Vorleben des Ali B. bekannt werden – und ob diese Erkenntnisse den Bürgern nicht den Eindruck vermitteln, dass der Tod des Mädchens hätte verhindert werden können. Wenn die Behörden früh genug eingegriffen und Ali B. aus dem Verkehr gezogen hätten. Die Vorfälle, bei denen der Iraker bislang aktenkundig wurde – mitunter war eine Tatbeteiligung gar nicht nachzuweisen –, lieferten nach Einschätzung der Behörden jedenfalls keinen ausreichenden Haftgrund.

Bemerkenswerte Einblicke in den Alltag Ali B.s geben im „Spiegel“ nun vier junge Männer aus dem arabischen Raum, nach Angaben des Magazins handelt es sich um Bekannte des 20-Jährigen. Zwei von ihnen lebten demnach in derselben Flüchtlingsunterkunft. Das Leben der achtköpfigen Familie B. habe sich nach der Ankunft in Deutschland im Herbst 2015 zunehmend verändert, mehrere Kinder seien nach und nach auf die schiefe Bahn geraten, berichten die Männer – im Mittelpunkt dabei: der älteste Sohn, Ali. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden sei, habe er keinen Sprachkurs besucht, folglich schlecht Deutsch gesprochen. Irgendwann habe er angefangen, mit Haschisch und Marihuana zu dealen, erst selten, dann immer häufiger, schließlich sei er täglich auf dem Platz der Deutschen Einheit zu finden gewesen. Der zentrale Platz – unweit des 1. Polizeireviers – gilt als Anlaufstelle für Drogengeschäfte. Nach Angaben der Wiesbadener Staatsanwaltschaft allerdings gab es für Ali B. keine Einträge wegen Drogenhandels. Auffällig wurde er wegen anderer Delikte. Die Bekannten aber sagen: Der Drogenhandel habe sich für Ali zum einträglichen Geschäft entwickelt, er sei immer großspuriger aufgetreten, habe sich teure Klamotten und Sportschuhe leisten können. Mit der Zeit habe er sich „fast unantastbar“ gefühlt.

Viele dieser Details zur Persönlichkeit des Irakers seien dem Sozialamt nicht bekannt gewesen, sagt Sozialdezernent Manjura. Die Familie allerdings sei sehr wohl auch dem Sozialdienst als schwierig aufgefallen, insbesondere was die Einhaltung der Hausordnung in der Gemeinschaftsunterkunft angehe. Die Familie bewohnte insgesamt vier Zimmer. Generell sei die Erbenheimer Unterkunft mit 70 Bewohnern eine kleinere Einrichtung. Und eine eher unauffällige, was Vorfälle zwischen Bewohnern und Konflikte mit der Nachbarschaft betreffe.

Ali B., berichtet Manjura, hätte dieser Tage eigentlich eine Arbeit beginnen sollen. Mit solchen Beschäftigungen, beispielsweise im Hausmeisterdienst der Gemeinschaftsunterkünfte, versuche man auch bei Bewohnern mit abgelehnten Asylanträgen noch Integrationsmaßnahmen und Spracherwerb zu fördern – so lange, bis per Gericht über das Bleiberecht endgültig entschieden sei. Wessen Asylantrag abgelehnt ist, der hat keinen Anspruch auf einen Integrationskurs. Allerdings gibt es die Möglichkeit, gegen die Ablehnung mit aufschiebender Wirkung zu klagen. Das Dezernat, erklärt Manjura, habe auf die Verfahren und die rechtlichen Festsetzungen keinen Einfluss.